Telespiel

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Handyspiele waren für Gamer bisher kaum der Rede wert. Spiele für das iPhone können aber durchaus mit Titeln für DS und PSP mithalten, sind mitunter sogar frischer und kosten weniger. Revolutioniert Apple nun auch den Gamesmarkt?

Mit der kürzlich erschienenen zweiten Version von Apples Multimediahandy "iPhone 3G" wird das Gerät endlich auch für Spieler interessant. Neben überarbeitetem Design, schnellerer Internetverbindung und dem eingebautem GPS-Empfänger zur Standortbestimmung wurde nämlich ein weiteres Feature eingeführt: der "App Store". Dort wird Software für das iPhone angeboten. Die lässt sich direkt mit dem Handy oder per iTunes mit dem Computer herunterladen. Und zwar so unkompliziert, wie man es von Musik und Filmen kennt. Neben Übersetzungssoftware, Facebook-Assistenten oder Chat-Programmen gibt es im "App Store" vor allem Spiele. Das Entwicklungswerkzeug zum Erstellen der Programme, das "Software Development Kit", kurz SDK, stellt Apple kostenlos zur Verfügung. Für jeden. So können -neben etablierten Firmen auch kleine Studios und Hobbyprogrammierer für das iPhone entwickeln. Apple behält nach Veröffentlichung im Store zwar satte 30 Prozent des Verkaufspreises, der Rest jedoch geht direkt an die Entwickler - das spornt an. So finden sich im Store bereits einige Wochen nach dessen Eröffung neben Karten- und Brettspielen, Breakout-Klonen und anderen Rip-offs viele originelle Spielideen, die liebevoll umgesetzt wurden und zeigen, welche Kreativität in der Heimentwickler-Szene stecken kann. Diesem Feld verschließen sich bislang klassische Handhelds: "Homebrew"-Spiele und -Programme für Nintendos DS und Sonys PSP funktionieren nur, wenn man Tricks anwendet und sich in rechtliche Grauzonen begibt. Natürlich ist nicht alles Gold, was im "App Store" als niedliches Icon glänzt, aber neben einigem Schrott findet man auch aufwendig produzierte Games, die sich vor üblichen Handheld-Spielen nicht zu verstecken brauchen. Denn dank Touchscreen und Bewegungssensor bietet das iPhone Möglichkeiten zur Steuerung von Spielen ähnlich der Wii und dem DS. Allerdings kann man mit den Fingern nicht so präzise arbeiten wie mit dem DS-Stylus. Dafür ist der Screen mindestens so chic wie der PSP-Bildschirm, und die Rechenpower des iPhones vergleicht John Carmack von id Software mit der von PS2 und Xbox. Das Fehlen jeglicher Knöpfe, die zum Spielen -benutzt werden könnten, ist jedoch eine Herausforderung für die Gamedesigner und zeigt, dass nicht jede Idee funktioniert: "Pac-Man" zum Beispiel wie eine Murmel durch sein Labyrinth zu rollen macht keinen Spaß, und wenn man ihn per Finger über den Touchscreen zieht, ist er kaum zu erkennen. Der auf dem Touchscreen -simulierte Joystick ist zum Steuern sogar völlig ungeeignet. Bereits jetzt gibt es jedoch genügend Games, die zeigen, wie gut iPhone-Spiele funktionieren, die sich auf die Gegebenheiten einlassen. Mehr als 300 Spiele sind bereits erhältlich, von gratis bis acht Euro, und täglich kommen neue hinzu. Die vielversprechendsten Titel der nächsten Monate sind eine Version von "Spore", ein Game zur Fernsehserie "Dexter", bei dem auch Telefon und Web genutzt werden, und der "Loco Roco"-Klon "Rolando". Das Multiplayer-Online-Spiel "Parallel Kingdoms" soll sogar die Spielwelt mit der realen Welt verknüpfen: Durch die GPS-Funktion beeinflusst der Aufenthaltsort des Spielers, was für ihn im Game zu sehen ist. Spannend. Vorerst aber zeigen wir auf dieser und den folgenden Seiten die besten Spiele, die für das iPhone bereits jetzt erhältlich sind.

Chimps Ahoy

Entwickler: Griptonite | Preis: 4 Euro Spielt sich wie "Pong" mit Hindernissen. Statt weißer Striche schlagen nette Äffchen auf, und als Ball dient eine Kokosnuss. Auf dem Spielfeld liegt und wuselt allerhand herum, von einfachen Blöcken, die bei Kokosnusskontakt zerplatzen, über Gold- und Silbermünzen bis zu Piratenschiffen, die auf die Äffchen schießen. Trifft man Schatzkisten, winken Extras wie Multiball, äh, -nuss, oder eine Feuerkugel, die durch alle Blöcke rast, ohne -abzuprallen. Spielt sich mit einem quer gehaltenem iPhone perfekt mit den Daumen oder auch zu zweit, wenn man das Gerät auf den Tisch legt und jeder Spieler einen Affen bewegt.

De Blob

Entwickler: THQ | Preis: 6 Euro Statt in 3D präsentiert sich die iPhone-Version des demnächst erscheinenden Wii-Spiels wie ein altes "GTA": in der Vogelperspektive. Allerdings verbreitet der Spieler mit seinem Blob nicht Angst und Schrecken in der grauen Stadt, sondern bunte Farbe. Wie einen Gummiball rollt man den Blob per Neigung durch Farbkleckse und prallt gegen Häuserwände, um sie anzumalen - je bunter desto besser.

Chain3

Entwickler: RSBLSB | Preis: 6 Euro Dass sich drei oder mehr gleiche Symbole in einer horizontalen oder waagerechten Reihe auflösen, hat man schon in einigen Puzzle-spielen gesehen. Hier dürfen die Symbole aber völlig frei im Raster verschoben werden. Sobald eine Reihe gebildet wurde, startet ein Countdown, während dessen weitere Reihen gebildet werden sollten. Das macht Spaß und bleibt übersichtlich, weil die stylischen Symbole vergrößert werden, sobald man sie -berührt. Beim Verschieben und Verschwinden der Symbole erklingen coole Sounds vom Laserschwert bis zu Vocoder-Sprachfetzen, die zusammen klingen wie ein Stück von Aphex Twin.

Super Monkey Ball

Entwickler: Sega | Preis: 8 Euro Das affige Gameplay fühlt sich mit den Bewegungssensoren des iPhones noch besser an als mit Analogstick oder Wii-Controller. Wie üblich muss ein Affe in einer Kugel herumgerollt werden. Und zwar mit Highspeed über gefährlich schmale Kurse, die mal schön geschwungen sind, mal eklig eckig und manchmal voller Hindernisse. Auf dem Weg zum Ziel alle verstreuten Bananen einzusammeln und dabei das Zeitlimit einzuhalten klappt selten beim ersten Mal. Die bunte Grafik läuft selbst bei höchstem Tempo flüssig und zeigt, dass das iPhone auch mit 3D-Grafik zurechtkommt.

Critter Crunch

Entwickler: Publisher X | Preis: 5 Euro Wie ein Frosch schnappt sich die niedliche Spielfigur mit ihrer langen Zunge Insekten verschiedener Größe und Farbe aus einer von sechs Reihen. Statt sie selbst zu fressen, verfüttert sie sie an größere Insekten, bis diese platzen. Kettenraktionen, Power-ups und weitere Spezialitäten machen aus "Critter Crunch" ein langfristiges Vergnügen.

Dizzy Bee

Entwickler: Igloo Games | Preis: 2,40 Euro "Dizzy Bee" fliegt nicht, sie kugelt wie ein Ball durch die Level. Und zwar durch Neigen des iPhones: Kippt man die Welt, rollt Dizzy hinterher. Dabei gilt es, bunte Blumen einzusammeln, grimmigen Gegnern auszuweichen und freundliche Früchtchen zu befreien, die der Biene dann im Gänsemarsch bis zum Level-Ausgang folgen. Letztere sehen aus wie "Loco Roco" aus dem Schirm geschnitten, und eben daran erinnert das ganze Spielprinzip. So schnell wirbelt man das iPhone bei keinem anderen Spiel durch die Finger. Kleiner Preis - großes Spiel.

Radius

Entwickler: Pattern Making | Preis: 3 Euro Sylisch und originell: Auf einer Kugel, die per Touchscreen bewegt wird wie ein Trackball, -tauchen farbige Punkte auf. Von denen breiten sich Schockwellen kreisförmig aus, stilisiert mit einer farbigen Linie dargestellt. Bevor diese Welle auf der anderen Seite der Kugel wieder zusammenläuft, muss man sie ausschalten, indem man ihren Ausgangspunkt berührt. Gleichzeitig auf verschiedenen Seiten der Kugel auftauchende Punkte und solche, die sich teilen, wenn man sie berührt, fordern richtig flinke Finger.

Trism

Entwickler: Demiforce | Preis: 4 Euro Harte Kopfnuss, die das Potenzial des iPhones voll ausnutzt: Dreieckige Spielsteine verschiedener Farben sind gleichmäßig in Reihen über das Spielfeld verteilt. Um drei oder mehr derselben Farbe zueinander zu bringen, dürfen nur ganze Reihen verschoben werden. Der Clou kommt, wenn sich die ersten Steine auflösen und neue Steine von oben nachrutschen: Je nachdem, wie man das iPhone hält, rutschen sie aus einer anderen Richtung ins Bild. Ein toller Dreh, der einiges an Planung verlangt. Smart: Kriegt man beim Spielen einen Anruf, speichert "Trism" automatisch ab.

Apache Lander

Entwickler: Posimotion | Preis: kostenlos Manchmal reicht auch eine simple Idee: Lande deinen Hubschrauber sanft auf dem vor-gesehenen Platz und benutze zum Steuern den Bewegungssensor. Damit es spannend wird, hast du kaum Benzin im Tank. Bevor die erste Landung klappt, gehen einige Hubschrauber zu Bruch.

Aqua Forest

Entwickler: Hudson | Preis: 6 Euro Eine etwas übermotivierte Physiksimulation mit Rätsel-Part. Auf dem Bildschirm werden verschiedene Flüssigkeiten und Elemente simuliert, die sich physikalisch korrekt verhalten. Von Wasser über Staub - bis Feuer ist alles dabei. Im "Free Play"-Modus geht schnell gar nichts mehr, weil zu viele Stoffe auf einmal die Rechenleistung des iPhone übersteigen. Im Puzzle-Modus warten überraschende Rätsel darauf, per Bewegungssensor oder Touchscreen gelöst zu werden. Interessanter und spannender als der Physik-Unterricht früher in der Schule.

Die lustigsten iPhone-Späße

Praktisch, niedlich oder schwachsinnig: Kleine Programme machen das iPhone zu fast allem Shazaam Spiel dem iPhone Musik vor, und es sagt dir, welcher Track gerade läuft. Sehr praktisch. Kostenlos A Level Die virtuelle Wasserwaage zeigt an, ob "alles senkrecht ist" oder aus dem Gleichgewicht gerät. 80 Cent Crazy Mouth Spiel den Clown, und verdecke deinen Mund mit dem Cartoon-Grinsen auf dem iPhone-Display. 80 Cent Flashlight Volle Kanne Weiß aufs Display, und schon leuchtet dir das iPhone den Weg durch die Dunkelheit. Kostenlos Bubble Wrap Luftposterfolie knallt so schön, wenn man sie zerdrückt. Auch virtuell auf dem Display ein Spaß. Kostenlos World 9 Steck das iPhone in die Tasche, und spring herum! Du machst dabei Geräusche, als wärst du Super Mario. Kostenlos Here I Am Schick Freunden einen Link zu "Google Maps", auf dem deine Position markiert ist. Kann Leben retten. Kostenlos Moo Box Dreh dein iPhone um, und es macht "Muh" wie eine Kuh. Oder eher wie diese Muhdosen von früher. 80 Cent iBeer Das Bierglas auf dem Bildschirm leert sich, wenn man es kippt. Stillt keinen Durst, aber Nachfüllen ist gratis. 2,40 Euro iZen Garden Entspanne beim Gestalten eines Steingartens. Harke Kies und platziere verschiedene Steine darin. 4 Euro

INTERVIEW

"Viel mehr Innovation" "Trism"-Entwickler Steve Demeter aus San Francisco über das iPhone als Spiele-Plattform, den "App Store" und wie man beides noch verbessern könnte Wie schätzt du das Potenzial des iPhones im Bezug auf Spiele ein? Seine einzigartigen Steuerungsmöglichkeiten machen es zu einem Gerät, das jeder unbedingt haben sollte. Der Bildschirm ist der beste seiner Klasse, und seine Prozessoren machen es so schnell wie kein anderes Handy. Außerdem hat Apple mit dem Store ein System geschaffen, in dem die Kunden mühelos Games finden und kaufen können. Das iPhone ist nicht nur ein cooles Mobiltelefon, sondern auch ein vollwertiges Spiele-Handheld. Welchen Trumpf besitzt das iPhone gegenüber DS und PSP? Die Entwickler-Community. Es kostet nur 99 Dollar, Spiele für das iPhone zu entwickeln. Um DS-Entwickler zu werden, muss man mindestens das Zwanzigfache zahlen. Dadurch entwickeln automatisch viel mehr Leute für das iPhone. So treffen Hobby-Programmierer auf Profis, und ich erwarte von dem Austausch der Entwickler viel mehr Innovation auf dem iPhone als je auf einem anderen Handheld. Auf der anderen Seite heißt das aber natürlich auch, dass viel Mist im "App Store" landet - aber durch das Reviewsystem sieht man recht schnell, welche Downloads sich wirklich lohnen. Ist es denn einfach, Spiele für das iPhone zu programmieren? Wie lange hast du an deinem Spiel gearbeitet? 98 Prozent von "Trism" habe ich allein gemacht. Ich habe programmiert, gemalt und designed. Ein Freund hat die Puzzle-Level erstellt, und wir haben einen weiteren Typen engagiert, der die Hintergründe gemalt hat. Es dauerte ungefähr vier Monate, die Idee zu entwickeln. Und dann noch mal vier Monate, sie zu realisieren. Was könnte Apple noch verbessern? Um Spiele zu kaufen, ist der "App Store" toll - aber danach kommt leider nichts mehr. Microsofts "Xbox Live Arcarde" kann da mehr: Dein Account ist mit allen Spielen verknüpft, und deine Punkte -werden zentral gezählt. Das ist wirklich großartig gemacht. Ich habe etwas ähnliches in "Trism" eingebaut. Es gibt Achievements und -Online-Ranglisten, aber eben nur für mein Spiel. Ich bin sicher, dass eine Menge anderer iPhone-Entwickler sich auch so etwas wünschen. Denn es wäre doch großartig, wenn die Spieler verschiedener Spiele untereinander kommunizieren könnten. Text und Interview: Moses Grohé
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von Volker Hansch / September 10th, 2008 /

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