Highscore im Himmel

Highscore im Himmel

Was machen Videospieler, wenn sie im Flugzeug sitzen? Sie lesen, schauen Filme oder langweilen sich bei „Pong“ oder „Asteroids“. Viele Airlines wollen das nun ändern. Und eine davon lässt ihre Passagiere sogar aufeinander ballern – virtuell, versteht sich „Blut geht gar nicht“ Patrick Joly ist stellvertretender Chef der kanadischen Firma DTI Software, die Spiele für Flugzeuge herstellt. Mit GEE redet er über deren Zukunft

Patrick Joly, ihr Unternehmen DTI entwickelt Computerspiele, die in Flugzeugen gespielt werden. Warum sind das meist Casual Games?

Wir machen zwar auch 3D-Spiele, First-Person-Shooter sowie Renn- und Fußballspiele, aber die wollen die Airlines selten haben. Das hat wohl demografische Gründe: Die meisten Fluggäste wollen Zerstreuung, spielen aber eher selten. Deswegen müssen unsere Spiele leicht zu lernen und zu spielen sein. Außerdem gibt es von den Fluggesellschaften einfach zu viele Beschränkungen.

Die da wären?

Zum einen inhaltliche: Blut zum Beispiel geht gar nicht. Außerdem dürfen in den Spielen natürlich keine Flugzeugabstürze vorkommen. Deswegen haben wir eine Art „Space Invaders“ im Angebot – denn Raumschiffe haben wenig mit dem Alltag von Flugreisen zu tun. Zudem müssen wir auf kulturelle und religiöse Empfindlichkeiten Rücksicht nehmen. Zum Beispiel bei Passgieren aus dem Nahen Osten.

Die düfen keine pixeligen Bikini-Girls zu sehen bekommen?

Definitiv keine Bikini-Mädchen. Aber auch keine Kreuze. Deswegen lokalisieren wir die Spiele auch für jede Airline.

Gibt es auch technische Beschränkungen?

Und ob. Wir setzen alle Spiele mit einer eigenen Engine um, weil die Hardware, mit denen sie abgespielt wird, nicht sehr leistungsstark ist. Denn die ist eher auf Filme optimiert. Doch die Prozessoren in neuen Flugzeugen sind schneller als früher. Dadurch können wir unsere Spiele in Zukunft auch flexibler gestalten. Und ich bin sicher: Der Ruf nach Spielen für Hardcoregamer wird immer lauter werden.

Ein Flugzeug doch sowieso vollgestopft mit Hightech. Da sollte es doch ein Leichtes sein, an jeden Platz eine Konsole einzubauen.

Es gibt ein Technologiegefälle zwischen Home- und Inflight-Entertainment. In der Luft kann man kein System betreiben, das so viel Energie frisst und so viel Hitze produziert wie eine herkömmliche Konsole. Die Hardware in Flugzeugen wird immer mindestens eine Generation hinter dem Standard im Wohnzimmer hinterherhinken.

Wie sieht es mit Multiplayer-Spielen aus, die auf den Rechnern der Fluggäste laufen würden? Schließlich gibt es mittlerweile einige Flugzeuge, in denen die Passagiere im Netz surfen können.

Noch es gibt solche Flugzeuge kaum, denn eine vernünftige Bandbreite in Flugzeugen ist nicht gerade günstig. Die Nachfrage ist aber auf jeden Fall vorhanden. Es gibt ja schon bei einigen Fluggesellschaften eine Art von Multiplayerspiel. Da kann man dann gegen andere Passagiere spielen oder gegen den Nebenmann. Ich denke, das wird sich durchsetzen. Wir zumindest zielen darauf ab, dass es zukünftig egal sein wird, ob man bei einem Computerspiel vor dem heimischen Rechner sitzt oder 25.000 Meilen über dem Meer.

VIRGIN AMERICA

Strecke: New York – San Francisco, Streckenlänge: 4139 km, Flugzeit: 5 Std., Kosten (nur Flug): ab 150 Dollar Die Fluglinie Virgin America lässt ihre Passagiere bei inneramerikanischen Flügen den Ballerspiel-Klassiker „Doom“ spielen. Ballern über den Wolken – das bietet weltweit keine andere Airline. Die Steuerung des Spiels erfolgt über Touchscreen und eine Qwerty-Tastatur. Ansonsten setzt das Unternehmen auf Linux und Open Source: Entertainment-Chef Charles Ogilvie hat kürzlich einen Gamedesign-Wettbewerb angekündigt. Die besten Spiele sollen später Teil des „Inflight“-Angebots werden – so heißt die Unterhaltung an Bord auf Fachchinesisch.

SINGAPORE AIRLINES

Strecke: Frankfurt am Main – Denpasar (Bali), Streckenlänge: 11?921 km, Flugzeit: 17,5 Std., Kosten (nur Flug): ab 800 Euro (Economy Class) Singapore Airlines bietet mit mehr als 90 Titeln von allen Fluggesellschaften die umfangreichste Videospielkollektion. Auf Bildschirmen in der Rückenlehne des Vordermanns laufen Nintendo-Titel wie „Super Mario Bros. Deluxe“ und „Pokémon“ oder Games von Popcap wie „Bejeweled 2“ und „Zuma“. Am tollsten: Die Fluggäste können sich im Linux-Spiel „Think Tanks“ sogar gegenseitig bekämpfen. Es ist bestimmt sehr entspannend, mit einem Panzer in einer 3D-Welt auf einen Passagier zu ballern, der zwei Reihen hinter einem die ganze Zeit geschnarcht hat.

EMIRATES AIRLINES

Strecke: München – Dubai, Streckenlänge: 4570 km, Flugzeit: 6 Std., Kosten (nur Flug): 580 Euro Emirates Airlines hat im vergangenen Jahr die Avion Awards für das beste Inflight-Entertainment gewonnen – warum auch immer. Schließlich handelt es sich bei den angebotenen 40 Spielen meist um unspektakuläre Titel wie „Asteroids“, „Pong“ oder „Gobble Snake“. Der Renner unter den Fluggästen ist übrigens ein Multiplayer-Wissens-quiz mit 1500 Fragen wie „Wer wurde 1996 Cricket-Weltmeister?“ (Sri Lanka) oder „Wie hieß das erste Lebewesen im Weltall?“ (Laika, der Hund).

JAPAN AIRLINES

Strecke: Frankfurt – Tokio, Streckenlänge: 9357 km, Flugzeit: 11,5 Std., Kosten (nur Flug): 800 Euro Japan Airlines – die seit Januar insolvente Fluglinie aus dem gefühlten Mutterland der Videospiele – hat keine Wii oder Playstation an Bord, sondern ein „Magic III“ genanntes Entertainment-System. Darauf laufen „Pac-Man“ oder „Tetris“, ein Klon von „Asteroids“ sowie simple Sportspielumsetzungen wie „Virtua Bowling“. Lediglich in der First sowie der Business Class werden auf Wunsch Nintendo-DS-Lite-Handhelds ausgeteilt. Dabei handelt es sich um Spezialversionen ohne Wlan-Fähigkeiten.

JIN AIR

Strecke: Seoul/Incheon – Bangkok, Streckenlänge: 3720 km, Flugzeit: 4,5 Std., Kosten (nur Flug): ab 220 Euro Was hassen fliegende Spieleliebhaber am meisten? Genau: die Controller an Bord. Denn das sind meist unhandliche Universalfernbedienungen, die zum Spielen völlig ungeeignet sind. Die koreanische Kurzstrecken-Fluglinie Jin Air hat das erkannt und wird künftig auf dem Flug von Seoul nach Bangkok mit Sony kooperieren. Für umgerechnet 2,50 Euro werden während der Reise PSP-Go-Konsolen mit vorinstallierten Minigames und Vollpreistiteln verliehen.
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von Tim Rittmann / April 23rd, 2010 /

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