Super Mario Galaxy
Mit jedem neuen Mario-Jump'n'Run erwartet die Welt nicht weniger als das beste Mario-Spiel aller Zeiten. Diesmal wird sie nicht enttäuscht
Wer hätte das gedacht: Gleich am Anfang von "Super Mario Galaxy" wird Prinzessin Peach entführt. Eigentlich wollte sie sich nach dem jährlichen Sternenstaubfest mit Mario treffen, aber daraus wird nichts, denn eine Flotte fliegender Segelschiffe greift an, und unter tosender Musik klaut der Anführer der Angreifer, Marios alter Erzfeind Bowser, die Prinzessin mitsamt ihrem Schloss, das einfach in einem Stück aus der Erde gerissen wird. Als Spieler hat man noch die Möglichkeit, dem grausigen Geschehen entgegenzulaufen, aber natürlich keine Chance, es aufzuhalten. Stattdessen wird man durch den Antriebsstrahl eines der hölzernen Raumschiffe in eine fremde Galaxie, die "kosmische Sternwarte", geschleudert. Dort eröffnet die Besitzerin Rosalina dem verdutzten Mario, das Bowser die "kostbare Person" ins Zentrum des Universums gebracht hat, und auch, dass die Energie der Sternwarte zurzeit nicht reicht, um Mario dorthin zu bringen. Aber sie schenkt ihm eine Drehattacke, mit der er sich von speziellen Sterntoren durch den Weltraum katapultieren lassen kann. Außerdem darf er ihre Observatorien benutzen, um in verschiedene Galaxien zu gelangen, wo er Power-Sterne einsammeln soll, um die Sternwarte mit Energie zu versorgen. Je mehr Energie er bringt, desto mehr Observatorien funktionieren, desto mehr Galaxien können angesteuert werden und desto näher kommt Mario dem Zentrum des Universums und damit seiner Prinzessin. "Mögen die Sterne mit dir sein", wünscht Rosalina, und schon geht's los.
Schönes neues Weltall
Die Bausteine der "Super Mario Galaxy" sind Videospielern hinlänglich bekannt und vertraut wie Kindheitserinnerungen: Trampelnde Gombas, fleischfressende Pflanzen, anhängliche Raketen, grimmige Steinblöcke und schreckhafte Geister hat man schon unzählige Male ausgetrickst. Und auch die grünen 1-up-Pilze, gelben Fragezeichenkisten, goldenen Sterne und grünen Röhren sind bekannt wie alte Freunde. Trotzdem hat Marios Welt noch nie auch nur annähernd so ausgesehen wie hier im Weltraum. Wenn Mario auf kleinen runden Planeten herumläuft, erinnert das an "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry, wo die Sterne, die der kleine Prinz besucht, so klein sind, dass man nur ein paar Schritte machen muss, um einen Sonnenuntergang noch einmal zu sehen. Und genau so, wie man sich als Kind vorgestellt hat, dass die Menschen in Australien mit dem Kopf nach unten durch die Gegend laufen, sieht es aus, wenn Mario die Planeten umrundet: Ist er auf der Unterseite, klebt der Klempner kopfüber am Gestirn. Wie der kleine Prinz, ist auch Mario rastlos und fliegt anmutig durch das Weltall zum nächsten Planeten, sobald er seinen Stern bekommen hat. Und natürlich sind nicht alle Planeten einfach nur rund: Es gibt würfelförmige, die mit Irrgärten aus Hecken bepflanzt sind, und welche in der Form einer Kidney-Bohne und dem Aussehen eines Golfplatzes.
Manche glänzen wie die Schokoladenglasur auf einem leckeren Kuchen, andere sind durchsichtig und müssen von Mario im Innern erforscht werden. Es gibt Planeten aus Wasser, das in Form einer Halbkugel frei im Raum schwebt und über den Rand irgendwo ins Weltall schwappt, und auf einigen Planeten fahren Plattformen mit Mario so unmöglich durch die Perspektiven und den Weltraum, das selbst M.C. Escher Probleme hätte, ihre Logik nachzuvollziehen. Und wenn sich eine riesige Raupe wilder als eine Achterbahn von einem apfelförmigen Planeten durch den Weltraum zum nächsten windet und dadurch eine Brücke bildet, ist das so surreal, dass auch Salvador Dalí zweimal hätte hingucken müssen. Abgesehen von der spielerischen Vielfalt, die all das bietet, sei noch erwähnt, dass auch die Optik alle bisherigen Wii-Spiele schlägt. Sogar das Wasser sieht auf seine comichafte Art richtig echt aus.
Super-Entertainment-System
Die Welt von "Super Mario Galaxy" ist in 42 kleine Galaxien aufgeteilt, und jede hat ihr eigenes Thema: zum Beispiel Spielzeugschachtel, Herbstwald, Glasstrand, Keksfabrik, Sandwüste oder Eisplanet. Ein bis sieben Power-Sterne sind in jeder Galaxie versteckt. Um einen davon zu finden, muss man nicht, wie früher, ewig durch endlose Level streifen, sondern auf den kleinen Planeten der Galaxie bestimmte Aufgaben lösen. Dann schnappt man sich den Power-Stern als Belohnung und fliegt zurück in die Sternwarte. In nur zehn Minuten ist das oft schon erledigt. Das ist extrem befriedigend und macht das Spiel enorm kurzweilig. Was zu tun ist, verraten Sprechblasentexte von freundlichen Galaxie-Bewohnern wie weißen Hasen oder kleinen Robotern. Manche Aufgaben erstrecken sich über mehrere Planeten: Man muss sich zum Beispiel auf dem ersten die Teile eines Sterntores zusammensuchen, um sich damit auf den zweiten zu katapultieren, wo eine Bienenkönigin darum bittet, dass man ihr durchs Fell krabbelt, weil sie sich selbst nicht kratzen kann. Mal muss man unter Wasser einen Geheimgang aufsprengen, um an den Stern zu kommen oder ein Weltraumrennen gegen einen Geist gewinnen, der mit seinem Rennfahrerhelm nicht nur schnell aussieht. Meistens ist aber das irrwitzige Leveldesign selbst die Herausforderung: Schon mal auf sich hin und her bewegendem Teig gelaufen, aus dem schon Plätzchen ausgestochen wurden? Oder ein Level entlanggerannt, dessen Boden sich immer erst kurz bevor man drauftritt zusammenfügt? Oder eines, in dem die Schwerkraft verrückt spielt und Mario mal an die Decke, dann an die Wand und wieder auf den Boden zieht? Manche Elemente tauchen mehrmals auf, werden dann aber variiert und auf die Spitze getrieben. So kann Mario mit seiner Drehattacke auch Schrauben drehen, rein und raus. Beim ersten Mal setzt er damit eine Wasserpumpe in Gang, und später zerlegt er so einen ganzen Roboter in seine Einzelteile. Auch den Sprung von Wand zu Wand lernt man früh, muss ihn später aber so gut beherrschen, aufwärts und abwärts, dass sogar Parkour-Profis über Marios Künste staunen würden.
Du bist Herr Fröhlich
"Yesss!", ruft Mario jedes Mal, wenn er stampfend auf dem ersten Planeten einer Galaxie landet, und als Spieler denkt man: ja, genau! Denn es macht einfach Spaß mit Mario durch diese Welten zu hüpfen. Lässt man den Klempner mit dem richtigen Timing dreimal hintereinander springen, macht er beim dritten Satz einen extra hohen Salto und jauchzt "Juhuuu". Da kann man gar nicht anders, als sich auch zu freuen. Auch das Tönen vieler Extras macht einfach gute Laune. Da liegt eine Reihe bunter Noten auf dem Weg, und wenn man sie im richtigen Tempo einsammelt, erklingt dabei eine schöne Melodie. Und wenn Mario auf einem Ball balanciert, läuft die Musik dazu genau so schnell, wie der Ball sich dreht. Das Repertoire der Sounds ist ebenso vielseitig wie der Rest des Spiels: von Orchesterklängen über Märsche, Funk- und Electro-Rhythmen bis zu piepsenden Retro-Sounds und Variationen des Mario-Themas. Mario selbst ist sowieso die Frohnatur schlechthin, und das steckt an. Da hat er gerade die Stampfattacke erlernt, mit der er Mühlsteine zerstören kann, da ist auch schon ein Trampolin unter dem nächsten Stein versteckt, und er springt erst mal vergnügt darauf herum. Und wenn er seine Drehattacke neben einem Pinguin macht, dreht der vor lauter Lebenslust auch eine Pirouette. Solche Details machen das Spiel besonders liebenswert.
Wäre Mario-Erfinder Miyamoto ein Koch und "Super Mario Galaxy" sein Gericht, hätte er fünf Sterne sicher. Mit Finesse fordert und belohnt er den Spieler. Es gibt viele Dinge auf den Planeten, die nicht wichtig sind, um weiterzukommen, aber einfach Spaß machen. Zum Beispiel Schaukeln, mit denen man einen Weitsprung übers Wasser hinlegt, um auf einem kleinen Felsen zu landen, auf dem ein verlockender 1-up-Pilz wartet. Und wer alle Münzen in einem Level haben will, muss Mario auch mal auf eine Palme bringen und sich in der Krone bis an die Enden der Blätter vorwagen. Manchmal ist Miyamoto auch ein bisschen gemein und spielt mit dem Spieler, wenn Bonus-Items sich nur durch ihren Schatten am Boden verraten, wenn sich in einer Schatzkiste, die man unter Wasser findet, nicht wie üblich ein Extra, sondern ein fieser Fisch versteckt, oder wenn ein Sterntor durch eine kleine Öffnung blitzt, man übereifrig hinein springt und erst im Abflug sieht, das daneben noch ein tolles Extra zu holen gewesen wäre. Aber das ärgert einen nicht. Denn schließlich ist es ein guter Grund, mal wieder in dieser Galaxie vorbeizuschauen.
Mario im All - nicht das erste Mal
Seinen ersten Ausflug in den Weltraum machte Mario schon 1992 im Gameboy-Titel "Super Mario Land 2 - Six Golden Coins": In die "Space Zone" fliegt er dort in einer Luftblase, die ein Nilpferd ausgestoßen hat. Dort angekommen, wird er zu Space-Mario und trägt einen Astronautenanzug. Nach einem Spaziergang auf dem Mond fliegt er schwerelos durch das zweite Level und trifft schließlich auf den Außerirdischen Tatanga, den er schon als Endgegner von "Super Mario Land" kennt. Auch gut zu wissen: Dies ist das erste Spiel, in dem Marios Gegenspieler Wario auftaucht.
Das Spiel
"Super Mario Galaxy" einfach nur Jump'n'Run zu nennen wäre vermessen. In wohl keinem anderen Spiel kann man so viele verschiedene Sachen mit der Spielfigur anstellen wie hier: Auf Rochen surfen, als Biene fliegen, über Kopf an der Decke laufen, in einer Blase schweben oder mit ausgebreiteten Armen durchs Weltall segeln. Laufen, springen, hüpfen, rennen, tauchen, Saltos schlagen, auf den Boden stampfen, schaukeln, klettern, rutschen, Schlittschuh fahren und noch vieles mehr. Zusätzlich zur Spielfigur bewegt man mit der Zeigefunktion der Wiimote auch einen Cursor auf dem Bildschirm. Damit kann man die überall verteilten Sternteile einsammeln und sie auch auf Feinde schießen, um diese kurz zu schwächen.
Außerdem kann man damit Gummibäume lang ziehen, um Mario wie mit einer Zwille zu verschießen, kleine Schwerkraftfelder aktivieren, um Mario anzuziehen, und manchmal muss man damit zielen, um Mario aus einer Kanone heraus in die richtige Richtung abzufeuern. Für eine Drehattacke gilt es die Wiimote zu schütteln, und manchmal muss man sie senkrecht halten, um auf einem Ball im Gleichgewicht zu bleiben. Ansonsten wird Mario aber ganz klassisch mit dem Analogstick gesteuert und springt auf Knopfdruck. Gegner erledigt er durch einen Sprung auf den Kopf oder mit der Drehattacke, und Endgegnern schleudert er Geschosse wie Krötenpanzer entgegen.
Das Spiel ist dabei immer sehr lieb zum Spieler, gönnt ihm vor schwierigen Passagen oder Kämpfen einen roten Pilz, der die Lebenskraft erhöht, und lässt ihm in Briefen von Prinzessin Peach immer wieder eine Ladung 1-up-Pilze zukommen. Ein zweiter Spieler kann jederzeit einsteigen und darf einen weiteren Cursor steuern, damit Sternteile einsammeln und verschießen oder Feinde festhalten. Eine eigene Spielfigur bekommt er aber nicht. Wenn allerdings beide gemeinsam den A-Knopf drücken, springt Mario höher als sonst. Das ist ganz nett, macht aus "Super Mario Galaxy" aber trotzdem keinen echten Zwei-Spieler-Titel.
Fazit
Genial! Altmeister Miyamoto und Ikone Mario übertreffen sich selbst: Optisch ist "Super Mario Galaxy" der mit Abstand beste Wii-Titel und spielerisch eines der abwechslungsreichsten und spannendsten Videospiele überhaupt.
Für Freunde von "Prey", "Ratchet & Clank", "Nights"
Text: Moses Grohé
Tags:
GEE 34,
Jump'n'Run,
Nintendo,
Rezension,
Super Mario Galaxy,
Wii