Passt schon

Passt schon

Puzzlespiele erleben gerade ihren zweiten Frühling: Auf mobilen Plattformen oder im Internet kriegen die Leute gar nicht genug vom Klötzchenschieben. Wir forschen nach den Gründen und stellen einige aktuelle Kracher vor. Außerdem sprach GEE mit zwei Meistern des Fachs

Mit viel Tamtam erschien Sonys Playstation Portable im September endlich auch in Deutschland. Ihr fantastischer Bildschirm schreit einem förmlich das Versprechen nach einem neuen Zeitalter mobilen Gamings entgegen: Endlich sehen die Spiele unterwegs fast genauso toll aus wie auf dem heimischen Fernseher. Nachdem der erste Rausch rund um den Launch vergangen ist, spricht jedoch noch kaum mehr jemand über diese ganzen hochproduzierten, vermeintlichen Renn-, Sport- oder Action-Highlights. Stattdessen lautet die am häufigsten gehörte Frage unter PSP-Besitzern: „Hast du ,Lumines‘ schon gespielt?“ Für alle, die es nicht wissen: „Lumines“ ist ein Puzzlespiel. Ohne Zweifel ästhetisch wie technisch voll auf der Höhe der Zeit. Aber unterm Strich doch nur ein Game, in dem man verschiedene herunterfallende Blöcke möglichst so anordnen muss, dass sie hurtig wieder verschwinden. Die Situation wirkt paradox: Entgegen dem „Höher, schneller, weiter“-Versprechen der Spieleindustrie nach immer opulenteren audiovisuellen Freuden sorgt eine kleine, aber feine Spielidee für das meiste Aufsehen. Und „Lumines“ ist kein Einzelfall. Ganz generell feiern Puzzlegames in der letzten Zeit ein glorreiches Comeback – und sind damit der Widerspruch zum Status quo von Videospielen im Jahre 2005. Die meist simplen, aber dennoch stundenlang hypnotisierenden Spiele sind zum Beispiel das bevorzugte Genre der stetig anwachsenden Gruppe von Gelegenheitsspielern. Und die sind zahlenmäßig dem engeren Zirkel der Videospielfans weit überlegen. Zudem sorgt die mit Siebenmeilenstiefeln voranschreitende Mobiltechnologie dafür, dass „Tetris“ oder „Puzzle Bobble“ samt ihrer Klon-Familien in einer Riesenanzahl auf Mobiltelefone heruntergeladen werden. Von Puzzlern auf PDAs und Palms sowie all den neuen mobilen Spielkonsolen dieser Welt ganz zu schweigen. Summiert man alle Spielergruppen und Plattformen, stellen auf einmal nicht mehr Egoshooter das populärste Genre dar, sondern Puzzlespiele – und das, obwohl sie in den einschlägigen Medien nur eine untergeordnete Rolle spielen. Meistens tauchen sie nur unter „ferner liefen“ auf und werden mit dem Attribut „irgendwie süchtig machend“ abgespeist. Aber was will man eigentlich mehr als ein Spiel, das einen partout nicht mehr loslässt? Puzzlespiele fixen einen ganz langsam an. Meist geht es allein darum, verschiedenfarbige Klötze, Blasen oder Symbole so miteinander zu verketten, dass sie in möglichst großer Anzahl auf dem Bildschirm verpuffen und das Punktekonto erhöhen. Aber schon nach kurzer Zeit packen die Puzzlegames zu: Hat man neben den Grundregeln auch die ersten taktischen Finessen geschnallt, werden die Farben und Formen auf dem Bildschirm gute Freunde. Immer schneller gehen einem die Bewegungen und Kombinationen von der Hand. Ja, sie laufen ab einem gewissen Zeitpunkt quasi automatisch ab. Meistens erhöhen die Puzzler nur ganz sanft ihren Rhythmus, bis sie eins werden mit dem Geschehen auf dem Bildschirm. Spiel und Spieler treten in eine kontinuierliche Wechselwirkung, sodass jenes – für sich betrachtet vielleicht gar nicht mal so spannende – Abräumen von einer Reihe Symbolen nach der anderen ein tiefes Gefühl der Befriedigung hervorrufen kann. Selbst die Wissenschaft bezeichnet solch einen Zustand als „Flow“: die Verschmelzung mit den eigenen Handlungen. Viele kennen den Begriff vielleicht eher aus dem HipHop. Dort meint er dasselbe: Wenn ein Rapper nicht mehr überlegen muss, welche Reime er als nächstes aus sich herauslässt, wenn er völlig im Sprudeln seiner eigenen Worte aufgeht, hat er – genau: einen derben Flow. Der amerikanische Forscher Mihaly Csikszentmihalyi ist sich sicher: Dieser Trance-ähnliche Zustand wird immer dann erreicht, wenn man sich in dem, was man tut, verliert. Wenn die eigenen Aktionen und das Bewusstsein zu einem Amalgam werden und sich dabei das Gefühl der Zeitwahrnehmung seltsam wandelt. Beim Puzzlespielzocken flutscht es deshalb stets am besten, wenn jeglicher Abstand zum Spiel verloren geht. Je weniger man nachdenkt, desto runder läuft es: Wenn Handlung auf Handlung folgt und alles um einen herum in Vergessenheit gerät, sieht man irgendwann die Matrix. Wer reflektiert, verliert! Csikszentmihalyi zufolge darf die Herausforderung dabei weder zu anspruchsvoll sein noch zu unterfordernd wirken. Nur wenn also die Skills des Spielers im Gleichgewicht mit der Schwierigkeit der gestellten Aufgaben stehen, stellt sich dieses Zen-ähnliche Gefühl des Flow ein. Damit dieses dann auch möglichst lange anhält, sollte es keine Unterbrechungen geben. Auch wenn solch ein Zustand bei vielen anderen Spielegenres genauso eintreten kann, sind Puzzlespiele vermutlich besonders gut darin, weil sie einen erst Schritt für Schritt in den Sog ihres Spielflusses hineinziehen. Wo sonstige Videospiele ihr Gameplay durch Zwischensequenzen oder Ladezeiten zerstückeln und einen somit immer wieder aus dem Geschehen herausreißen, bieten Puzzlespiele eine sehr direkte Form des Gaming. Manche Spieler mögen das Comeback der Puzzlespiele für einen Rückschritt in die Zeiten zwangsweise einfacher Games halten, als die Technik noch nicht viel mehr hergab, als irgendwelche Blöcke auf dem Bildschirm bewegen zu können, die uns auf der Verpackungsillustration als Raumschiffe, Ritter oder Monster versprochen wurden. Andere Spieler mögen Probleme damit haben, Puzzler im Vergleich zu heutigen Blockbustern ob ihres simplen Gameplays ernst zu nehmen. Aber besteht nicht fast jedes Videospiel aus einem einfachen Reiz- und Reaktionsschema, aus einer ewigen Wiederkehr derselben Bewegungen? Egal ob Sporttitel oder 3D-Shooter: Dreht es sich nicht letztendlich immer darum, in der richtigen Sekunde auf den richtigen Knopf zu drücken? Puzzlespiele zeigen uns vielleicht gerade im Vergleich zu vielen heutigen Games, die einen mit mühsamen Tutorien und möchtegern-cineastischen Erzählungen langweilen, welche Gameplay-Tugenden über die Jahre etwas verloren gegangen sind. Sie mögen zwar irgendwie retro sein, aber ihr puristischer Spielablauf ist sozusagen die Essenz fast allen Gamings. Heutige State-of-the-Art-Puzzler wie „Meteos“ und „Lumines“ verbleiben jedoch nicht nur bei einem Wiederaufleben von alten Wertmaßstäben: Ihre Wurzeln reichen zwar bis ins „Tetris“-Fieber der achtziger Jahre zurück, aber beide Titel wurden mit dem geballten Wissen von heute gestaltet. „Lumines“ bietet unter anderem eine einzigartige Kopplung aus Soundeffekten und Gameplay, die sogar so weit geht, dass der Bonusmultiplikator mit dem Tempo des Soundtracks synchronisiert ist. Und das Spielprinzip seines DS-Bruders „Meteos“ wäre ohne einen Touchscreen nur schwer denkbar. Im Kern bieten beide Titel aber das, was schon immer einen guten Puzzler ausgemacht hat: Sie sind leicht zu erlernen, aber schwierig zu meistern und bieten ein Potenzial für einen Flow sondergleichen. Puzzlespiele mögen minimalistisch sein, aber sie sind auf das Maximum reduziert.
Zoo Keeper / Success / PC, DS, GBA, Kneipe
Im Vergleich zu anderen Puzzlern ist „Zoo Keeper“ ein taktisches Leichtgewicht. Als Zoowärter fängt man entlaufene Tiere, indem man mindestens drei ihrer niedlichen Symbole nebeneinander positioniert. Es dürfen jedoch nur zwei direkt beisammen liegende Tiere verschoben werden, indem man sie die Plätze tauschen lässt. Und ausschließlich dann, wenn der Move sofort zu einer Reihe führt. Ein tieferes strategisches Vorgehen wird leider dadurch zunichte gemacht, dass potenzielle Kettenreaktionen nicht nur unter Zeitdruck schwer vorhersehbar sind. Aber gerade weil das Spiel so simpel ist, gehört es zu den ganz, ganz großen Hypnosemeistern. Die Gratisversion im Netz gilt als besonders intelligent designt, aber die DS-Steuerung mit dem Touchpen sorgt mit Abstand für den größten Spielfluss. Und wenn ihr Glück habt, findet ihr „Zoo Keeper“ auch in den Multi-Spielautomaten in der Kneipe an der Ecke.
Polarium / Nintendo / Nintendo DS
Einfacher geht es kaum. Sollte man denken. Die Steine in diesem Puzzlespiel sind entweder schwarz oder weiß. Sind alle von ihnen in einer horizontalen Reihe gleich koloriert, löst diese sich auf. Gewechselt wird die Farbe per Stylus. Die Kunst besteht nun darin, nicht nur einzelne Felder, sondern möglichst viele von ihnen mit einer durchgezogenen Linie zu markieren und somit umzudrehen. Das erfordert schnelles und genaues Malen, während immer neue Reihen von oben ins Spielfeld fallen. Weniger hektisch, aber viel mehr Hirnschmalz fordernd ist der Taktikmodus: Vorgegebene Muster müssen hier mit nur einer Linie komplett aufgelöst werden. Das scheint auf den ersten Blick oft unmöglich, ist aber um so befriedigender, wenn es dann doch geklappt hat. „Polarium“ sorgt für Kurzweil ohne Ende, denn wenn alle Puzzles gelöst wurden, kann man sich mit dem Leveleditor gleich neue bauen.
Puzzle Bobble / Taito / fast alle Plattformen
Mit „Puzzle Bobble“, das in Europa teilweise auch „Bust-A-Move“ genannt wird, feierte das süße Dinosaurierduo Bub und Bob aus dem Klassiker „Bubble Bobble“ seine Rückkehr. Es erschien über die Jahre wohl auf fast jeder erdenklichen Plattform und gehört derzeit zu den beliebtesten Handygames. Man feuert mit einer Kanone verschiedenfarbige Blasen an die Bildschirmdecke. Mindestens drei gleiche von ihnen purzeln dann herunter. Der Clou besteht darin, Trauben zu bilden, um Kettenreaktionen auszulösen. Fällt einem der kunterbunte Himmel auf den Kopf, ist man raus aus dem Geschäft. Zur wahrer Größe gelangt das Game im Mehrspieler-Splitscreen-Modus, denn die vernichteten Blasen tauchen auf den anderen Bildschirmen wieder auf. Verschiedene Sondersteine und, je nach Version, unterschiedliche Blasenangriffe tun den Rest zum Freudenfest. Lustig sind auch die trashigen Hintergrundbilder und die meschugge Musik.
Meteos / Q / Nintendo DS
Tetsuya Mizuguchi schuf mit „Meteos“ den dunklen Gegenpol zu „Lumines“. Wo ansonsten nur ein Stein langsam von der Decke fällt, tröpfelt es hier ohne Unterlass herunter. Per Knopfdruck kann der Fluss sogar zu einem wahren Klötzchenregen beschleunigt werden. Auch hier gilt die Regel der Drei: Liegen mindestens drei identische der oftmals verwirrend psychedelisch aussehenden Muster nebeneinander, steigen sie wieder in die Höhe. Dabei lupfen sie alle über sich liegenden Symbole praktischerweise gleich mit. Ist der Stapel jedoch zu schwer, muss man in der Luft eine weitere Reihe auslösen, sonst sind die Steine gleich wieder da, wo sie vorher waren. Wichtig: Es darf nur auf der Horizontalen herumgeschoben werden. „Meteos“ ist einer der hektischsten Puzzler überhaupt, besonders im für das Genre wohl einzigartigen Vierspielermodus. Toll sind auch die Sondersteine und die umfangreichen Konfigurationsmöglichkeiten.
Luminies / Q / PSP
Von allen hier vorgestellten Puzzlern liegt der Superhit „Lumines“ wohl am nächsten beim Klassiker „Tetris“. Aus vier Feldern zusammengesetzte Quader schweben langsam herab und können dabei verschoben und gedreht werden. Sie bestehen in verschiedenen Grundkombinationen aus zwei Farben. Eine gleichfarbige Quadratkonstruktion auf dem Boden verschwindet. Wer seinen Highscore in die Höhe treiben will, sollte Folgendes beachten: Die Steine verpuffen erst dann, wenn ein mit dem Tempo der Hintergrundmusik gekoppelter Balken sie berührt. Um eine feiste Combo zu zünden, müssen also möglichst schnell hintereinander viele Quader gebildet werden. Leichter gesagt als getan und auf dem breiten Bildschirm der PSP eine ziemliche Sause. Besonders schön: Während andere Puzzler noch genauso aussehen wie vor zehn Jahren, zündet „Lumines“ ein stylisches audiovisuelles Effektfeuerwerk, das zudem immer wieder vor sich hin morphiert.
„Menschen begeistern“
GEE: Wie können wir uns den Alexej Pajitnow vorstellen, der vor zwei Jahrzehnten „Tetris“ erschaffen hat? Alexej Pajitnow: Ich war damals ein 30 Jahre alter Forscher an der sowjetischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Meine Haupttätigkeit bestand darin, komplexe Computerprogramme zu schreiben. Für so unterschiedliche Bereiche wie Computergrafik, Spracherkennung oder künstliche Intelligenz. Ich liebte schon immer alle möglichen Rätsel und Puzzles. Das hatte zunächst nichts mit Computern zu tun. Besonders mochte ich „Pentomino“, ein berühmtes Geduldsspiel, das auf einem Holzfeld gespielt wird. Es geht darum, eine Fläche mit zwölf unterschiedlichen fünfquadratischen Steinen so auszufüllen, dass am Ende alles abgedeckt ist. „Pentomino“ spielt man aber leider nur alleine. Der Ausgangspunkt von „Tetris“ war mein Wunsch, daraus mithilfe des Computers ein Spiel für zwei Personen zu machen. Für die Umsetzung war eine programmierte Routine nötig, welche in der Lage ist, die „Pentomino“-Formen zu drehen. Als ich das Rotieren der Steine erstmals auf dem Bildschirm beobachten durfte, sah das für mich unglaublich lustig aus. Also beschloss ich, „Pentomino“ ruhen zu lassen und ein Echtzeit-Puzzlespiel rund um das Rotieren zu bauen. Leider waren die Computer, die wir damals in der Sowjetunion zur Verfügung hatten, vom Speicherplatz her nicht in der Lage, Steine aus fünf Quadraten für das Spiel zu berechnen. Stattdessen habe ich Tetraeder verwendet, also Formen, die aus vier Blöcken bestehen. Das war die Geburtsstunde von „Tetris“. Wie haben die Menschen im Forschungszentrum darauf reagiert? Es gab schließlich vorher keine Spiele, die „Tetris“ ähnelten. Ich habe das Spiel komplett im Institut programmiert und es meinen Vorgesetzten immer als Demonstrationsprogramm für die Möglichkeiten unser neuen Computerhardware verkauft. Als sie herausfanden, an was ich da während meiner Arbeitszeit dran war, wollten sie es natürlich sofort probieren. „Tetris“ hat anschließend die Arbeitsmoral für die nächste Zeit ziemlich ruiniert. Da realisierte ich, dass es auch viele andere Menschen begeistern könnte. Als 1985 dann die PC-Umsetzung stand, begann die Welt durchzudrehen. Und dann kam die berühmt-berüchtigte Zeit, in der illegale Lizenzen für das Spiel über den ganzen Globus hin- und herschwirrten … Das ist korrekt. Die Situation war äußerst verzwickt: Irgendwie gelange die PC-Version nach Budapest, wo das Spiel einfach von einer ungarischen Firma auf weitere Plattformen umgesetzt wurde. Eine dieser Varianten schaffte es dann nach England: Eine Firma namens Andromeda nahm mit mir Kontakt auf, um das Spiel offiziell für Heimcomputer und den PC zu publishen und mir dafür auch eine Umsatzbeteiligung zu zahlen. Ich fand das super, aber das Thema Lizenzierungen war in der Sowjetunion ziemlich tabu. Wem gehörte denn Ihrer Meinung nach „Tetris“? Ihnen oder dem Labor, für das Sie arbeiteten? Ich lebte in einem kommunistischen Land: Persönliches Eigentum war quasi der Feind. Von Rechten an geistigen Errungenschaften ganz zu schweigen. Jeder einzelne Computer in Moskau gehörte dem Staat. Ich hätte es gern selbst verlegt, aber statt mich gegen das System aufzulehnen, habe ich die Rechte dem Staat übergeben. „Tetris“ begann sich in der Zwischenzeit wahnsinnig zu verbreiten. Die Verhandlungen mit Andromeda gerieten ins Stocken. Ohne dass sie die Rechte dafür in der Tasche hatten, lizenzierten sie jedoch bereits das Spiel an diverse Firmen weiter. Und die haben es dann streckenweise wiederum weitervermittelt. Die Situation war unüberschaubar. So viele Firmen behaupteten, sie hätten legal die Rechte dafür erworben. Und einige machten Unmengen an Geld mit dem Spiel. Streckenweise gingen sie dann gegenseitig vor Gericht. Sind Sie darüber noch immer frustriert, oder überwiegt der Stolz, etwas geschaffen zu haben, das Sie vermutlich überleben wird? Es ist sehr dumm, sich über etwas zu ärgern, das in der Vergangenheit liegt. Ich bin weltberühmt geworden, also wieso sollte ich frustriert sein? Nach vielen Irrwegen hat sich die Situation um „Tetris“ auch irgendwann entspannt: Der Staat gab mir die Rechte zurück, und ich begann, das Spiel selbst zu lizenzieren. Noch heute sehe ich regelmäßig ein wenig Geld dafür. Es ist leider weitaus nicht so viel, wie es hätte sein können. Wie hoch war anschließend der Druck, ein zweites „Tetris“ abzuliefern? Zu Anfang immens, aber irgendwann habe ich mich dann entspannt, denn niemand erschafft unter so einem Druck große Dinge. Interessanterweise konnte ich mich irgendwann, gerade weil der Erfolg von „Tetris“ so astronomisch hoch war, von allen Erwartungen frei machen. Denn so ein weltumspannender Erfolg lässt sich nicht wiederholen. Zumindest nicht auf Zwang. Wie viele Puzzlespiele haben Sie in Ihrem Leben insgesamt designt? Ich habe nicht mitgezählt, aber so einige Dutzend dürften es schon sein. An viele der Namen kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern. Seit „Tetris“ sind viele Titel erschienen, die in dessen Fußstapfen getreten sind. Erreichen die für Sie Neuland, oder ist fast jeder Titel ein mehr oder weniger enger Verwandter Ihres Spiels? Es gibt wirklich sehr viele „Tetris“-Klone, die nicht so gut sind wie mein Spiel. Das ärgert mich aber eigentlich überhaupt nicht. So ist halt die Realität: Immer wenn gute Ideen erscheinen, gibt es Menschen, die sie aufgreifen. Welches ist die beste „Tetris“-Version? „Tetris“ auf dem Gameboy war zumindest die populärste von allen. Es passte so perfekt, dass es aussah, als sei das Spiel nur für den Gameboy erschaffen worden. Oder umgekehrt der Gameboy für „Tetris“. Die Version, die letztens für die Xbox erschien, war auch toll. Da passt einfach alles. Ich mache mir selbst immer noch Gedanken, wie man „Tetris“ verbessern könnte. Wie man es moderner und abwechslungsreicher gestaltet zum Beispiel. Was sind Ihre All-Time-Favourites unter den Puzzlespielen? Da gibt es so viele. „Minesweeper“ schlägt zum Beispiel immer noch fast jedes Spiel, das heutzutage für 40 Euro auf den Markt kommt. Gibt es so etwas wie ein Geheimrezept, wie man die Menschen mit einem Puzzlespiel stundenlang vor dem Bildschirm fesselt? Einige Zutaten sind ganz wichtig: Die Regeln des Spiels müssen simpel sein. Eine Komplexität sollte sich allein aus dem intelligenten Zusammenspiel der Regeln ergeben, sonst verwirrst du die Leute. Das Interface muss äußerst zugänglich sein. Gerade Gelegenheitsspieler stehen schon mit einem großen Fragezeichen vor einer Schnittstelle, die mehr als zwei Knöpfe benötigt. Ein erfolgreiches Konzept sollte außerdem sehr puristisch bleiben. Ich habe einmal ein Spiel namens „Pandoras Box“ entworfen, das Puzzeln und Storytelling miteinander kombinierte. Ich war sehr stolz darauf, aber die Leute mochten es nicht. Puzzlespiele sollten lieber abstrakt bleiben. Ganz wichtig ist auch der Wiederspieleffekt: In anderen Genres spielst du ein Game irgendwann durch. Zu Puzzlespielen müssen die Leute immer wieder zurückkommen wollen. Obwohl sie eigentlich immer gleich ablaufen, sollten sie sich deshalb jedesmal anders anfühlen. Das ist die wahre Macht des Puzzlespiels. Für mich sind sie mindestens genauso nonlinear wie einige moderne Titel. Wie sind die Zukunftsperspektiven der Puzzlespiele? Die zweite Hälfte der neunziger Jahre war eine katastrophale Zeit für mich. Es gab einerseits kaum noch neue Ideen im Genre. Andererseits wurden die ganzen Egoshooter oder Echtzeit-Strategiespiele immer populärer, und niemand schien sich mehr um Puzzlespiele zu scheren. Aber dieser Tage hat sich die Lage normalisiert. Sie sind zum Beispiel auf mobilen Spielkonsolen derzeit ziemlich angesagt. Doch ehrlich gesagt denke ich, dass sich diese Entwicklung auf den Handhelds wiederholen wird. Irgendwann spielen alle nur noch Shooter, und die Puzzlespiele verschwinden erneut in der Versenkung. <
Doppelpack
GEE: Sie haben mit „Meteos“ und „Lumines“ zwei Puzzler fast zum selben Zeitpunkt herausgebracht. War das ein Zufall, oder sind Sie ein wirklicher Puzzlespiel-Fan? Tetsuya Mizuguchi: Eher ein Zufall. Als ich mir Gedanken über innovative Spielstile für die PSP und das DS machte, flogen mir lauter Ideen für Puzzlespiele einfach so zu. Das soll nicht heißen, dass ich allgemein ein großer Fan von solchen Titeln bin. Ich löse lieber Rätsel oder spiele Logikspiele aus Holz. Den Zauberwürfel von Rubik mochte ich natürlich auch gern. Für mich sind Puzzlespiele in gewisser Weise die Basis von allen Arten von Spielen: Sie müssen einfach zu begreifen sein, aber gleichzeitig eine unglaubliche Tiefe besitzen. Man sagt, dass die meisten Konzepte im diesem Sektor schon ziemlich abgegrast wären. Insofern war es eine sehr große Herausforderung für mich, neue Puzzlestile zu erschaffen. „Meteos“ und „Lumines“ entstanden parallel zueinander, sind aber vollkommen separat realisiert worden. Die derzeitige Popularität von simplen Puzzlespielen steht ein wenig im Widerspruch zum Streben der Videospielindustrie nach Killergrafik oder nonlinearen Spielewelten. Auf der PSP schwärmen nun aber die meisten Spieler nur noch von „Lumines“. Das freut mich zu hören! Viele Menschen finden einfach immer weniger Zeit, auf Heimkonsolen zu spielen. Mobile Geräte sind da die beste Möglichkeit, sich schnell unterhalten zu lassen. Und Puzzlespiele passen in diesen Trend sehr gut hinein. Wenn „Lumines“ allerdings nur ein alltäglicher Titel aus dem Genre gewesen wäre, würde er nicht so viele Menschen ansprechen. Es verbindet einen großartigen Soundtrack auf eine neue Art und Weise mit dem klassischen Puzzle-Gameplay. Ich würde gern weiterhin originelle Videospiele erschaffen, die klassische Spielideen mit anderen Dingen in einer chemischen Reaktion verschmelzen. Texte und Interviews: Heiko Gogolin
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von Volker Hansch / November 10th, 2005 /

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