Inspector Gadget

Inspector Gadget

Die NSA ist die größte Geheimorganisation der Welt, ihr wohl berühmtester Vertreter Sam Fisher, Hauptakteur in "Tom Clancy's Splinter Cell: Pandora Tomorrow". Aber wie nahe ist der virtuelle Agent an seinen realen Vorbildern? Und wie sieht's mit seinen Gadgets aus? Wir haben unter Einsatz unseres Lebens Informationen über die NSA zusammengetragen und Sam Fishers Hilfsmittel mit einem Experten dem Reality-Check unterzogen

Ein Blick auf die Uhr. Es ist der 2. April 2006, kurz vor zehn Uhr nachts. NSA-Agent Sam Fisher steht auf dem Dach des Zuges Paris–Nizza. Sein Auftrag: die Welt zu retten. Die wird von einem indonesischen Guerillaführer und seinem Biowaffenprojekt „Pandora Tomorrow“ bedroht. Sam Fisher öffnet die Dachluke und entert den Gepäckwaggon. Das Spiel beginnt … Szenenwechsel. Es ist der 13. Februar 2003, elf Uhr morgens. Im Hamburger Stadtteil Barmbek in der Wagnerstraße vor einigen Büroflachbauten. Ein Tanzstudio, eine Filmschnittfirma und eine Company mit dem nichts sagenden Namen P3. Hinter der Abkürzung versteckt sich „Professionelle Personenschutz Produkte“, und selbst das ist noch eine recht weitläufige Beschreibung für die Produktpalette der Hamburger Firma: Minikameras, Bewegungsmelder, Abhörwanzen und ein ganzes Sortiment an Dietrichen und anderen Türöffnern finden sich auf der firmeneigenen Website. Und das ist noch die harmlose Ware. Über die wirklich interessanten Produkte wird nur hinter geschlossenen Türen gesprochen. Diskretion ist in der Branche oberstes Gebot, der Graubereich zwischen legaler und verbotener Technik nur schwer einzugrenzen. Wahrscheinlich hat P3 aus diesem Grund auf ein Schaufenster verzichtet. Fredy Steinhauer ist Vertriebsleiter von P3 und ein echter Experte in Sachen Agententechnik. Seit einem Jahr führt er den Hamburger Hauptsitz der international operierenden Firma. Ein kompetenter Ansprechpartner, um über einen anderen Experten in Sachen Geheimdienst-Gadgets zu sprechen: Sam Fisher, Hauptdarsteller in Ubisofts erfolgreichem Agentenepos „Splinter Cell“. Denn das war nicht nur so erfolgreich, weil die Grafik so toll und die Missionen so ausgefuchst waren. Es waren Sam Fishers Gadgets, die „Splinter Cell“ über andere, vergleichbare Titel erhoben. Solid Snake hatte kein Glasfaserkabel, mit dem er durch einen Türspalt hindurchgucken konnte, Ethan Hunt kein Gewehr, mit dem er Miniaturkameras verschießen konnte. Und bei allen Gadgets hatte man stets das Gefühl, dass sie auch in der Realtät von Agenten benützt würden –  und nicht, dass sie dem Gehirn eines allzu fantasievollen Spieleentwicklers entsprungen seien. Außerdem war der technische Schnickschnack auch perfekt ins Spiel integriert: So war die Wärmebildkamera nicht nur einfach dazu da, sich die Gegner mal in LSD-Optik anzugucken. Man konnte mit ihr Zahlenschlösser knacken, auf der die unterschiedlich farbigen Fingerabdrücke eines Wachmannes einen Hinweis darauf gaben, in welcher Reihenfolge er die Tasten zuvor gedrückt hatte. Doch wie realistisch sind solche Gadgets wirklich? Existieren Dinge wie die Kabelkamera auch außerhalb von Sam Fishers Welt? „Diese so genannten Endoskopkameras wurden für den Einsatz im medizinischen Bereich entwickelt. Jeder, der schon mal eine Magen- oder Darmspiegelung hat über sich ergehen lassen müssen, hat Bekanntschaft mit diesem Kameratyp gemacht. Im Sicherheitsbereich werden sie vor allem von Polizeisondereinheiten benutzt, um unbemerkt einen Raum zu überwachen. Die Preise für die Basissysteme starten bei 5000 Euro, die Variante mit Farbbild kostet um einiges mehr.“ Okay. Und was ist mit der Wärmebildansicht oder dem Restlichtverstärker, der im Spiel der Kabelkamera zugeschaltet werden kann? „Prinzipiell ist so was technisch kein Problem. Trotzdem kommt eine Kombination in der Praxis selten vor. Wir führen aber zum Beispiel einen Feuerwehrhelm mit integrierter Wärmebildkamera. Damit können Menschen oder Brandherde auch durch verschlossene Türen ausgemacht werden. Diese Helme sind zusätzlich mit Funktechnik ausgestattet, sodass die Feuerwehrleute von Menschen dirigiert werden können, die genaue Ortskenntnisse besitzen.“ Wenn also schon zivile Einrichtungen mit Wärmebildkameras arbeiten, lässt sich denken, wie weit die Entwicklung in den Labors der Militärs und Geheimdienste fortgeschritten ist. Doch wie sieht es mit den Richtmikrofonen aus, die Fisher immer wieder zum Einsatz bringt, um brisante Gespräche mitzuschneiden? Zum Beispiel in „Pandora Tomorrow“, wo er ein Gespräch zwischen Ex-CIA-Agent Norman Soth und dessen Auftraggeber von einer dunklen Küche im fahrenden Zug aus belauschen muss? „Na ja, ein richtiger Agent würde wohl eher versuchen, möglichst nahe an seine Zielperson heranzukommen, um das Gespräch direkt aufzuzeichnen“, sagt Steinhauer. Diese Möglichkeit hat Sam Fisher natürlich nicht. Sein Kampfanzug ist nicht gerade das, was man unauffällig nennt. Also muss er in dunklen Küchen rumsitzen und ein Richtmikrofon benutzen. „Richtmikrofone“, doziert Steinhauer, „haben eine Reichweite von vier bis fünf Metern, sind aber extrem anfällig für Nebengeräusche. Wenn sich im gleichen Raum noch andere Menschen unterhalten oder aber Musik läuft, wird es schwer, etwas zu verstehen. Dann sind Geräte gefragt, die mit einem Verstärker arbeiten. Und die sind natürlich nicht gerade handlich. Das gleiche gilt für die so genannten Schallmikrofone. Mit denen kann man auch Gespräche aufzeichnen, die hinter verschlossenen Fenstern stattfinden. Das Mikrofon registriert die von den Stimmen erzeugten Schwingungen der Fensterscheibe. Aber das ist absolutes High-End-Equipment und lässt sich nicht mal eben so in der Hosentasche mitführen.“ Spätestens hier wird deutlich, dass „Splinter Cell: Pandora Tomorrow“ ein Spiel ist, dem in Sachen Realismus Grenzen gesetzt sind. Aber ist das schlimm? Nein. Wer will schon als virtueller Geheimagent erst mal ein aktenschrankgroßes Abhörgerät zusammenbasteln, bevor der Lauschangriff losgehen kann? Doch selbst wenn es das Mini-Equipment noch nicht geben sollte, zählt doch die Tatsache, dass man als Spieler immer das Gefühl hat, dass all diese Dinge möglich sind. Und dieser Effekt wurde von den Entwicklern bei Ubisoft mit viel Feingefühl erzielt. So verzichteten sie bereits im ersten Teil darauf, ihrem Helden Sam Fisher ein ganzes Waffenarsenal vom Revolver bis zur Panzerfaust auf den Rücken zu schnallen – nicht unriskant, wo doch die zu ergatternden Waffen gerade bei Spielen dieses Genres eine der ersten Prüfdisziplinen sind. Stattdessen wurde Fisher mit allerlei intelligenten Hilfsmitteln und einem Auftraggeber ausgestattet, der zwar real existiert, aber trotzdem viel Platz für Fantasie zulässt. Im Spiel verschickt die NSA und ihre erfundene Unterabteilung „Third Echelon“ kleine Agentengruppen an die Krisenherde dieser Welt, um verdeckt und im Sinne der USA etwaige Probleme zu lösen. Natürlich weiß man, dass es solche Spezialeinheiten bei der US-Armee gibt. Und auch die NSA existiert. Aber was ist ihre Aufgabe – und gibt es Agenten wie Fisher wirklich? Gegründet wurde der Geheimdienst als eine von insgesamt 13 Sicherheitsbehörden der USA am 4. November 1952. Die Entschlüsselung ausländischer Geheimnachrichten gehört zur Hauptaufgabe der NSA, deren Angestellte sich weitgehend aus Mathematikern, Informatikern und Linguisten zusammensetzen. Die Zentrale der halb zivilen, halb militärische Behörde liegt in Fort Meade im US-Bundesstaat Maryland und beschäftigt rund 38000 Mitarbeiter. Abseits davon ist nur wenig über „Crypto City“ bekannt. Selbst die schriftlichen Ankündigungen der dortigen Sonntagsmesse sind mit einem Vermerk zur sofortigen Vernichtung des Dokuments versehen. In Fort Meade existiert deswegen sogar eine eigene Recyclinganlage für Papierdokumente, deren Ausstoß groß genug ist, die NSA-eigene Pizzaschachtelfabrik mit Altpapier zu versorgen. Andere offizielle Zahlen zur „No Such Agency“ lassen ebenfalls erahnen, welch riesiger Apparat dahinter verborgen ist. So beträgt das Budget für den jährlichen Stromverbrauch der Behörde rund 21 Millionen Dollar. Und würde die NSA als Wirtschaftsunternehmen in der jährlichen „Fortune 500“-Liste des größten Wirtschaftsmagazins der USA aufgenommen, befände sie sich unter den ersten zehn Prozent der finanzstärksten Unternehmen der Welt. Die Behörde betreibt 120 Abhörstationen über den gesamten Globus verteilt, beschäftigt Linguistiker für 95 verschiedene Sprachen und hört nach Expertenschätzungen täglich rund drei Milliarden Telefongespräche und 90 Prozent des Internetdatenverkehrs automatisiert ab. Diese werden vom „Echelon“-System nach markanten Stichwörtern und den Namen gesuchter Personen gescannt. Mit der Field Station F-81 in Mietraching bei Bad Aibling/Rosenheim gehört auch ein deutscher Standort zum Spionagenetzwerk. Dieser Stützpunkt wird jedoch am 30. September dieses Jahres aufgelöst und nach Menwith Hill (England) und Griesheim/Darmstadt verlegt. Zum Teil hat der Umzug technische Gründe, allerdings dürfte auch der „Echelon-Bericht“ damit zusammenhängen. Darin beschuldigte eine europäische Untersuchungskommission die USA, mit dem Echelon-System Spionage zum eigenen wirtschaftlichen Nutzen zu treiben. Und auch wenn ein Charakter wie Sam Fisher nur schwer in das eher zivil-wissenschaftliche Profil der NSA des realen Lebens zu passen scheint: Parallelen gibt es genug. So passt die Art, wie unser Agent seine Missions-Updates von seinem Einsatzleiter Irvin Lambert übermittelt bekommt, durchaus in das Bild moderner Echtzeitkommunikation via Satellit. Und auch der Grundgedanke der NSA, die Überwachung, findet sich überall in „Splinter Cell: Pandora Tomorrow“ wieder. Was wäre Sam Fisher ohne seine „Sticky Cams“, die er mit seinem „SC-20L“-Gewehr verschießen kann, um seine Gegner aus einem sicheren Versteck heraus beobachten zu können? Und was wäre das Spiel ohne die ständige Furcht, selbst Opfer der feindlichen Kameras zu werden? So wundert es auch kaum, dass Fredy Steinhauer dem virtuellen Agenten Sam Fisher seinen Segen gibt. „Die Art und Weise, wie im Spiel mit den Kameras umgegangen wird, ist sehr realistisch“, resümiert er. „Wir bieten alleine 400 verschiedene Kameratypen an. Schwarzweiß, in Farbe, mit allen verschiedenen Arten von Objektiven.“ Und? Kann dann auch ein Gadget wie die Sticky-Cam wirklich funktionieren? „Denkbar ist es schon. Je aufwendiger die Technik, desto anfälliger das Kamerasystem. Trotzdem ist es durchaus denkbar, dass eine solche Minikamera verschossen werden könnte, wenn sie von einer Kautschukmasse umgeben wäre. Diese Technik wird bereits bei der Personenverfolgung eingesetzt, wo Peilsender auf diese Art und Weise an Fahrzeugen angebracht werden. Und die Kamera, die das Betäubungsgas versprüht, funktioniert im Grunde genommen genau wie eine Alarmanlage, die bei Aktivierung durch einen Eindringling Reizgas versprüht.“ Und was ist nun mit seinen Aktivitäten als Mitglied der NSA? Offiziell verbietet die Order 12333 vom Dezember 1981 zwar „unethische Aktionen oder Mordaufträge auszuführen oder dazu anzustiften“. Trotzdem starben seit Bestehen des Nachrichtendienstes 150 Mitarbeiter „in Ausführung ihres Dienstes“. Was sollen wir uns darunter vorstellen? Einen Herzinfarkt bei der Übersetzung einer besonders spannenden Geheimbotschaft? Einen Stromschlag bei der Dateneingabe in den Computer? Oder vielleicht doch eine tödliche Schusswunde bei einem Auftrag, der auf dem Dach eines Zuges zwischen Paris und Nizza beginnt? Text: Gregor Wildermann, Michail Hengstenberg
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von Volker Hansch / April 10th, 2004 / 1 Kommentar

1 Kommentar

  1. SamFischEr sagt:

    Nette Artikel über Splinter Cell. :)