Scribblenauts
Die Welt steckt voller Möglichkeiten. Videospiele reduzieren diese meist auf eine Hand voll. Nicht so „Scribblenauts“: Das Spiel legt uns die Welt zu Füßen und lädt dazu ein, unsere Fantasie an ihr zu erproben
ds | Entwickler 5th Cell | Publisher Warner | Termin erschienen | Preis 40 Euro | USK 6 | Spieler 1
Alles hat mit einer sehr einfachen Frage begonnen“, sagt Marius Fahlbusch, Technical Director von „Scribblenauts“: „Wäre es nicht schön, wenn man auf dem Touchscreen des DS eine Geschichte schreiben könnte, die sofort zum Leben erwacht? Du schreibst mit dem Stylus ‚Ein Fuchs sitzt im Wald‘, und noch während du das schreibst, erscheint zuerst ein Fuchs und dann ein ganzer Wald.“ Unmöglich, sollte man meinen. Niemals könnte man einem Computer beibringen, jeden beliebigen Satz zu verstehen und dann auch noch in bewegte Bilder zu verwandeln – und schon gar nicht
einer kleinen Handheld-Konsole wie dem Nintendo DS. Doch das Entwicklerstudio 5th Cell, das bereits in „Drawn To Life“ die Zeichnungen des Spielers über den DS hüpfen ließ, hat es geschafft. Zwar versteht „Scribble-nauts“ nur Wörter anstatt ganzer Sätze. Und diese Wörter muss man Buchstabe für Buchstabe eingeben. Aber das Spiel kennt mehr als 22000 davon und hat damit einen Wortschatz, der den eines durchschnittlichen Erwachsenen mit seinen lumpigen 9000 im Alltag verwendeten Wörtern weit übersteigt. Und jedes dieser Wörter erscheint unmittelbar, nachdem man es der Konsole per Tastatur oder Schrifterkennung mitgeteilt hat, als gezeichnetes Objekt auf dem Bildschirm – ganz gleich, ob es sich um einen Löwen oder um Löwenzahn, einen Wolkenkratzer oder Gewitterwolken, einen Geschirrspülautomaten oder einen Zombie-Roboter handelt. Und das Schönste: Alle Gegenstände und Lebewesen verhalten sich so, wie man es von ihnen erwartet. Eine Maus frisst Käse, eine Katze die Maus, und ein Elefant nimmt Reißaus, wenn er eine Maus sieht.
„Das ist wie Magie“, sagt Fahlbusch, und er hat Recht. Er selbst hat diese Magie in das Spiel hineinprogrammiert. „Es hätte ewig gedauert, jedes der
Objekte einzeln mit spezifischen Eigenschaften auszustatten“, erklärt er, „deshalb haben wir mit allgemeinen Kategorien wie ‚Säugetier‘ und ‚Fort-bewegungsmittel‘ begonnen, unter die sich viele Begriffe einordnen lassen, und dann einzig die Unterschiede festgelegt.“ Ein Düsenjet, ein Flugsaurier und ein fliegender Teppich können zum Beispiel dazu verwendet werden, sich in der Luft fortzubewegen – ein Traktor hingegen nicht. Es sei denn, man erfindet sich acht, neun Luftballons dazu und macht sie daran fest. Und dass sich Elefant, Katze und Maus die Eigenschaft teilen, Säugetiere – und somit sterblich – zu sein, bekommen sie spätestens dann zu spüren, wenn der Spieler das Wort „Jäger“ eingibt, dieser daraufhin auf der Bildfläche erscheint und augenblicklich seinem Handwerk nachgeht.
Diese unendliche Vielfalt an Möglichkeiten allein macht „Scribblenauts“ zu einem faszinierenden Stück Unterhaltungssoftware, zu einer virtuellen Welt, die einem keine vorgefertigte Fantasie vorschreibt, sondern dazu einlädt, die eigene Fantasie vom Zaum zu lassen.
Problembewältigungsstrategien
Aber „Scribblenauts“ ist nicht nur Spielzeug, sondern auch Spiel. Und dessen Protagonist heißt Maxwell. Wenig ist über den kleinen Kerl mit der exzentrischen, an einen Hahnenkamm erinnernden Kopfbedeckung bekannt. Aber er ist es, der uns dabei zur Hand geht, in 220 Leveln Rätsel zu lösen und Hindernisse zu überwinden. Die Aufgaben, die das Spiel uns dabei stellt, reichen von kinderleichten Aufwärmübungen bis zu harten Kopfnüssen. Immer geht es jedoch darum zu überlegen, welche Alltagsgegenstände, Werkzeuge oder Lebewesen wir aus dem Nichts ins Sein holen könnten, um mit ihrer Hilfe weiterzukommen. Ein gelangweilter Koch etwa ist bereits mit einem Kanten Brot zufrieden. Im Stuntpark hingegen schenken wir Maxwell ein Hoverboard wie aus „Zurück in die Zukunft“ und lassen ihn über eine selbst gebastelte Rampe sausen. Und einem Mädchen, das Angst davor hat, ins Wasser zu springen, kann geholfen werden, indem wir einen komplizierten Mechanismus aus Kisten, Brettern, Alleskleber und einem starken Ventilator hinter ihm aufbauen, der es vom Sprungbrett pustet. Oder wir beschwören einfach einen Grobian herauf, der das Mädchen in den Pool schubst. Zur Belohnung werden dann weitere Level freigeschaltet, und es gibt einen silbernen Stern – den so genannten Starite. Wer dessen Goldausführung bevorzugt, muss den jeweiligen Level dreimal hintereinander durchspielen, ohne je ein Objekt zweimal zu verwenden (siehe Kasten oben). Das ist spätestens beim dritten Durchlauf eine wirkliche Herausforderung an den eigenen Einfallsreichtum. „In einem Level besteht die Aufgabe darin, eine Ente an einer Katze vorbeizuschleusen, ohne dass einem der beiden Tiere etwas zustößt“, sagt Marius Fahlbusch: „Einer unserer Spieltester hat einfach ‚Schrumpfstrahl‘ geschrieben und die Ente auf Taschengröße verkleinert. Daraufhin hat Maxwell sie eingesteckt und ist unbehelligt an der Katze vorbeispaziert.“ Ideen muss man haben – und hat man schließlich eine Lösung heraus, fühlt man sich wie ein Genie.
Noch schwieriger fallen die so genannten Action-Level aus. In ihnen findet sich Maxwell nicht selten in unterirdischen Verliesen wieder, die wie in einem Jump’n’Run-Spiel mit Fallen, Bewegungssensoren, Stacheln und Lavabecken gespickt sind. Um dort in den Besitz des begehrten Starite zu kommen, ist Präzision gefragt und ein gezieltes Spiel mit der Gamephysik. Schließlich gilt es, fallende Bomben umzulenken, unerkannt an Wachen und Beobachtungskameras vorbeizuschleichen und währenddessen nicht in den Tod zu stürzen. Und hier offenbart sich leider auch die einzige Schwachstelle von „Scribble-nauts“: Nicht nur die von uns in die Spielwelt eingeschriebenen Gegenstände und Gestalten werden per Stylus an die gewünschte Stelle gesetzt, in eine bestimmte Richtung gelenkt oder mit anderen kombiniert – auch Maxwell bewegen wir, indem wir mit dem Stylus auf den Bildschirm tippen. Oft interpretiert das Spiel aber Berührungen des Touchpens, die nicht für Maxwell gedacht waren, als Aufforderung, ihn über den Bildschirm springen zu lassen. Dass er dabei vorher mühsam aufgebaute Gebilde umreißt oder gar Selbstmord begeht, ist unschön. Eine Steuerungsalternative, zum Beispiel mit dem Digikreuz, hätte dazu beigetragen, solche Missverständnisse zu verhindern.
Fragen über Fragen
Nicht nur die gelegentliche Frustration über die Spielsteuerung treibt einen jedoch immer wieder zum Start-Bildschirm von „Scribblenauts“ zurück, sondern die schiere Lust am Experiment. Denn dort kann man sich in einem von 15 Schauplätzen – von der Wüste bis zur Weltraumstation – ungehemmt austoben und alle Wörter aus dem Gedächtnis des Spiels an die Oberfläche holen. Denn es gibt so viele offene Fragen: Was geschieht, wenn wir den Elefanten mit einer Bazooka ausrüsten, damit er sich gegen die Maus verteidigen kann? Und was, wenn wir den Weihnachtmann rosa anstreichen, mit Schweinegrippe infizieren und in ein schwarzes Loch randvoll mit Antimaterie werfen? Schützt ein Atombunker wirklich vor einer nuklearen Katastrophe? Und wer ist stärker: Gott oder Teufel? Der Teufel oder Marius Fahlbusch? Wie viele seltene Vogelarten, Nationalgerichte und giftige Chemikalien haben die Entwickler zusammengetragen? Und wohin transportiert uns die Zeitmaschine diesmal? Die Antworten auf all diese Fragen stecken in „Scribblenauts“. Man muss sie nur suchen.
Fazit Jeder, der einen DS sein Eigen nennt, sollte „Scribblenauts“ besitzen. Etwas Vergleichbares existiert nicht auf dieser Welt. Aber ein Großteil dieser Welt existiert in „Scribblenauts“. Für Freunde von „Die Sims 3“, „Little Big Planet“, „Garry’s Mod“
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