Versteckt spielen

Versteckt spielen

Camping – das ist nicht nur ein Begriff für das Übernachten in Zelt oder Wohnwagen. In Computerspielen, genauer: In Multiplayer-Egoshootern versteht man darunter das regungslose Verharren an einem Punkt, um von dort Gegner aus dem Hinterhalt anzugreifen. Die Spieltaktik ist so effektiv wie verpönt: Ein guter Spieler campt nun einmal nicht, sagt man. Daher werden bei vielen Online-Shootern Anti-Camping-Vorkehrungen getroffen, die Spieler einfach aus dem Game schmeißen, wenn sie zu lange unbewegt an einer Stelle stehen. Und dennoch scheint es irgendwie zum Spielvergnügen dazuzugehören. Denn nicht umsonst bauen Leveldesigner in ihre Spiele immer wieder Orte ein, die einfach wie geschaffen sind zum Campen. Wir haben den schönsten Plätzen einen Reiseführer gewidmet

"Unreal Tournament", kurz "UT", ist ein Klassiker unter den Online-Shootern. In von einer Minengesellschaft betriebenen Todesarenen kämpfen Gladiatoren der Zukunft ums Überleben. "Deck 16" wiederum ist ein Klassiker unter den "UT"-Maps. Knotenpunkt dieser Industrieanlage ist eine große Halle. Über dieser Halle befindet sich eine Plattform, die wie geschaffen fürs Campen ist. Wer hat gesagt, dass Urlaub auf Balkonien langweilig sein muss? Anreise: Folgen Sie einfach einer der beiden äußeren Rampen in der großen Halle nach oben (Vorsicht: Es fehlen Leitplanken, und unter Ihnen befindet sich ein See aus Säure!). Dort scharf links abbiegen auf die Galerie. Nun können Sie den balkonartigen Platz bereits erspähen - er liegt nur noch einen Katzensprung entfernt. Ausstattung: Die weitläufige Hochterrasse ist versehen mit einer Sniper-Rifle sowie einem Vorrat von vier Munitionspaketen, der regelmäßig aufgefrischt wird. Ein leichter Körperschild befindet sich direkt linker Hand vor dem Platz. Und am Ende der Galerie finden sie sogar eine "Bio-Rifle" - das malerisch grüne Schimmern des von ihr verschossenen Schleims hat schon so manchen Durchreisenden in helles Staunen versetzt. Sehenswürdigkeiten: Die Hauptattraktion dieses Campingplatzes erkennt man auf den ersten Blick: Das Panorama sucht schlicht seinesgleichen. Selbst am anderen Ende der Halle auftauchende Gegner erscheinen durch das Zielfernrohr betrachtet zum Greifen nah. Ausflugsziele: Eine Wanderung ins Tal macht sich vor allem für Gesundheitsbewusste bezahlt: Unmittelbar unter dem Campingplatz finden sie in einem dunklen Gang herrlich erquickende Health-Packs. Abreise: Von der nahe gelegenen Funsport-Area aus drängt leider bisweilen allerlei vergnügungssüchtiges Volk über die Rampen nach oben. Doch eine solch wunderbare Aussicht lässt sich natürlich nur ungestört so richtig genießen. Sollte es Ihnen also nicht gelingen, die Rüpel zur Umkehr zu bewegen, ist es daher an der Zeit, selbst die Zelte abzubrechen. Der Shooter "Far Cry" schaffte echtes Urlaubs-Feeling im Computerspiel: kristallklares Meer, strahlend weiße Sandstrände, Schatten spendende Palmen. Und auch wenn der Multiplayer-Modus des Spiels nicht sonderlich begeistert aufgenommen wurde: Die Map "Surf" besteht aus einer Reihe kleiner, nah nebeneinander gelegener Inseln, die einfach zum Träumen einladen. Und natürlich zum Campen. Anreise: Sie sehen den Campingplatz - gelegen auf einer erhöhten, überdachten Plattform - schon von weitem. Am bequemsten erreichen Sie die Insel per Motorboot. Doch auch zu Fuß ist das Eiland erreichbar - mit einer Wattwanderung über die Sandbänke. Ausstattung: Direkt auf dem Pfahlbau erhalten Sie ein Scharfschützengewehr, durch dessen Fernrohr sie die artenreiche Fauna der Inselwelt bequem beobachten können. Ihnen steht der Sinn nach Jagen? Kein Problem: Maschinenpistole und Munition sind direkt am Fuße des Hochsitzes erhältlich. Waidmannsheil! Sehenswürdigkeiten: Bei diesem Campingplatz fällt es schwer, einzelne Attraktionen hervorzuheben. Von hier aus haben Sie einfach die gesamte Inselkette im Blick. Allerdings gilt das Motto: sehen und gesehen werden. Daher sollten Sie regelmäßig nach nahenden Raketen der Miturlauber Ausschau halten. Ausflugsziele: Genießen Sie am Fuße des Hochsitzes entspannte Shoot-outs unter dem Schatten spendenden Tarnnetz des MG-Standes. Oder schnorcheln Sie durch bunte Schwärme tropischer Fische bis zur nahe gelegenen Insel, auf der Sie Munition sammeln oder mit etwas Verbandszeug Ihre Reiseapotheke auffrischen können. Abreise: Auf einer so überschaubaren Inselgruppe kann es natürlich vorkommen, dass Sie sich nach einiger Zeit etwas durch die anderen Reisegruppenmitgliedern beengt fühlen. Von einer überhasteten Abreise von ganz oben ist jedoch dringend abzuraten. Derartiges Base- Jumping kann hier schnell tödlich enden. Vom zweiten Treppenabsatz hingegen gelangen Sie gefahrlos auf das Dach des nahen Stromhäuschens, ohne sich auch nur den Knöchel zu verstauchen. Der Science-Fiction-Shooter "Half-Life 2" ist vor allem für seinen Singleplayer-Modus gefeiert worden. Dabei hat das Spiel auch einen mehr als soliden Deathmatch-Modus zu bieten. In der Map "Overwatch" begibt sich der Spieler in die Innenstadt von "City 17", einer von außerirdischen Invasoren besetzten Zukunftsmetropole in Osteuropa. Es muss nicht immer Südsee sein, schon gar nicht beim Campen. Anreise: Folgen sie den Kopfsteinpflastergässchen bis zum großen Trümmerhaufen am Fronteingang des Hauptgebäudes. Von hier aus erreichen Sie über die Treppe das zweite Stockwerk (Vorsicht vor Löchern im Boden - die Sanierungsarbeiten sind noch nicht vollständig abgeschlossen!). Hinter der Rezeption findet sich hier ein Außenaufgang zu Ihrem luftigen Campingplatz. Ausstattung: Einfach und rustikal: Vor Regen geschützt durch ein Zeltdach, finden Sie zu ihren Füßen Raketenwerfermunition und einen Arzneikasten für Reisekrankheiten. An der nahe gelegenen Rezeption steht ausreichend Brandbeschleuniger für ein Lagerfeuer. Sehenswürdigkeiten: Von ihrem Campingplatz aus genießen Sie einen wunderbaren Ausblick über die Jugendstilbauten der historischen Altstadt. Dort unten tummeln sich in der Reisesaison oftmals zahllose junge Backpacker, doch hier oben sind Sie über jeden Trubel erhaben. Ausflugsziele: Die nahe gelegene Zitadelle, das Wahrzeichen der Stadt, ist leider derzeit aus Sicherheitsgründen für Besucher gesperrt. Das Gleiche gilt bedauerlicherweise auch für den gesamten Rest der Stadt. Doch lassen Sie sich von den gelegentlichen Schussgeräuschen von außerhalb der Anlage nicht beirren: Hinter den Titanstahlbarrikaden, die das Viertel umgeben, sind Sie vollkommen sicher! Abreise: Wünschen Sie ein wenig Privatsphäre, so weisen Sie ihre Mitcamper am besten durch einen Aktenschrank, den sie vor den Aufgang stellen, hierauf hin. Sollten Sie dennoch weiter belästigt werden, empfiehlt sich ein beherzter Sprung in die nahe gelegene Baumkrone, von der aus man unbeschadet zur Straße hinabgelangt. Auch dieser Nachfolger des legendären "Unreal Tournament" schaffte es, zu einem der meistgespielten Online-Shooter zu werden. Alles wurde noch etwas höher, weiter, größer als in den Vorgängerspielen. Zum Beispiel in der Map "Osiris 2", die den Spieler unter den majestätischen Pyramiden Ägyptens und riesigen Obelisken um sein virtuelles Leben kämpfen lässt. Anreise: Gehen Sie vom großen Obelisken aus einfach in Richtung der Widder-Sphinx zu dem Tempeleingang, über dem das Auge des Osiris prangt. Hinter dem Sarkophag finden Sie einen Aufzug. Springen Sie aus der Aufwärtsfahrt hoch, schleudert der Aufzug Sie geradewegs auf das Dach der Tempelanlage. Ein Aufstieg für Aktive, der sich aber lohnt: Hier oben können Sie ganz ohne störende Miturlauber störende Miturlauber bräunen. Ausstattung: Der Campingplatz selbst ist spartanisch ausgestattet - doch auf dem Marktplatz direkt unter Ihnen bekommen Sie alle Dinge des täglichen Bedarfs: Das Angebot reicht von Gesundheits-Power-ups bis zu allen gängigen Arten von Munition. Sehenswürdigkeiten: Von hier oben aus haben Sie nicht nur einen hervorragenden Blick auf den großen Obelisken und die vielen Schaulustigen, die sich zu jeder Tageszeit um ihn versammeln. Von der anderen Seite des Campingplatzes aus ergeben sich auch faszinierende Einblicke ins Tempelinnere - weit über den Köpfen der nichts ahnenden Touristen. Ausflugsziele: Während Sie im Hochparterre des Bauwerks eine starke Panzerung und im Souterrain Raketenwerfer erhalten, liegt die wahre Attraktion in den Katakomben darunter: Bestaunen Sie hier Altäre, Hieroglyphen sowie einen Reichtum an Munition, Schätzen und sogar eine uralte pharaonische Lightning-Gun, die Ihnen auf dem Campingplatz gute Dienste leisten wird. Abreise: Falls Sie für eine Weile Abkühlung von der Sonnenglut suchen, empfiehlt sich ein Rückzug in den Schatten der Tempelanlage über die tiefer gelegenen Aussichtsplattformen. "Quake 3" ist ein schier unsterblicher Evergreen unter den Online-Shootern. Seit sieben Jahren wird das blitzschnelle Ballerspiel mit dem Gothic-Horror-Setting von einer riesigen Fangemeinde im Netz gespielt. Und auch hier, im Fegefeuer lässt sich's prima campen: zum Beispiel auf der Map "DM15". Dieser Urlaub wird die Hölle? Ganz bestimmt. Anreise: Wer auf den Zinnen eines Dämonenschlosses inmitten der Hölle campen will, kann nicht mit Rolltreppen rechnen. Begeben Sie sich zum Schlosshof - Sie erkennen ihn an dem großen See glühender Lava. Der Zeltplatz befindet sich knapp unter dem mittleren Giebel der Front und ist nur auf dem Luftweg erreichbar. Am besten per Raketenkraft von einem der Jumppads aus. Ausstattung: Ihre Unterkunft ist mit einer roten 100-Punkte-Rüstung ausgestattet, die in kurzen Abständen nachgeliefert wird. Ein Serviceangebot, das Sie zu schätzen lernen werden. Gesundheits-Power-ups sowie Railgun und Raketen-Nachschub erhalten Sie direkt darunter im Schlosshof. Sehenswürdigkeiten: Ein Szenario wie das der rasenden, blutroten Himmel über Ihnen bekommt man nicht alle Tage geboten. Doch vergessen Sie nicht, den Blick auch auf das Treiben im Schlosshof zu richten. Hier erleben Sie das ewige Leiden der Untoten: Diese armen Seelen sind dazu verdammt, den Moment ihres gewaltsamen Ablebens bis in alle Ewigkeit wieder und wieder zu erleben. Ausflugsziele: Falls der Schwefeldunst ein wenig in der Nase zu stechen beginnt - warum nicht auf einen Abstecher in die gotische Höllenkathedrale hinter Ihnen einkehren? Bewundern Sie hier Hunderte kunstvoll in das Mauerwerk eingebundener menschlicher Schädel, riesige schwingende Beile in Form umgedrehter Kreuze und abgehackte Entwicklerköpfe in den Kellergewölben. Abreise: Abreise? Pardon, aber … Sie sind in der Hölle! Und ohne Seele macht die Welt der Sterblichen ohnehin nur den halben Spaß. Machen Sie sich also über das Abreisen keine unnötigen Gedanken. Text: Danny Kringiel, Fotos: Simone Scardovelli
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von Volker Hansch / September 10th, 2006 /

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