Alles im Fluss
Nicht erst seit Erscheinen des gleichnamigen Flash- und PS3-Spiels wird der Begriff Flow mit gutem Gamedesign in Verbindung gebracht. Ein Deutscher hat nun einen Versuchsaufbau erfunden, mit dem sich Flow beim Daddeln messen lässt
Was finden Menschen daran, sich in die Gefahr zu begeben, einen Berg zu besteigen oder mit dem Fallschirm zu springen? Warum versinken Maler oder Schachspieler völlig in ihrer Tätigkeit? Diese Fragen stellte sich in den sechziger Jahren der amerikanische Psychologe Mihály Csikszentmihályi. Er entwickelte eine Theorie, um das Verhalten dieser Menschen zu erklären. Er nannte diesen Zustand "Flow". Flow wird dann erreicht, wenn sich die Anforderungen, die eine Situation stellt, und die eigenen Fähigkeiten im Gleichgewicht befinden, sodass man zu jedem Zeitpunkt das Gefühl von Kontrolle besitzt. Übersteigen die Anforderungen die Fähigkeiten, stellt sich Angst ein, sind die Fähigkeiten höher als die Anforderungen, ist Langeweile das Ergebnis. Die Flow-Theorie ist seit vierzig Jahren so populär wie umstritten. Denn so einleuchtend sie klingt, sie konnte nie wirklich überprüft werden. Die Fragebögen, mit denen man das versuchte, wurden entweder nach dem eigentlichen Flow-Erlebnis ausgeteilt, dann aber war der Flow vorbei, oder mittendrin, was den Flow unweigerlich zerstörte. Ralf Armin Böttcher hat nun in seiner Diplomarbeit an der Uni Magdeburg eines der ersten Flow-Messverfahren für Gamer entwickelt. Das Verfahren erfasst Herzfrequenz und Augenbewegung des Probanden, während er ein Level spielt. Unmittelbar im Anschluss bekommt er ein Video des gespielten Levels vorgeführt. Alle sechzig Sekunden wird die Aufzeichnung unterbrochen, und der Proband muss Fragen danach beantworten, wie anspruchsvoll die Situation war, wie er die eigenen Fähigkeiten beurteilt, wie erregt er war und wie er sich an diesem Punkt gefühlt hat. Danach sieht er ein Video von seinem eigenen Gesicht beim Spielen. Die Einschätzung des Spielerlebnisses und die ablesbare Reaktion im Gesicht stimmen meist ziemlich genau überein. Interessanterweise schätzt Böttcher den Nutzen seiner Arbeit als relativ gering ein. Für seine Praxis als Gamedesigner bei der Firma Ascaron bringt ihm ein solches Messverfahren wenig. "Man weiß schon intuitiv, wie anspruchsvoll das Level sein muss, um Spaß zu machen, das muss nicht erst überprüft werden." Für größere Zielgruppentests in weit fortgeschrittenen Stadien der Spielentwicklung könnte es aber dennoch sinnvoll sein. "Flow" - Das Game Das Spiel "Flow" von Jenova Chen ist ein Phänomen. Ursprünglich war es lediglich als praktische Demonstration der These gedacht, dass sich die Flow-Theorie Csikszentmihályis (siehe Text oben) hervorragend als Grundlage guten Gamedesigns eignet. Damit lag der Entwickler derart richtig, dass das Spiel kurzerhand für die PS3 portiert und von vielen Kritikern sogar zum Kunstwerk erklärt wurde. Dabei könnte das Spielprinzip kaum simpler sein: Mithilfe der Bewegungssensoren des Six-Axis-Controllers steuert man ein filigranes Unterwasserwesen durch die azurblauen Tiefen des Bildschirmmeeres. Unterwegs kann man sich andere Lebensformen einverleiben oder muss ihnen ausweichen. Das war's! Akustisch untermalt wird die Reise von angenehm abgespaceten Harmonien. Wohin sie einen führt? Zur inneren Ruhe natürlich! Zumindest für ein paar Minuten. Erhältlich über das Playstation Network.