„Wahnsinnig viel Euphorie“

"Wahnsinnig viel Euphorie"

Die beliebtesten Spiele der Welt sind nicht "Halo" und "GTA", sondern Casual Games wie "Bejeweled" oder "Solitaire". Wir haben auf der "Casual Connect"-Konferenz in Hamburg acht Entwickler nach dem Geheimnis ihres Erfolges gefragt

Michael Kalkowski

Geschäftsführer,Gameduell Was ist ein Casual Game? Ein Casual Game ist einfach zu lernen und einfach zu spielen. Du benötigst dafür keine lange Einführung. Casual Games sind für jedermann zugänglich und bedienen somit den Massenmarkt. Was ist das besondere an Gameduell? Unsere Spezialität sind "Skill Games", also Geschicklichkeitsspiele, in denen man sein Können mit anderen Spielern misst und der Gewinner nicht durch Glück bestimmt wird. Unter den Casual Games ist dieses Marktsegment in den vergangenen Jahren sehr stark gewachsen. Besonders beliebt sind Spieleklassiker wie Solitaire oder Rommé. Unsere Skat-Meisterschaft läuft sogar das ganze Jahr. Casual Games dienen eigentlich der Zerstreuung. Ist das kein Widerspruch zu eurem Wettbewerbsprinzip? Nicht unbedingt. Wir bedienen mit denselben Spielen beide Bedürfnisse: Man kann ein Kartenspiel in der Mittagspause zur Entspannung spielen und dann am Wochenende im Turnier gegen andere. Gameduell Wer meint, Kartenspiele wie Skat und 66 oder Puzzleklassiker aus dem Effeff zu beherrschen, kann bei Gameduell Geld- und Sachpreise gewinnen. www.gameduell.de Ein ähnliches Konzept verfolgt auch Skill7: www.skill7.com

Paul Handelman

Lizenzierung, Big Fish Wie wird man reich mit Spielen, die fast gratis sind? Du musst einfach richtig viele verkaufen. Big Fish Games ist der weltweit größte Anbieter von Casual Games. Jeden Tag werden bei uns 1,5 Millionen Spiele heruntergeladen. Selbst mit einem iPhone-Game für 99 Cent kannst du als Entwickler reich werden. Denn der durchschnittliche Casual-Games-Kunde kauft mehr als 20 Spiele im Jahr. Ihr seid bereits dick im Geschäft. Wie wollt ihr weiter wachsen? Ein neues Phänomen sind Spiele als Pausenunterhaltung beim Spielen von anderen Games. Wir versuchen, vermehrt Online-Rollenspieler anzusprechen. Denn die legen bei einer kleinen Unterbrechung ihres MMOs natürlich nicht "Ninja Gaiden" ein, sondern ein Casual Game. Rollenspieler kennst du sehr gut, denn du warst vor der Fusion mit Square US-Präsident von Enix. Worin unterscheidet sich die Casual-Branche vom Geschäft mit RPGs? An Rollenspielen arbeitet man schon mal fünf Jahre. Bei uns ist die Zeit zwischen Entwicklungsbeginn und Erscheinen viel kürzer. Das kann für einen Designer sehr befreiend sein. Wenn wir ein Game fertig haben, können wir es als Download am nächsten Tag herausbringen und viel mehr experimentieren. Statt auf Magazintests setzen wir auf das direkte Feedback der Spieler. In der Casual-Szene ist derzeit wahnsinnig viel Euphorie. Schau dich um: Es ist eine globale Entwicklungskultur geworden. Ich kann alleine in diesem Moment fünf Leute aus der Ukraine herumlaufen sehen. Und sie alle machen tolle Spiele. Ich bin 19 Jahre in der Branche und war nie glücklicher als jetzt. Ich habe gestern mein iPhone verloren und lache trotzdem den ganzen Tag. Mystery Case Files Der neueste Hype unter Casual Gamern sind Spiele, in denen man Objekte in Wimmelbildern suchen muss. Die Serie "Mystery Case Files" gibt es für alle Systeme. www.bigfishgames.de

John Barbour

Präsident, Real Games Wie erklären Sie sich den Erfolg von Causal Games bei Frauen? Bei Hausfrauen hat das Casual Game die Rolle der Fernseh-Seifenoper eingenommen. Ihnen geht es aber nicht nur um Entspannung: Hausfrauen vermissen oft die Herausforderungen der Berufswelt. Casual Games geben ihnen die Möglichkeit, sich zu messen. Wie stellen Sie sicher, dass Real Games Frauen ansprechen? Unsere Hauptkundschaft arbeitet für uns: Wir stellen viele Frauen ein, die Spiele entwickeln und testen. Aber ich bin überzeugt, dass auch das Interesse von Männern an Casual Games wachsen wird - nicht zuletzt dank der Blackberrys oder iPhones: Jeder, der ein solches Spielzeug sein Eigen nennt, zockt darauf Casual Games. Nirgendwo wird so viel kopiert wie im Casual-Sektor. Ist das Game "Zuma" heute ein Hit, erscheinen schon morgen garantiert "Zooma", "Zona" und "Zoomer". Wie gehen Sie mit Klonen von Bestsellern um? Die ganze Welt ist voller Kopien. Aber bei Spielen werden die Konsumenten immer das Original bevorzugen. Denn im Gegensatz zu Handtaschen kostet das bei uns nicht mehr als die Kopie. Real Arcade In der Real Arcade des Streaming-Anbieters Real findet man neben eigenen Games auch die Hits von Firmen wie Popcap ("Bejeweled", "Peggle"). www.realarcade.com

Chris Pasley

Director of Games, Kongregate Hier auf der "Casual Connect" behauptet fast jeder Anbieter, Markt-führer zu sein. Was unterscheidet euch als Independent-Firma von den großen Playern? "Kongregate" ist ein Portal, bei dem jeder Flash-Spiele hochladen kann. Viele unserer rund 10000 Games wurden ohne Budget und Marketinginteressen hergestellt. Wir als Firma kommen aus der wachsenden amerikanischen Indiegames-Szene und haben uns lange ein Büro mit den Machern von "World Of Goo" geteilt. Wer stellt denn alles Games auf eure Seite? Zum Großteil Amateure. Leute, die als Hobby Spiele entwickeln oder solche, die am Anfang ihrer Karriere in der Industrie stehen. Wie finanziert ihr euch, wenn alle Spiele gratis sind? Manche Games blenden am Anfang einen Werbespot ein. Andere finanzieren wir durch den Verkauf von In-Game-Gegenständen. Von den Erlösen geben wir bis zu 50 Prozent an die Entwickler ab. Wir haben allein im vergangenen Vierteljahr 300000 Dollar ausgezahlt. Im Vergleich zu großen Firmen ist das nicht viel, aber für einen Hobbyentwickler sind 2000 Dollar im Monat enorm. Was entgegnest du Spielern, die Games wie eure im Vergleich zu "großen" Titeln für minderwertig halten? Das Gegenteil ist der Fall. Die Entwickler von Flashgames experimentieren mehr und machen unkonventionelle Titel, die nie bei einem großen Studio erscheinen würden. Dadurch, dass die Spieler Noten für die Games vergeben, setzt sich Qualität auch durch. Kongregate Täglich finden sich auf der Site von Kongregate neue, spielerisch und visuell aufregende Games. Chris Pasleys persönlicher Liebling ist "The Unfair Platformer" von Eggy. www.kongregate.com

Patrick Baggatta

Game Designer, Playfirst Casual Games müssen so schnell funktionieren wie keine anderen Spiele: Wenn sie nicht nach einer Minute Spaß machen, habt ihr den Spieler verloren. Wie schafft ihr es, in kürzester Zeit zu faszinieren? Der Spieler muss sofort auf die Essenz des Games treffen. Coole Features obendrauf legen kann jeder. Die Kunst liegt darin, allen Ballast abzuwerfen und den Mut zu besitzen, sich selbst von guten Ideen zu trennen, wenn sie eine Sache unnötig verkomplizieren. Wir müssen dem Spieler sofort das Gefühl geben, er würde etwas Tolles erreichen. Und er darf nicht sterben: Hardcore-Gamer sind an das Konzept des Scheitern gewöhnt. Casual-Spieler fühlen sich dabei unwohl. Das heißt aber nicht, das sie nicht ebenso anspruchs-voll wären. Hand aufs Herz: Würdest du nicht gerne lieber Blockbuster-Games entwickeln? Klar (lacht). Aber aus Limitierungen entstehen bessere Spiele, denn man muss mit dem, was man an Zeit, Menschen und Geld zur Verfügung hat, fokussiert umgehen. Berühmte Spiele sind fehlgeschlagen, eben weil die Entwickler viel Geld zur Verfügung hatten. Casual Games besitzen eine einzigartige Form von Schönheit, denn nur im Kleinen kommt man so etwas wie Perfektion nahe. Ich will lieber ein kleines, fast perfektes Game machen, als einen Blockbuster, der recht gut ist. Diner Dash Dieses Spiel, in dem man unter Zeitdruck in einem Lokal serviert, war so erfolgreich, dass über zehn Sequels und Ableger wie "Wedding Dash" erschienen sind. www.playfirst.com

Ilari Kuittinen

Geschäftsführer, Housemarque Was verstehst du unter einem Casual Game? Die Unterscheidung von Casual und Hardcore- Games hängt für mich nicht allein vom eigentlichen Spiel ab, sondern von der Art und Weise, wie man es spielt. Wenn ein Gelegenheitsspieler stundenlang vor einem Puzzlespiel sitzt und um jeden Punkt kämpft, dann spielt er es hardcore. Genauso kannst du einen Hardcore-Shooter ganz casual angehen, indem du ihn auf einem ganz leichten Schwierigkeitsgrad spielst und entspannt die Szenerie genießt. Ihr besitzt mit Download-Spielen für Konsole einen Sonderstatus unter den Casual-Entwicklern. Wer ist eure Zielgruppe? Wir bezeichnen unsere Games als Core Casual. Das sind Casual Games für Hardcore-Gamer oder Hardcore-Games für Casual-Spieler. Wie auch immer: Unsere Spiele sollen Menschen ansprechen, die bereits eine Geschichte als Gamer besitzen. Vielleicht Leute, die früher viel gespielt haben, aber jetzt nicht mehr so viel Zeit darin investieren können. Super Stardust HD Housemarque aus Finnland entwickeln seit 1995 Games. Ihr bekanntester Titel "Super Stardust" für PS3 und PSP ist ein brillanter Retroshooter. www.housemarque.com

Daniel Bernstein

Gründer, Sandlot Games Wie versucht ihr euch auf dem schier unüberschaubaren Markt der Casual Games durchzusetzen? In der Finanzkrise schauen die Kunden genau hin, bevor sie ein Spiel kaufen. Da hat nur Qualität eine Chance. Wir setzen auf gute Storys. Gelegenheitsspiele mit Geschichten sind die Zukunft, denn der Bedarf nach komplexeren Titeln mit ernsten, erwachseneren Themen steigt. Bitte vollende den folgenden Satz: Casual Games gehört die Zukunft weil ... ... sie eine größere Gruppe von Spielern ansprechen, als Core-Games das je könnten. In Zukunft wird man nicht fragen, ob du ein Gamer bist. Sondern: Was für ein Gamer bist du, und welche Spiele gefallen dir? Cake Mania Jill übernimmt die Konditorei ihrer Großeltern. Kuchenliebhaber rennen ihr derart die Bude ein, dass Jill die Backwaren fertig stellen muss, bevor die Kunden wieder verschwinden. www.sandlotgames.com

Juan Gril

Studio Manager, Joju Was reizt dich an der Entwicklung von Casual Games? Wir bei Joju waren früher alle passionierte Spielhallenspieler. In den Neunzigern fühlten wir uns von der Industrie im Stich gelassen, da diese immer mehr auf langatmige Strategie- und Rollenspiele setzte. Das sind keine Spiele für mich. Ich habe Familie. Mir bleibt am Tag wenig Zeit für Videospiele. Casual Games bringen das alte Arcade-Flair zurück. Was ist die Geheimwaffe von Joju-Games? Da es keinen Pressehype um einzelne Casual-Titel gibt, müssen wir die Spieler rein anhand des Games überzeugen. Da wirkt Humor Wunder! Viele Casual Games werden im Büro gespielt. Um der Tristesse des Arbeitsalltags zu entfliehen, ist Humor das beste Mittel. Bringst du die Spieler zum Lachen, bleiben sie bei dir. Brown Noise Poo Blast In diesem ebenso lustigen wie geschmacklosen "South Park"-Musikspiel gilt es, eine braune Note zu treffen, die alle Zuhörer in ... genau. www.jojugames.com
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von Volker Hansch / April 10th, 2009 /

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