Im Siebten Himmel

Im Siebten Himmel

Spiel oder Kunst? Als wir "Killer 7" das erste Mal gesehen haben, waren wir uns nicht ganz sicher. Deshalb sind wir mit Matthias Weiss, einem Spezialisten für Computerkunst, vor den Bildschirm zurückgekehrt. Hier ist seine Expertise

Um „Killer 7“ beginnen zu können, musst du töten. Nach einem kurzen Intro erscheint plötzlich ein weißer Bildschirm, an dessen Rand ein Mann mit einem Revolver im Anschlag zu sehen ist. Auf seiner Brust, direkt über dem Herzen: der rote Punkt einer Laser-Zielhilfe. Doch nichts passiert. Kein Ladebalken, kein Schriftzug, nichts. Warten. Irgendwann übernehmen deine Reflexe, in Tausenden von Spielstunden geschult. Du drückst einen Knopf, damit etwas passiert. Ein Schuss peitscht durch die Stille, der Mann sackt getroffen zusammen, das Spiel beginnt. Und das ist erst der Anfang. Matthias Weiss: „Natürlich, ,Killer 7‘ ist ein Spiel über das Killen. Aber es ist faszinierend zu sehen, auf was für eine intelligente Art damit umgegangen wird. Alleine der Titel: ,Killer 7‘ – spricht man die beiden Wörter zusammen, kommt man auf ,Killer’s Heaven‘ – ,Killers Himmel‘. Und plötzlich ergibt alles Sinn: ,Lasst das Blutbad beginnen‘, begrüßt einen das Spiel und öffnet die Pforten zum Paradies des Killers – die Gegner heißen Heaven Smiles. ,All you need is blood‘ wird immer oben im Bildschirm eingeblendet. Eine Reminiszenz an John Lennons ,All You Need Is Love‘? Das ist schon ziemlich durchgecheckt.“ „Killer 7“ spielt mit dir. Und um sicher zu gehen, dass du dich nicht wehren kannst, beraubt es dich deiner erlernten Fähigkeiten. Die Steuerung ist anders als alles, was du kennst. Du kannst dich nicht frei bewegen in der Welt von „Killer 7“, Egoshooter-Steuerung ade. Du kannst nur laufen, indem du den „A“-Knopf drückst, auf vorgezeichneten Pfaden. Stößt du auf deine Gegner, die Heaven Smiles, darfst du in eine Egoperspektive wechseln, kannst dich aber sonst nicht bewegen. Nicht ausweichen. Unaufhaltsam kommen sie auf dich zu, lachen ihr irres Lachen. Und wenn du sie nicht mit präzisen Schüssen tötest, töten sie dich. Matthias Weiss: „Ich glaube, dass ,Killer 7‘ ein Spiel über das Spielen selbst ist. Es nimmt Elemente oder Mechanismen, die man aus anderen Spielen kennt, und verfremdet sie. Dadurch macht es dir als Spieler bewusst, wie du dich beim Spielen eigentlich verhältst, was so abläuft bei dir. Und es führt dich vor, auf eine ironische Art, denn es legt seine Absichten offen. Im Grunde spielen alle Spiele mit dem Spieler, oder, anders gesagt, die Entwickler tun es. Sie haben den Spieler am Gängelband, lassen es ihn aber nicht merken. ,Killer 7‘ macht keinen Hehl daraus, dass es dich als Spieler in der Hand hat.“ Die Wesen, die du triffst, sind verstört. Sie reden in Rätseln, haben keine Augen mehr oder liegen, nur Kopf ohne Körper, in einer Waschmaschine. Dein Helfer Iwazaru baumelt von Zeit zu Zeit an einem Seil von der Decke herunter und gibt dir kryptische Ratschläge. Dein Gefühl der Hilflosigkeit verdichtet sich, denn auch sie sind dir keine Hilfe. Du kannst dich nicht auf das verlassen, was du in anderen Spiele gelernt hast. Schießt du, wie es dir Yoon Hyun empfiehlt, auf die Maske in seiner Hand, um mehr über ein dir gestelltes Rätsel zu erfahren, erfährst du nichts. Er setzt die Maske auf und zeigt dir den Finger. Du bist überführt. Matthias Weiss: „Der Abstraktionsgrad von ,Killer 7‘ ist hoch. Das Spiel lässt viele Lücken, die man als Spieler füllen muss. Die Identifikation mit dem Spiel findet nicht über einen hohen Realismusgrad statt, sondern auf einem intellektuellen Level. Du bist als Spieler ständig gefordert, musst dich und deine Gedanken immerzu einbringen. Dieses Spiel kannst du nicht einfach konsumieren, dann wirst du es nicht verstehen. Das Spiel nimmt dich ernst. Es fordert dich mit Körper und Geist. Du musst nicht nur Knöpfe drücken, sondern auch denken. Und in dieser Hinsicht steht ,Killer 7‘ ziemlich alleine da.“ Doch trotz aller Andersartigkeit – „Killer 7“ ist immer noch ein Videospiel, das sich nicht gänzlich den Gesetzen von Videospielen entzieht. Es gibt sieben Killer, die sieben Persönlichkeiten des Protagonisten Smith, alle mit unterschiedlichen Fähigkeiten ausgestattet, die man an bestimmten Stellen des Spiels braucht. Es gibt Rätsel, die gelöst werden müssen, um weiterzukommen. Man kann seine Charaktere mit den gewonnenen Blutblasen der erledigten Heaven Smiles aufwerten. Es gibt also vertraute Mechanismen, die unter der verstörenden Abstraktion von „Killer 7“ verborgen sind. Also, Hand aufs Herz: Spiel oder Kunstwerk? Matthias Weiss: „Natürlich gibt es eine klassische Videospielstruktur auch in ,Killer 7‘. Und wenn es nur darum geht, dass man das Spiel nach ein paar Stunden durchgespielt hat. Doch die Tatsache, dass man während des Spielens ständig deuten muss und auch nicht damit aufhört, wenn das Spielen schon zu Ende ist, das Spiel einen also über das eigentliche Spielen hinaus weiterbeschäftigt – für mich ist das ein Kriterium für Kunst. Ob es bildende Kunst ist? Keine Ahnung, dazu müsste es ja von seinem Schöpfer als Kunst gemeint sein. Aber ähnlich wie ein David-Lynch-Film in Hollywood ist ,Killer 7‘ zumindest ein Kunstwerk unter den Videospielen. Protokoll: MIchail Hengstenberg
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von Volker Hansch / Juni 10th, 2005 /

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