Prince Of Persia

Prince Of Persia

In seinem neuen Abenteuer kommt der Prinz in Begleitung. Das soll Akrobatik und Kämpfe bieten wie nie zuvor. Doch hält das Doppel, was es verspricht? Ein Paar wirbelt über den Bildschirm, hangelt sich an Abgründen entlang, springt von Wand zu Wand. Ein Mann und eine Frau klettern an Säulen empor, laufen wie Spinnen an der Decke, reichen sich die Hand und klammern sich kurz aneinander, wenn sie Positionen wechseln. Im Sprung schleudern sie sich gegenseitig weiter. Es ist ein Tanz, der sich durch drei Dimensionen zieht. Ein Tanz, der die Schwerkraft vergessen lässt, zauberhaft, leicht, elegant. Einer, der die Betrachter wärmt. Und das ist auch dringend nötig, denn es ist kalt in diesem Konferenzraum im dritten Stock des Ubisoft-Studios in Montreal. Fast zu kalt für ein Spiel, das in der Wüste, in der Wärme stattfindet. Ben Mattes entschuldigt sich für das Verhalten der Klimaanlage, die sich ausgerechnet diesen einen Raum in dem fünfstöckigen Backsteinbau für ihre Kühlexperimente ausgesucht hat - der Rest des Gebäudes ist deutlich wärmer. Mattes ist der Produzent von "Prince Of Persia", dem neuen Teil der rund zwanzig Jahre alten Reihe. Routiniert und angespannt zugleich wirkt er bei der Präsentation, und das liegt nicht an der Kälte. Vielleicht will er unbedingt weiter arbeiten an seinem Spiel an diesem Septembertag, drei Monate vor dem geplanten Veröffentlichungstermin, vielleicht ist er genervt von den Fragen, wahrscheinlich zeigt sich aber auch nur der große Druck, der auf ihm lastet. Schließlich verwaltet Mattes das Erbe einer der bekanntesten Videospielreihen. Und er wagt in dem neuen Teil etwas, das nicht schief gehen darf. "Elika darf nicht nerven", sagt er. Elika ist ein Teil des Paares, das auf dem Bildschirm wirbelt, der andere Teil ist der Prinz. Sie haben sich in einem Sandsturm in der Wüste getroffen, der Prinz nach seinem mit Gold beladenen Esel suchend, Elika auf der Flucht vor bösen Wesen. Er ein braungebrannter, vernarbter Abenteurer mit blauen Augen und lässigen Sprüchen, sie die weiß gekleidete dunkelhaarige Ernste mit einer Mission. Gegensätzlich sind sie, doch sie finden bald ihr gemeinsames Ziel: die Welt zu heilen. Denn der dunkle Gott Ahriman wurde durch Torheit und Eifersucht geweckt, lässt das Land in Düsternis versinken und legt schwarze, ölige Fallen. Dunkelheit quillt aus dem Boden und will alles einnehmen. Und nur Elkia kann in so genannten fruchtbaren Gebieten in Lichtsäulen steigen und mit ihrem Gebet das Land in eine Oase zurückverwandeln. Sie lässt Gras sprießen, Schmetterlinge fliegen und verdrängt düstere Klänge mit lieblichen Melodien. Ort für Ort muss sie heilen, bis die ganze Welt wieder gesund ist.

Retterin in der Not

Elika ist jedoch weit mehr als nur eine Heilerin: ein Sicherheitsnetz für den Prinzen. Sie rettet ihn bei Stürzen und schützt ihn, wenn er im Kampf zu fallen droht. Sie ist sein letzter Speicherstand und eine Erweiterung seiner Fähigkeiten. Elika hilft ihm über Abgründe, indem sie mit ihm springt und ihn weiterschleudert, sie setzt magische Attacken ein, um Gegner zu verwirren. Sie ist wie eine zweite Figur, die vom Spieler gesteuert wird. Elika ist essenziell wichtig für das neue Spiel-erlebnis in "Prince Of Persia", mit ihr steht und fällt alles. "Sie muss einfach funktionieren", sagt Mattes - und hofft ingeheim auf mehr: dass sich die Spieler in die braunhaarige Prinzessin verlieben mögen. Draußen in dem lichtdurchfluteten Großraumbüro vor dem Konferenzraum sitzen die Leute, die sich darum kümmern. Auf den Bildschirmen der Programmierer werden Elikas Bewegungsabläufe erstellt, mehr als 150 sind es im fertigen Spiel. Der Faltenwurf ihrer Kleidung wird gezeichnet, Kamerapositionen gesucht, die sie am besten in Szene setzen, und das Zusammenspiel mit dem Prinzen verfeinert. An keiner Stelle des Spiels sollen sich die beiden in die Quere kommen. Wo der Spieler mit dem Prinzen hin- will, soll er sofort hinkommen und nicht darauf warten müssen, dass die künstliche Intelligenz Elika einen Schritt zur Seite gehen lässt. Und das funktioniert hervorragend: Stehen beide auf einem schmalen Balken, fassen sie sich an den Händen und tauschen mit einem Tanzschritt die Plätze, hängen sie an einem Vorsprung, klammert sich Elika kurz an den Rücken des Prinzen, während dieser ihre Position einnimmt. Kein nerviges Geschiebe der Begleiterin ist nötig, alles wirkt flüssig und natürlich. "Die 'Sands Of Time'-Trilogie ist beendet", sagt Mattes, "und ein neues 'Prince Of Persia' muss sich von seinen Vorgängern unterscheiden. Vor allem, wenn es das erste auf der neuen Konsolengeneration ist." Seit drei Jahren arbeitet sein Team an dem Spiel, direkt nach der Fertigstellung von "Prince Of Persia: The Two Thrones" begannen die Vorbereitungen. "Gut für uns war, dass wir auf eine bestehende Techologie zurückgreifen konnten", sagt er. Denn die Engine, das technische Gerüst von "Prince Of Persia", wurde von "Assassin's Creed" übernommen. Das versprach eine brillante Grafik und eine offene Welt. Und so dürfen die meisten Punkte auf der Landkarte des Prinzen schon bald nach Beginn besucht werden, für andere benötigt das Paar Spezialfähigkeiten, die es nach und nach erwirbt. Die können es dann durch die Luft katapultieren und auf vorher unerreichbaren Plätzen landen lassen. Dabei ist die Orientierung einfach: Zwischen bereits geheilten Orten kann sich das Paar teleportieren lassen. Der Weg zu Gegenden, die geheilt werden müssen, wird von Elika mit einer Leuchtkugel angezeigt. Das ist traumhaft einfach - und man hat trotzdem nie das Gefühl, vom Spiel für einen Idioten gehalten zu werden.

Ein Spiel, viele Lieben

Wichtiger noch als die offene Welt ist für Ben Mattes die Begleiterin. Auf sie kommt er immer wieder zurück, während die Zuhörer sich an den Kaffeetassen wärmen. "Begleiter können mehr sein als gesichts- und namenlose Charaktere", sagt er. Sie können die Handlungen des Helden spiegeln, unterstützend eingreifen und der Grund dafür sein, dass die Spieler ein Game ins Herz schließen. In "Half-Life 2" hat das mit der Begleiterin Alyx fantastisch funktioniert, sie wirkte lebendig und transportierte einen großen Teil der Geschichte. Auch im Kritikerliebling "Ico" spielte die Begleiterin ihren Part ganz hervorragend. Hier hieß sie Yorda und war ein kleines, fast schlaftrunkenes Mädchen, das an der Hand der Hauptfigur durch eine verwinkelte Burganlage geführt wurde. Yorda war die erste Spielpartnerin, um die man sich sorgte, die man beschützen wollte, festhalten und nicht mehr loslassen. "Auch um Elika sollen sich die Spieler bemühen", wünscht sich Mattes, der sich in eine Diskussion um die Ähnlichkeiten zwischen "Ico" und "Prince Of Persia" verstrickt sieht: "Sicher sind wir von 'Ico' inspiriert, genauso wie von 'Shadow Of The Colossus' oder 'Okami'", sagt er, "wir lieben diese Spiele - aber wir machen etwas eigenes." Trotzdem wird diese Liebe mehr als deutlich. So sehr, dass "Prince Of Persia" an manchen Stellen wie ein Plagiat wirkt. Die grün leuchtenden Landschaften, die nach der Heilung erscheinen, sind so schön wie die Insel von "Ico", das unwirklich weiß leuchtende Kleid von Elika scheint von derselben Schneiderin zu stammen wie das Gewand von Yorda, die Schergen der Dunkelheit kriechen aus dem Boden wie die Schattenkämpfer in "Ico", und genau wie diese wollen sie die Besiegten in die Tiefe ziehen in ihr schwarzes Reich. Nur dass sie das beim Prinzen nicht schaffen, niemals. Denn dann schreitet Elika ein und rettet den Prinzen. Und das unterscheidet sie von Yorda. Ist diese zerbrechlich, rührend, schutzbedürftig, so ist Elika das Gegenteil: selbstbewusst, stark und mutig. Das macht es schwerer, Fürsorge zu empfinden. Sie wird da schon wieder rauskommen, denkt man, wenn sie im Kampf bewegungslos daliegt, weil sie einen Schlag abbekommen hat. Und tatsächlich: Sobald der Prinz in die Knie geht oder in die Dunkelheit gezogen wird, ist ihre Hand wieder da und holt ihn zurück ins Licht. Wenn man "Prince Of Persia" spielt, tritt das ein, was Mattes vermeiden wollte, als er sagte: "Wir wollen Elika nicht zu stark machen." Elika ist genau das: eine starke Frau, ein ständig bereiter Rettungsanker.

Unbeschwert und leicht

Nimmt das nicht allen Spaß und alle Herausforderung aus dem Spiel? Mattes hält kurz inne. Er kennt die Frage, sie wurde ihm oft gestellt. Er überlegt dennoch sorgfältig. "Interessant an dieser Frage ist, wie sie gestellt wird", antwortet er dann: " Die meisten sagen: 'Ich finde das ja gut, aber werden es die Hardcore-Gamer auch gut finden?' Ich glaube, sie werden es nicht einmal merken. Ihr Ehrgeiz ist es sowieso, ohne abzustürzen durchs Spiel zu kommen - und das werden sie schaffen. Und für alle anderen gilt: Was nervt mehr, ein 'Game over' auf dem Bildschirm mit anschließender Ladezeit oder ein kurzes Zurücksetzen auf den letzten sicheren Punkt, sodass der Spielfluss erhalten bleibt?" Und tatsächlich: Was einem am Anfang als Sicherheitsnetz mit doppelten Boden vorkommt, ist in späteren Sprungpassagen sehr willkommen, denn da stürzt man doch deutlich häufiger ab, als einem lieb ist. Und da wäre ein Nachladen wirklich nicht schön. Spielt man, zurück in Deutschland, das fertige Spiel, erinnert man sich an Mattes' Worte und findet die meisten Versprechen eingelöst. Nur eines geht nicht in Erfüllung: Sein Wunsch, dass man sich in die Prinzessin verlieben möge und den Prinzen gut finden soll. Zu oberflächlich ist dieser mit seinen coolen Sprüchen, die oft deplatziert wirken in der märchenhaften Umgebung. Und Elika bleibt zu mysteriös und offenbart nur wenige Geheimnisse, sodass einem ihre Herkunft bald egal ist. Da hilft auch das ausgeklügelte System wenig, mit dem das Entwicklerteam die wachsende Zuneigung zwischen den Figuren darstellen wollte. "Am Anfang halten sie Distanz," hatte Art Director Mickaël Labat erklärt, "und je näher sie sich kommen, desto engeren Kontakt halten sie." Dennoch mag man den Prinzen und Elika irgendwann. Weil sie als Spielfiguren so wunderbar funktionieren, wie sie miteinander so unbeschwert leicht durch die Welt tanzen und der Schwerkraft immer wieder ein Schnippchen schlagen. Nicht aber wegen ihres Charakters und schon gar nicht wegen ihrer Liebesbeziehung. Die lässt einen nämlich eher kalt. Wie der Konferenzraum in Montreal.

Das Spiel

Akrobatik, Sprünge, Kämpfe - ein gelungenes "Prince Of Persia"-Spiel braucht nur wenige Zutaten: Wenn die funktionieren, kann kaum noch etwas schief gehen. Und in diesem Spiel funktionieren sie. Vom ersten Moment an hat man den Prinzen und seine Begleiterin Elika im Griff. Kreuztaste, Kreis oder Dreieck setzen eine Drehung des Prinzen an einen Wandlauf an, steuern ihn unter der Decke lang oder schleudern das Paar zum nächsten Gegner. Das spielt sich immer flüssig und immer elegant. Genau so laufen auch die Kämpfe ab, ob mit dem Schwert des Prinzen oder der Magie von Elika. Immer besser versteht man, wie beide zusammenarbeiten, und lernt, ihre Fähigkeiten zu kombinieren. Schade nur, dass man sich öfter ein wenig unterfordert fühlt. Was nicht daran liegt, dass der Prinz nicht sterben kann. Vielmehr sind es die doch recht großen Zeitfenster, in denen die richtigen Knöpfe gedrückt werden müssen. Der Ehrgeiz, das exakte Timing zu treffen, wird dadurch etwas gebremst und damit leider auch das Erfolgsgefühl geschmälert. Doch auch das ist mit der Zeit vergessen, denn die zu drückenden Kombinationen werden immer wahnsinniger, nicht zuletzt durch neue Fähigkeiten, die das Paar lernt. Dann werden die beiden durch den Raum geschossen, landen an einer Wand, die sie entlanglaufen müssen, um einen Ring zu ergreifen, der sie zum nächsten Feld führt, das wiederum einen wilden Achterbahnlauf einen Turm empor auslöst. Immer rasanter wird das Spiel, immer atemberaubender die Welten. Gewaltige Maschinen, im leeren Raum schwebende Paläste oder zerfallene Luftschiffe werden zu Schauplätzen, deren Ausmaße man nur noch nebenbei mitbekommt - so sehr ist man irgendwann im Fluss des Spiels gefangen. Das ist toll und lässt einen immer weiter spielen. Unverständlich bleibt nur, warum der Prinz zu einem tumben Aushilfsabenteurer degradiert wurde. Bei ihm hofft man, dass er nie den Mund aufmacht, denn seine pseudocoolen Sprüche über vergessene Badehosen und Strandurlaube zerstören immer wieder die märchenhafte Atmosphäre. Das aber stört tatsächlich nur am Rand, denn "Prince Of Persia" hat die wichtigsten Zutaten genommen, sie erweitert, verfeinert und zu einem wirklich tollen Spiel zusammengesetzt.
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von Volker Hansch / Januar 10th, 2009 /

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