Schützenfest

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John Chowanec weiß, was er will: "Mehr Waffen!" Diesen Wunsch hat er sich mit seinem Spiel Project: Snowblind" erfüllt. Und er ist so begeistert davon, dass es ihm schwer fällt, von etwas anderem zu reden

GEE: Was war der erste First-Person-Shooter deines Lebens? John Chowanec: Meinen Erstkontakt mit Shootern hatte ich, wie übrigens die meisten Leute aus der Games-Branche, mit „Wolfenstein 3D“. Ich besaß damals leider nur einen furchtbar langsamen Computer. Doch es gab dieses Feature, das Spielfenster stufenweise zu verkleinern, um es der Leistung des Computers anzupassen. Und die war in meinem Fall so unterirdisch, dass ich „Wolf 3D“ in einem Fenster durchgespielt haben, das nicht größer war als eine Briefmarke. Trotzdem ahnte ich, dass mit diesem Spiel ein neues Zeitalter angebrochen war. Ich hatte zwar davor schon andere First-Person-Games gespielt – „Ultima Underground“ zum Beispiel – und genau genommen war sogar „Bard’s Tale 1“ schon First Person. Allerdings gab es damals noch keine flüssige Bewegung wie in „Wolfenstein 3D“. Das war neu, das war revolutionär. Ohne Zweifel hatte dieses Spiel einen großen Einfluss auf die Game-Industrie. Gab es für dich ein Schlüsselerlebnis in Sachen First-Person-Shooter? Als ich „Goldeneye“ auf dem N64 gespielt habe, verwendete ich diese Zwei-Controller-Konfiguration. Der N64-Controller war ja der erste mit einem Analogstick, allerdings wirklich nur mit einem. Bei „Goldeneye“ konnte man zwei Controller gleichzeitig anschließen und jeden in eine Hand nehmen. Mit dem Analogstick des linken Controllers konnte man sich bewegen, während der Analogstick des Controllers in der rechten Hand das Hoch- und Runtergucken steuerte. Das war eine sehr einfallsreiche Nutzung der N64-Hardware. Während der Arbeit an „Project: Snowblind“ hatte ich auch viele Schlüsselmomente. Mir war lange Zeit gar nicht klar, wie flexibel das „Core-Design“ des Spiels in Wahrheit ist. Und sogar jetzt, nach neunmonatiger intensiver Entwicklungsarbeit, entdecke ich beim Spielen immer noch neue Wege, meine Waffen und Gadgets einzusetzen. Auch im Multiplayer. Das Arsenal, das wir für den Single-Player-Modus entwickelt haben, ermöglicht sehr interessante Vorgehensweisen im Mehrspieler-Modus. Ich werde nie den Moment vergessen, als ich zum ersten Mal feststellte, dass ich einen Spider-Bot losschicken und das Sekundärfeuer der HERF-Kanone darankleben kann. Das ist so eine Mine mit Näherungszünder. Mein netter kleiner Spider-Bot lief also in diesen Raum, erledigte eine Hand voll Feinde mit den normalen Bot-Waffen, und die restlichen fielen der angehefteten Mine zum Opfer. Aber ich greife vor, zum Spiel erzähle ich später mehr ... Was ist deiner Meinung nach die Essenz eines First-Person-Shooters? Für mich hat die Bedienbarkeit oberste Priorität. Wenn die Steuerung in einem FPS, ganz besonders auf einer Konsole, nicht gut ist, macht das ganze Spiel keinen Spaß. Abgesehen von der Steuerung ist mir vor allem eines wichtig: die Waffen. Bei einem Großteil aller FPS geht es ja darum, zu schießen und Dinge in die Luft zu jagen. Wenn du nicht ein paar außergewöhnliche Waffen hast, die diese Grunderfahrung erweitern, verlierst du eine ganze Menge potenzieller Spieler. Darum sind wir auch so stolz auf „Project: Snowblind“. Wir haben einen großen Teil der Zeit darauf verwendet an den Grundlagen zu arbeiten. Jetzt haben wir eine sehr ordentliche Steuerung und Waffen, die frischen Wind in die Konsolen-Shooter-Landschaft bringen werden. Aber ich greife schon wieder vor. Bist du ein emotionaler Spieler? Ich fluche sehr viel beim Spielen. Wenn es mal nicht so gut läuft, könnte man meinen, ich hätte einen besoffenen Matrosen im Keller. Und wenn es gut läuft, besonders bei Multiplayer-Sessions, hört es sich auch an, als hätte ich einen besoffenen Matrosen im Keller. Ich denke, das geht schon als emotional durch. Kannst du Spiele immer noch genießen, oder siehst du inzwischen immer nur, was man hätte besser machen können? Ich glaube, wenn man keinen Spaß mehr hat an Videogames, sollte man schleunigst aus der Branche aussteigen. Manche Menschen sind der Meinung, Shooter machen aggressiv. Andere sagen, sie helfen Aggressionen abzubauen. Was machen Shooter mit dir? Für mich sind Shooter eine hervorragende Möglichkeit, Aggressionen abzubauen. Ich finde diese ganze Diskussion auch ziemlich dumm. Mich inspirieren FPS, sie machen mir Angst, sie ziehen mich in ihren Bann, sie treten mir in den Arsch und geben mir die Möglichkeit, anderen in den Arsch zu treten. Und sie erinnern mich daran, warum ich spiele: weil es Spaß macht. Hast du eine Lieblingswaffe? Ich hab im Fernsehen mal diese Waffe gesehen, die vom Militär eingesetzt wird, um Menschenmassen in Schach zu halten. Die sendet hell pulsierendes grünes Licht, und den Leuten wird schlecht davon. Ich fand das ganz niedlich, habe mich aber auch gefragt, ob der Mann der damit „schießt“, nicht irgendwann kotzen muss, wenn alle Leute um ihn herum sich übergeben. Wird der Stern der First-Person-Shooter irgendwann sinken? Auf gar keinen Fall, das ist inzwischen ein fest etabliertes Genre bei den Gamern. Und es wird immer wieder Impulse und Entwicklungen in neue Richtungen geben, die das Genre neu beleben. Das hat man zuletzt bei „Deus Ex“ gesehen. In welchen Bereichen wird es die bahnbrechendsten Verbesserungen geben? Das ist schwer zu sagen – ich glaube, in allen Genres geht es stückweise, aber stetig voran. Mit Sicherheit wird die Grenze zwischen Spielen und Filmen immer weiter verwischen. Außerdem werden Spiele im Bereich der Grafik noch viel besser werden. Spätestens wenn neue Hardware zur Verfügung steht. Gibt es etwas Besonderes, das du gern in einem Spiel umgesetzt hättest, aber aufgrund zu schwacher Hardware nicht konntest? Eigentlich nicht wirklich. Ein großer Teil der Spielentwicklung besteht darin, deine Plattform zu verstehen und dein Projekt auf ebendiese zuzuschneiden. Im Fall von „P: SB“ haben wir eigentlich alles, was wir wollten, in das „Core System“ eingebaut: Fahrzeuge, Physik, Multiplayer, Smart Weapons und KI. Ich bin gespannt, wie viel weiter wir diese Dinge mit der nächsten Generation von Hardware treiben können. Fürs erste haben wir aber einen fantastischen Job gemacht: Wir bringen die Hardware ans Limit, ohne Zugeständnisse an Framerate, Visuals oder Gameplay zu machen. Im Grunde genommen habe ich da auch nur eingeschränkt meine Aktien drin. Das ist das Verdienst der Leute, die das Spiel gebaut haben. Man darf nicht vergessen, dass es einer ganzen Armada an Leuten bedarf, um ein Spiel wie dieses zu bauen. Auch wenn ich derjenige bin, der dieses Interview gibt: Das Team ist der wahre Kopf hinter dem Spiel. Was hebt „Project: Snowblind“ von anderen First-Person-Shootern ab? Das wirklich Einzigartige an „P: SB“ ist die schiere Menge an Möglichkeiten und Fähigkeiten, die dem Spieler zur Verfügung stehen. Wenn du aus allen Rohren feuernd auf das Schlachtfeld laufen willst, hast du unsere volle Unterstützung. Und Spieler, die stattdessen lieber nach einem ausgeklügelten Plan vorgehen, werden überrascht sein, wie häufig sich diese Taktik auszahlen wird. Es gibt ungefähr 24 verschiedene Waffen, Fähigkeiten und Gadgets im Spiel. Von der Splittergranate bis zum „Rail-Laser“ hat jede ihre eigene Funktion. Weil die Geschichte in der nahen Zukunft spielt, sehen die Waffen erst mal ziemlich vertraut aus. Das Sturmgewehr sieht aus und funktioniert wie ein Sturmgewehr, solange du das Primärfeuer verwendest. Benutzt du aber das Sekundärfeuer, schießt du Haftbomben ab, die an allem kleben – dem Gelände, den Fahrzeugen und Menschen. Wenn du sie im Multiplayer an deine Gegner heftest und alle auf einmal explodieren, ist das echt lustig. Im Laufe des Single-Player-Spiels wirst du ständig neue, noch futuristischere Waffen entdecken. Die Flechette ist ein gutes Beispiel. Ihr Primärfeuer ist ein Hochgeschwindigkeitsgeschoss, das von Wänden abprallt. Damit kann man sogar um Ecken schießen. Das Sekundärfeuer ist eine meiner Lieblingsfunktionen im ganzen Spiel: ein Schwarm von intelligenten, KI-gesteuerten Angriffsdrohnen, die alle Feinde in der Nähe zur Strecke bringen. Diese Drohnen sind auch ein gutes Beispiel für unsere so genannten Smart Weapons: quasi Waffen, die denken. Aufgrund der Dichte der Feindkontakte wird es für den Spieler sehr wichtig sein, die Smart Weapons wirkungsvoll einzusetzen, um im Gefecht die Oberhand zu behalten. Von den Spider-Bots über die Drohnen bis zum Elektrosturm – smarte Waffen sind ein Hauptbestandteil der Spielerfahrung. Ergänzt wird das Ganze durch diverse Granaten und andere Gadgets. Die Palette reicht hier von normalen Sprengsätzen bis zu mobilen Schutzwänden wie der „Riot Wall“, die der Spieler überall aufstellen kann. Außerdem sind da noch Frosts Bio-Enhancements, die ihm erlauben, die Zeit zu verlangsamen, unsichtbar zu werden, durch Wände zu sehen und vieles andere. So bietet „P: SB“ dem Spieler ungeahnt viele Möglichkeiten zum Experimentieren. In „P: SB“ geht es vor allem um Waffen. Hast du selbst welche zu Hause? Wie die meisten meiner amerikanischen Mitbürger habe ich eine kleine Auswahl an Waffen in und um mein Haus herum deponiert. In meinem Keller liegen auch viele. Eigentlich ist das schon fast ein kleiner Bunker. Da bewahre ich auch Lebensmittel, Munition und solche Sachen auf. Alles für den Fall des Weltuntergangs. Äh … nein. Ich bin ein harmloser Berufsnerd – ich mache Spiele. Ich sammle keine Waffen. Was denkst du über die immer wieder aufkommende Diskussion, dass Videospiele Gewalt und Verbrechen fördern? Viele Menschen haben Angst vor Dingen die sie nicht verstehen. Spiele machen niemanden gewalttätig. Ich spiele schon mein ganzes Leben, und das hat immer noch keinen latent psychopatischen Instinkt in mir zum Vorschein gebracht. Was denkt deine Frau über deinen Job? Um in dieser Branche zu arbeiten, muss man schon sehr speziell sein. Und man muss noch viel spezieller sein, um einen Typen zu heiraten, der in dieser Branche arbeitet. Nur durch sie kann ich tun, was ich tue. Sie lässt mich mein ganzes Leben lang ein Kind sein. Unterstützt mich an langen, stressigen Tagen, ist nicht böse, dass ich am Sonntag hier am Laptop sitze und dieses Interview schreibe, während unser Hund die Katzen durch das ganze Haus jagt, die Musik viel zu laut ist und eigentlich das Auto gewaschen werden müsste. Ich könnte jetzt stundenlang weitermachen und erzählen, wie unglaublich und wie wahnsinnig großartig sie ist. Und wenn ihr das jetzt nicht druckt, gibt’s Ärger Interview: Moses Grohé
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von Volker Hansch / Januar 10th, 2005 /

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