Anzugunglück

Anzugunglück

Game-Designer sind keine Mode-Designer, ist klar. Aber wie schlimm ist es wirklich um die Outfits unserer Videospielhelden bestellt? Dagmar Gnosa und Melanie Jeske haben zwar von Videospielen keine Ahnung. Aber als Moderedakteurinnen der "Gala" kennen sie sich aus mit Mode und Beauty

Nina Williams
„Die sieht aus wie eine Gogo-Tänzerin“ diagnostiziert Melanie Jeske. Nicht gerade schmeichelhaft für Nina Williams aus „Death By Degrees“. Außerdem ist die Redakteurin erstaunt darüber, dass die Williams in diesem Outfit im Spiel jede Menge Männer vermöbelt und wild um sich schießt. Wie das gehen soll, fragt sie sich. Schließlich ist die Kämpferin ziemlich zurechtgemacht, „hat perfekt manikürte Finger und eine perfekte Frisur. Und der halbe Busen hängt auch schon raus.“ Was passiert, wenn die sich bewegt, mag Jeske sich gar nicht vorstellen. „Und die hohen Absätze“, fügt Dagmar Gnosa hinzu, „da muss man schon sehr lange üben, um so kämpfen zu können. Insgesamt ziemlich ungeeignet, das Outfit. Nach dem ersten Kampf hätte sie sicher jede Menge Laufmaschen, die Strumpfbänder wären gerissen, und die Gute stände da wie Janet Jackson auf der Bühne beim Superbowl.“ „Der Rock ist sowieso tendenziell ein bisschen zu kurz“, erklärt Jeske, „solche Strümpfe mit Strumpfbändern wären schon okay, aber die zeigt man natürlich nicht.“ „Die versteckt man dann eher unter einem Bleistiftrock“, ergänzt Gnosa. „Das kann dann sogar ganz sexy aussehen. Wenn der eingeweihte Zuschauer nur erahnt, dass sich darunter die Strumpfbänder abzeichnen. So wie die Videospiel-Kämpferin das macht, ist es einfach nur billig.“ „Und der Glitzergürtel ist auch unnütz“, fährt Jeske fort, „wenn die so irgendwo auftauchen würde, würden wir sie als geschmückte Weihnachtsgans verreißen. Man sagt: Ein Hingucker reicht! Die ganze Aufmerksamkeit fällt ja schon in das tiefe Dekolleté.“ Ob sie sich vorstellen können, dass jemand in der echten Welt so rumläuft? „Leider ja! So was sieht man doch immer wieder. Bei Sternchen oder Freundinnen von unwichtigen Schauspielern.“
Yuna
„Kelly Family“ ist das Erste, was Dagmar Gnosa zu Yuna aus „Final Fantasy“ einfällt. Melanie Jeske vergleicht sie mit Helena Bonham-Carter, denn „die trägt sehr, sehr oft ganz merkwürdige Sachen, die aussehen, als hätte sie die gerade irgendwo um die Ecke in der Mülltüte gefunden“. „Yuna und Helena sollten sich mal zusammentun und zur Beratung gehen“, schlägt sie vor. „Unbedingt“, stimmt ihr Gnosa zu, denn „es passt wirklich überhaupt kein Teil zum anderen. Sie trägt aus jeder Kultur etwas. Ein bisschen Pussta, ein bisschen Geisha, ein bisschen indianisch. So nach dem Motto: Ich unterwerfe mich keinem Diktat. Also nichts gegen mix and match, das kann ja auch ganz spannend sein. Aber hier stimmen weder die Proportionen noch sonst irgendwas.“ „ Ja, vor allem mit diesen derben bäuerlichen Schuhen dazu“, entsetzt sich Jeske, „und der Rock an sich ist auch nicht gut. Entweder trägt man so was ganz lang oder knielang, aber nicht so mittendrin auf Wadenhöhe.“ Yuna kommt also gar nicht gut weg bei den Expertinnen, aber Jeske ist noch nicht fertig: „Diese langweilige ausgefranste, ausgefummelte Frisur – ganz schlimm. Sieht aus, als hätte sie die zu oft gefärbt. Und dann hat sie da noch so eine Indianer-Extension drin.“ Auch Gnosas Urteil ist vernichtend: „Yuna würde auf einer Worst-Dressed-Liste auf jeden Fall unter die Top Ten kommen.“
Mario
„Bei dem ist doch Hopfen und Malz verloren“, lacht Melanie Jeske, freut sich aber, dass nun endlich „Super Mario“ an der Reihe ist. „Er sieht aus wie der Hausmeister irgendeiner Schule. Und als hätte er einen Schäferhund und einen Schrebergarten“, sinniert Dagmar Gnosa. Besonders störend findet sie aber die Haare unter Marios Nase: „Es gibt schon coole Leute, die Bart tragen, aber das sind eben die wenigsten. Und Schnauzer geht sowieso generell gar nicht. Der muss als erstes abrasiert werden.“ „Und mit so einem Bauch ist so eine enge Hose natürlich auch ganz unvorteilhaft“, mäkelt Jeske. „Ein richtiger Blaumann wäre besser. So ein richtiger Overall“, schlägt Gnosa vor, „mit langen Ärmeln und vielen Taschen.“ „Und etwas weiter geschnitten, bitte“, beharrt Jeske, „wenn man schon so eine dicke Plauze hat.“ „Die Handschuhe müssen auch weg“, bestimmt Gnosa, und „er bräuchte auch mal eine neue Mütze. Etwas Moderneres.“ „Vielleicht ein Baseballcap“, überlegt Jeske. „Da kann man dann sogar noch sein Logo unterbringen. Vielleicht sogar verkehrtherum aufgesetzt.“ Und so lassen die beiden nichts, wie es war am armen Mario. Unsere Idee, Marios Schnauzbart dranzulassen und ihn Tom-Selleck-mäßig mit Goldkettchen und weit geöffnetem Hawaii-Hemd losziehen zu lassen, wird von der Moderedaktion in schallendem Gelächter erstickt. „Aus seiner Service-Personal-Funktion wird er wahrscheinlich nie rauskommen. Egal, was er anzieht“, befürchtet Gnosa. „Eben“, ergänzt Jeske, „im Anzug würde er ja auch nicht gut aussehen.“ Abschließendes Urteil: „Mario soll sein funktionales Outfit behalten.“
Thirteen
„Der ist aber langweilig“, lautet das einstimmige Urteil über Thirteen aus „XIII“. Wir verteidigen sein Outfit mit der Information, dass er am Anfang des Spiels aus einer Bewusstlosigkeit erwacht und sich an gar nichts erinnern kann. „Nach gar nichts sieht er auch aus“, kommentiert Melanie Jeske. Es sei nicht schlimm, was er trägt, aber auch nicht gut: „Mit dem müsste man mal einkaufen gehen, denn der könnte wirklich was aus sich machen.“ „Zu normal“, findet auch Dagmar Gnosa, aber „eigentlich gar nicht mal so schlecht“. Zumindest habe er gute Anlagen. „Vielleicht hat er seinen Koffer nicht wiedergefunden auf dem Rollband am Flughafen und musste sich Klamotten leihen“, mutmaßt sie weiter, „denn die Jacke ist ihm mindestens eine Nummer zu klein, und dieser taillierte Schnitt ist für einen Mann einfach blöde. Außerdem sind die Farben extrem retro.“ „In dem Outfit könnte der auch an der Kasse beim Minimal arbeiten“, urteilt Jeske und schlägt vor: „Der sollte sich mal einkleiden bei Hermes. Das würde passen, ist klassisch-zurückhaltend, nicht so geckenhaft und trotzdem edel“. Am Ende sehen die beiden ein: „Das ist ein Typ, bei dem muss man zweimal hingucken.“
Lara Croft
Die neue Lara Croft aus „Tomb Raider“ erkennen die beiden Modeexpertinnen natürlich auf Anhieb. Trotz der nicht unerheblichen Brustverkleinerung. „Hat aber immer noch ganz schön viel Holz vor der Hütte“, findet Melanie Jeske, „trotzdem ein Riesenfortschritt in Richtung Realität.“ Aber auch der einzige, denn dass man so knapp bekleidet wie Frau Croft nicht auf Expeditionen geht, weiß ja wohl jeder. „Die Handschuhe machen irgendwie keinen Sinn“, gibt Jeske denn auch zu bedenken. „Wenn sie sich wirklich vernünftig ausrüsten wollte, müsste sie ja mindestens auch eine lange Hose anziehen. Die sehen eher aus wie Workout-Handschuhe“, kritisiert sie die mangelnde Zweckmäßigkeit des Outfits, „aber sexy ist es schon.“ „Bis auf die Stiefel und die Ausrüstung sieht das Ganze wirklich aus wie ein Workout-Outfit“, findet auch Dagmar Gnosa. „Im Fitnessstudio würde sie eine gute Figur machen. Gerade weil da noch so etwas rausblitzt unter dem Top.“ „Genau“, stimmt Jeske ihr zu, „sieht aus wie ein Sport-BH“, und ergänzt: „Wer sexy ins Fitnessstudio gehen will – und das will man ja –, zieht auf jeden Fall so eine Hose an. Aber leider haben die wenigsten Frauen, die so was tragen, so eine Figur. Niemand hat so eine schmale Taille und dazu so ein gebärfreudiges Becken und so superlange Beine.“ Ja, man könnte schon neidisch werden als Frau, geben beide zu. „Als Aerobic-Lehrerin würde Lara sich definitiv besser machen als auf einer Expedition“, fasst Jeske zusammen. „Das wäre doch überhaupt mal die Idee“, ist sie selbst gleich ganz begeistert: „Ein Lara Croft-Fitnessvideo würde man sich doch viel lieber kaufen als eins von Cindy Crawford. Wirklich!“
Dante
„Die Boots und die Lederhose mit einem weißen T-Shirt zusammen würden vielleicht gerade noch gehen“, konstatiert Melanie Jeske, „aber dieser rote Ledermantel dazu – mein Gott!“ Dante aus „Devil May Cry“ hat keine Chance bei den Moderedakteurinnen, obwohl er doch ein echter Styler ist, sogar schon mal ein eigenes Diesel-Outfit auf den Leib geschneidert bekam. Als Dämonenjäger geht er bei den beiden jedenfalls gar nicht durch. „Ein echter Milchbubi ist das“, urteilt Melanie Jeske, und Dagmar Gnosa bringt es auf den Punkt: „Kindergeburtstag meets Rockerparty.“ „Leder auf nackter Haut finde ich irgendwie nicht so gut“, bemerkt Jeske mit Blick auf Dantes lederberiemte Brust. „Doch, doch, Leder auf nackter Haut hat immer seine Fans. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen“, weiß Gnosa, kann sich Dante in echt aber auch höchstens „beim Ledertreffen im Swinger-Club“ vorstellen. Die Frisur erinnert beide aber eher an „Caffelatte-Stricher aus dem Hamburger Schanzenviertel oder die typischen Berlin-Mitte-Boys“. Einstimmiges Urteil: „Mit Dante wollen wir nicht spielen. Und so aussehen schon gar nicht.“
Ulala
„Ein bisschen wie Rollergirl aus ,Boogie Nights‘ sieht die aus“, meint Dagmar Gnosa über Ulala aus „Space Channel 5“, „mit diesem Pferdeschwanz, dem kurzen Rock und den hohen Stiefeln. Das ist schon sehr Siebziger-mäßig.“ „Und natürlich ein bisschen wie die aus der Telekom-Werbung: Enie van de Meiklokjes. Aber nur wegen der pinkfarbenen Haare“, ergänzt Melanie Jeske. „Auf jeden Fall sieht sie sehr süß aus mit ihren großen Augen, dem schönen runden Gesicht und den tollen Zöpfen. Mit der würde man schon gern mal ausgehen wollen.“ Das wäre sicher ein Spaß, denn tanzen kann sie ja, die Ulala. Ein bisschen umstylen soll sie sich vor dem Tanzabend mit Jeske aber schon: „Die Stiefel müsste sie natürlich eintauschen gegen irgendwas ohne Plateausohlen, und die Handschuhe müssten auch weg. Die sind oben so weit. Das sieht total behämmert aus. Wie Garten- oder Küchenhandschuhe. Also wenn schon Handschuhe, müssen sie schon eng sein. Und zum Tanzen und als Radiomoderatorin braucht man eigentlich überhaupt keine Handschuhe.“ Im wahren Leben jemanden zu finden, der sich wie Ulala stylt, ist laut Jeske kein Problem: „So was tragen die jungen Mädchen doch immer: kurze Röckchen, bauchfrei und mit Nummern drauf sowieso immer gern. Kniehohe Stiefel sind auch immer angesagt. Spätestens auf der Love Parade oder dem G-Move sieht man solche Leute. Allerdings sind die meistens nicht ganz so schön.“ „Stimmt“, pflichtet Gnosa ihr bei, „die dicksten Mädchen tragen oft die kürzesten Röckchen.“ Das Fazit: „Ulalas Outfit ist durchaus aktuell und könnte ohne Probleme nachgemacht werden – sollte es aber nicht.“ Interview: Moses Grohé
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von Volker Hansch / Oktober 10th, 2005 /

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