Grüß‘ mir die Sonne

Im „Final-Fantasy“ Outfit greift NCsoft offen den Genrekönig „World Of Warcraft“ an. Von oben. Wir haben uns die Flügel umgeschnallt und einen Rundflug über die ersten 20 Level von Aion gemacht. Die Legende geht so: Als Daedalus und sein Junior eine Runde mit selbstgebastelten Schwingen über Griechenland drehen, geschieht das Unglück: Übermütig kommt der Sohn im Höhenrausch der Sonne zu nah. Der Klebstoff aus Wachs schmilzt. Der Luftikus stürzt ab und steht seither mit seinem Namen, Ikarus, als Warnung für alle High-Flyer. Auch die Macher von NCsofts „Aion: The Tower of Eternity" haben die Moral dieser Legende beherzigt, kommt das asiatische Online Rollenspiel doch eher bodenständig daher. Zwei spielbare Rassen, die düsteren Asmodier und die himmlischen Elyos kämpfen in der Geteilten Welt Atreia gegeneinander und gegen die bitterbösen Balaur. Bis der Spieler dafür bereit ist, meldet der übliche Zoo an Standardgezücht Gefechtsbereitschaft und versorgt einen mit für den Aufstieg notwendigen Erfahrungspunkten und Schätzen. Die Kämpfe laufen genreüblich durch das Anklicken von Aktionssymbolen ab. Interessanteste Neuerungen sind hier die Fähigkeitsketten, die uns einen verlangsamenden Eisangriff kurzerhand mit schmerzhaften Frostwellen verstärken lassen. Diese zusätzlichen Stufen haben jedoch eine längere Aufladezeit und stehen daher nicht non-stop zur Verfügung. Mit mehr Frost und Flammen als in einem gut gemixten „B-52“ questen wir zu Lande, zu Wasser und ab Level zehn auch in der Luft. Dann nämlich hat unsere Asmodier Magierin genug Kroppzeug erledigt um vom in Kristall gebannten Auftraggeber Munin eine erstaunliche Enthüllung zu erfahren. In Wirklichkeit sind wir (und natürlich jeder andere Spieler) nämlich ein vom Schicksal auserwähltes Wesen, Daeva genannt. Nun können wir, Macht unserer soeben gewachsenen Schwingen, je nach Gegend gleiten oder gar ganz nach Belieben umher fliegen. Mit diesem Feature konnte NCsoft schon im Superhelden Universum von „City of Heroes“ die Fans überzeugen. Des weiteren wählen wir nun die Spezialisierung unserer Magierin und entscheiden uns gegen den angriffsmächtigen Zauberer und für den Beschwörer. Fortan läuft uns unser erstes Feuerelementar brav hinterher und hilft beim grillen.

Fazit Level 20:

Leider orientiert sich auch der Alltag einer Daeva meist am Bekannten. Das englische Verb „to grind“ bedeutet abschleifen, mahlen oder zerreiben. Wir ahnen es: „grinden“ in Onlinerollenspielen ist Plackerei. Wie immer muss der Levelanstieg auch in „Aion“ mit recht drögen Aufträgen erarbeitet werden: Eine Anzahl Monster muss gemeuchelt, eine gewisse Menge Schätze gesammelt oder diverse Gegenstände angeklickt werden. Dazwischen läuft man die selben Wege immer wieder auf und ab. Immer wieder. Der gemeine Onlinerollenspieler ist das ja gewohnt. Bisher grundsolide und durchaus unterhaltsam lassen echte Neuerungen noch auf sich warten. Kombos und Flügel, das ist bisher zu wenig Punk, fünf Jahre nach „World Of Warcraft“ und 2.500 Jahre nach Ikarus. Inhaltlich erscheint „Aion“ noch wie eine Variante aller bekannter Fantasy Titel und erinnert optisch an ein aufgehübschtes „Guild Wars“. Die ungemein sehenswerten und detailreichen Avatare streben ihrem Schicksal in einer leider recht kargen Landschaft entgegen. Obwohl die Cry Engine deutlich feingranularer als der mittlerweile betagte „WoW“-Motor arbeiten könnte, fühlt sich die Welt von Aion doch liebloser und inhaltsärmer an, als die des Marktführers. Wichtiger als die ersten Level sind aber bekanntermaßen Raids und Inhalte im Endspiel. Hier lässt „Aion“ noch viel hoffen. Aber unsere zwanziger Beschwörerin hat ja noch sehr viel Luft. Nach oben.
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von Chris Rotllan / Oktober 5th, 2009 /

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