„So intensiv wie möglich“

"So intensiv wie möglich"

Clifford Bleszinski aka Cliffy B. ist derzeit einer der angesagtesten Game-Designer der Welt. Trotzdem nimmt sich der Erfinder von "Gears Of War" noch die Zeit, einige Blogs zu schreiben, seine Myspace-Seite zu pflegen und regelmäßig in amerikanischen Talkshows aufzutreten. Wir wollten von ihm wissen, wieso er ständig im Rampenlicht stehen muss

Clifford Bleszinski, 32, arbeitet seit Beginn seiner Karriere für Epic Games in North Carolina und wurde vor allem durch sein Mitwirken an den Egoshooter-Serien "Unreal" und "Unreal Tournament" berühmt. Der internationale Durchbruch gelang Bleszinski letztes Jahr mit seinem futuristischen Militär-Shooter "Gears Of War". Bleszinski, genannt Cliffy B., gilt als notorische Rampensau und veröffentlicht in diversen Blogs seine Gedanken über Games, Gott, das Leben und die Welt. Mehr als alle anderen Game-Designer legst du Wert auf die Kommunikation mit deinen Fans. Zum Beispiel durch diverse Blogs. Warum ist dir das so wichtig? Cliffy B.: Je erfolgreicher und bekannter ich werde, desto mehr liegt mir daran, den Kontakt zu den Menschen, die mir wichtig sind, nicht zu verlieren. Ob nun meine Familie, meine Freunde oder eben meine Fans. Den Finger auf dem Puls der Community zu halten ist aber nicht nur ein Zeitvertreib, sondern auch geschäftlich immens wichtig. Wer in so engem Kontakt mit seinen Bewunderern steht, erlebt bestimmt manchmal komische Dinge. Was ist das seltsamste Erlebnis, das du je mit einem Fan hattest? Direkt nach meinem Vortrag bei der Game Developers' Conference neulich in San Francisco kamen zwei wahnsinnig süße junge Programmiererinnen auf mich zu und fragten mich nach einem Autogramm und einem gemeinsamen Foto. Ich fühlte mich wie in einem seltsamen Paralleluniversum: Junge Coderinnen umringen mich nach einem Vortrag über Videospiele wie Groupies einen Rockstar nach dem Konzert! Warum machen sich andere Spieleentwickler in der Öffentlichkeit so rar? Denkst du nicht auch, dass das Image von Videospielen davon profitieren könnte, wenn sich mehr Entwickler ins Rampenlicht wagten? Ich weiß auch nicht, wieso sich alle immer verstecken. Vielleicht liegt es daran, dass ihre Firma es ihnen untersagt. Vielleicht sind sie auch zu schüchtern. Oder halten es schlicht und einfach für Zeitverschwendung. Meiner Meinung nach besitzt die gesamte Industrie ein Problem hinsichtlich des Selbstvertrauens und damit, in der Öffentlichkeit mit viel mehr Rückgrat für die Dinge einzutreten, die sie erschaffen hat, anstatt sich bei Kontroversen immer nur zu ducken. Ob eine größere Präsenz von Game-Designern per se für die kulturelle Wertschätzung von Games wichtig ist, weiß ich nicht. Ich denke, es ist hauptsächlich das zunehmende Alter von Games und ihrer Kultur, das für eine Akzeptanz sorgen und aus Spielen ein Massenphänomen machen wird. Für mich ist es einfach so etwas wie ein persönliches Hobby, in der Öffentlichkeit zu stehen und mich zu allen möglichen Themen zu äußern. Und nicht nur alle paar Jahre aus meinem Loch zu kriechen und Interviews zu meinem neuesten Videospiel zu geben. Aber bedeutet es nicht oft unnötig Ärger, wenn man zu allem seine Meinung äußert? Ich bedauere wenige Dinge, die ich in meinem Leben getan habe. Als Person in der Öffentlichkeit besitzt man jedoch eine große Verantwortung, darauf zu achten, was den eigenen Mund verlässt. Vor einigen Monaten schrieb ich beispielsweise einen Brief an Michael Bay, den Regisseur des neuen "Transformers"-Films. Und das war nicht gerade ein Liebesbrief. Neulich lief ich dem Typen dann ganz unvermittelt über den Weg. Und er hat mich sofort erkannt. Zum Glück hatte Bay den Brief nicht gelesen, also bin ich noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Du liebst es ja nicht nur, selbst in der Öffentlichkeit zu stehen, sondern interessierst dich nach eigener Aussage auch für "Prominenten-Quatsch"... Ja! Ich liebe es, trashige Promi-Magazine zu lesen, genau wie jeder andere. Ich finde es faszinierend, dass die meisten Menschen ihr eigenes Leben als derart langweilig empfinden, dass sie sich lieber von Geschichten aus dem Leben anderer unterhalten lassen, anstatt etwas mit ihrem eigenen anzufangen. Ich muss mir das von Zeit zu Zeit vor Augen führen, um sicher zu gehen, dass ich mein Leben so intensiv wie möglich gestalte. Bei Filmen bürgt der Regisseur für eine gewisse Qualität oder steht für eine persönliche filmische Handschrift. Bei Spielen kommt dies jedoch selten vor. Meinst du, das wird sich in der Zukunft ändern? Ich finde, das ist bereits der Fall. Wer sich etwa ein Spiel von Will Wright kauft, weiß, dass es sich vermutlich um eine spielerisch offene Simulation handelt, ein so genanntes Sandkastenspiel. Ein Game von Tim Schae-fer ("Psychonauts", "Day Of The Tentacle") erkennt man an seinem ebenso schrulligen wie geistreichen Humor. Und ein Spiel von Cliff Bleszinski trieft vor Blut und überdrehter Action. Könntest du dir vorstellen, auch mal ein Spiel zu machen, das weniger brutal ist und stattdessen eher einen psychologischen Ansatz verfolgt? Auf jeden Fall, denn in meinem Kopf schwirren viele Universen herum. Ich habe vor Jahren ein Spiel namens "Jazz Jackrabbit" gemacht. Da war ein süßer Hase die Hauptfigur. Ich mag also auch andere Dinge als düstere Shooter. Du hast mal gesagt, dass "Viva Pi˜nata" dir mehr Angst macht als manches Ballerspiel. Warum ist das Zerschlagen von süßen Tieren, die mit Naschereien gefüllt sind, fürchterlicher als jemanden in "Gears Of War" mit einer Motorsäge in zwei Hälften zu teilen? Ich finde es zutiefst verstörend, diese süßen Kreaturen mit einer Schaufel zu töten, und im Hintergrund jubelt eine Horde von Kindern voller Zustimmung. Das erinnert mich ziemlich an "Herr der Fliegen", den Roman von William Golding. Und flößt mir somit mehr Angst ein als alles, was auf dem Planeten Sera aus "Gears Of War" passiert. Erlaube mir abschließend noch eine abseitige Frage: Man erzählt sich die Geschichte, dass du früher mal an der Spitze der "Super Mario Bros."-Highscore-Liste in der offiziellen amerikanischen Nintendo-Zeitschrift warst. Stimmt das? Yep, das ist eine wahre Story: Als ich noch jung war, liebte ich Mario über alles und verschlang jede Ausgabe des Magazins. Eines Tages machte ich ein Foto von dem Fernsehbildschirm mit meinem "Super Mario Bros."-Highscore und sendete das Polaroid ein. Und es wurde tatsächlich abgedruckt. Oh Mann, diese Geschichte wird mich mein Leben lang verfolgen. www.cliffyb.com www.Cliffyb.1up.com www.cliffyb.textamerica.com Interview: Michail Hengstenberg
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von Volker Hansch / Juni 10th, 2007 /

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