„Eine geile Zeit“

"Eine geile Zeit"

"Mortal Kombat" war mal ein Must-Have – auf dem Super Nintendo. Jetzt soll der Serie mit dem Advebture "Shaolin Monks" eine Frischzellenkur verpasst werden. Wir wollten von Ed Boon, dem Erfinder von "MK", wissen, warum

Die Ausgangslage ist nicht gut. Am Midway-Stand auf der Games Convention will niemand etwas davon wissen, dass wir einen Interviewtermin mit Ed Boon haben. Der habe auch gar keine Zeit, teilt man uns mit. Nach einigem Hin und Her werden wir doch noch eingelassen und an einem kleinen Tisch platziert. Doch wo zum Teufel soll hier der „Mortal Kombat“-Erfinder sein? Nirgendwo ist jemand mit langen Haaren, Tätowierungen und Narben im Gesicht zu sehen. Stattdessen kommt irgendein PR-Fuzzi auf uns zu. Das Jeanshemd in die Hose gesteckt, über den zusammengewachsenen Augenbrauen lichtet sich das dunkle, kurz geschnittene Haar. „Hi“, sagt der PR-Mann, „ich bin Ed Boon. Was habt ihr für Fragen?“ Früher, zu Zeiten des Super Nintendo, kam an „Mortal Kombat“ niemand vorbei. Seitdem 3D-Beat’em-ups  wie „Tekken“, „Virtua Fighter“ und „Dead Or Alive“ auf dem Markt sind, ist das anders. Warum ? Als damals die ersten 3D-Fighting-Games erschienen, war das ein harter Bruch. Deswegen haben wir ja auch mit dem vierten Teil den Schritt von 2D zu 3D gemacht. Ich sehe die Sache so: „Mortal Kombat“ existiert in beiden Welten: Mit den ersten drei Teilen bewegten wir uns in der Welt von 2D-Beat’em-up-Klassikern wie „Street Fighter“ oder „King Of Fighters“ Mit dem vierten Teil dann sind wir in die Welt von Spielen wie „Tekken“ eingetreten. Ich finde es bemerkenswert, wie sehr sich „MK“ in beiden Welten behaupten konnte. Aber in der 2D-Ära war „Mortal Kombat“ doch erfolgreicher als heute, oder? Nein, das ist nicht korrekt. Wir verkaufen immer noch mehr Spiele als „Virtua Fighter“, „Tekken“ oder „DOA“. Aber wenn „Mortal Kombat“ als Prügelspiel so erfolgreich ist, warum wird dann mit „Shaolin Monks“ die Abkehr vom reinen Vs.-Beat’em-up vollzogen? Immerhin ist „Shaolin Monks“ in erster Linie ein Adventure. Weil wir das „Mortal Kombat“-Universum bereichern wollen. Wir versuchen mit jedem neuen Teil auch neue Elemente in die Serie zu bringen, so wie zum Beispiel die vier verschiedenen Kampfstile pro Kämpfer bei „Deadly Alliance“ oder die verschiedenen Spielmodi bei „Deception“. Mit „Shaolin Monks“ machen wir den größten Schritt. Wir entfernen uns vom eigentlichen Spiel und machen stattdessen etwas völlig anderes. Nämlich ein Spiel wie „God Of War“ oder „POP“. Wir tun das, weil wir so eine Geschichte erzählen können. Eine Geschichte, die wir in einem Vs.-Beat’em-up niemals hätten erzählen können. Wird es denn danach auch noch mal ein „richtiges“ „Mortal Kombat“ geben? Absolut. Langfristig wollen wir zwei Linien von Spielen etablieren. Die reinen „Mortal Kombat“-Fighting-Games und „Mortal Kombat“-Action-Spiele. In Zukunft werden die Geschichten in den Action-Adventures erzählt, und in den Fighting Games wird sich vor allem geprügelt? So in etwa. „Mortal Kombat“ ist ein ziemlich altes Franchise. Zwölf Jahre genau – für Videospiele eine Ewigkeit. War „Shaolin Monks“ eine freiwillige Entscheidung oder eine Notwendigkeit, um das Franchise lebendig zu halten? Beides. Wenn du eine Spieleserie machst, die schon so lange existiert wie „Mortal Kombat“, musst du innovativ bleiben. Wie hoch ist der Erfolgsdruck bei „Shaolin Monks“? Ihr habt bestimmt eine starke Hardcore-Fanbase, die diese Entwicklung kritisch beäugt. Nervös bin ich schon ein bisschen. Ich wäre allerdings noch nervöser, wenn wir immer nur Beat’em-ups rausbringen würden. Denn wenn du immer das Gleiche machst, werden die Leute müde und gelangweilt. Wie schwer war es denn, euren Publisher Midway zu überzeugen, in Zeiten rückläufiger Verkäufe ein komplett neues Spielkonzept zu präsentieren? Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Midway musste mich überzeugen, das Spiel zu machen. Denn anfangs war „Shaolin Monks“ einfach ein Spiel, das mit „Mortal Kombat“ nichts zu tun hatte. Es war ein Projekt, das mir präsentiert wurde, ein Single-Player-Action-Spiel. Ich war sehr skeptisch. Doch nachdem wir uns zusammengesetzt und einige grundlegende Veränderungen, wie zum Beispiel das 2-Player-Teamplay, verabschiedet hatten, war ich begeistert. Wie kommst du eigentlich mit den „Mortal Kombat“-Filmen klar? Ich stelle mir das schwierig vor: Du machst eines der erfolgreichsten Spiele deiner Zeit, dann kommt der Film dazu und ist totaler Trash. Wobei der erste Film ja noch erfolgreich war. Der zweite … nun ja. Konntest du denn in irgendeiner Weise intervenieren? Oder wart ihr da außen vor? Ehrlich gesagt: Wir waren eher Zaungäste. Ein paar Mal wurden wir zu den Dreharbeiten nach Hollywood eingeladen und durften überprüfen, ob Film und Vorlage übereinstimmen. Ich sagte ihnen, dass Kano nicht einfach mit einer Augenklappe auflaufen dürfte, sondern die Stahlplatte im Gesicht haben müsste. Aber mit dem Drehbuch hatten wir so gut wie nichts zu tun. Wie kann man sich eigentlich die ersten Tage der „Mortal Kombat“-Erfolgsgeschichte vorstellen? Die ganze Sache ging los mit dem Arcade-Automaten. Wir haben das Ding in acht Monaten zusammengebaut, 1992. Ich war der einzige Programmierer. Niemand von uns erwartete Großes von dem Spiel. Auch wegen der Technik, mit der wir hantierten: „Geht das überhaupt? So viel Action auf dem Bildschirm? Ist das zuverlässig, die digitalisierten Grafiken?“, fragten wir uns ständig. Irgendwann haben wir dann den Testautomaten in einer Spielhalle aufgestellt. Das war unglaublich. Binnen weniger Minuten drängte sich eine Traube von mehr als 50 Menschen um das Gerät. Als Midway ahnte, wie viel Geld sie damit machen würden, gaben sie uns noch ein bisschen mehr Zeit. Ursprünglich hätte der Automat nämlich schon nach fünf Monaten fertig sein sollen. Wie alt warst du damals? 20, glaube ich. Es war das zweite Videospiel, das ich gemacht habe. Und? Gab’s dann einen dicken Scheck? Es ging mir nicht schlecht. (lacht) Vor allem, als Acclaim sechs Millionen SNES- Cartridges von „MK“ verkaufte. Sechs Millionen! Das war eine geile Zeit. Ed Boon, 37, ist der geistige Vater der „Mortal Kombat“-Serie. Er programmierte 1992 den ersten „Mortal Kombat“-Spielautomaten und war seitdem an jedem Spiel der Beat’em-up-Serie beteiligt. Interview: Michail Hengstenberg
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von Volker Hansch / Oktober 10th, 2005 /

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