New Super Mario Bros. Wii

New Super Mario Bros. Wii

Die englische Werbekampagne vergleicht dieses Spiel mit der Mondlandung oder der Erfindung der Glühbirne – dabei schreibt es weniger selbst Geschichte, als dass es seine goldene Vergangenheit hochleben lässt
Getestet wii | Entwickler Nintendo | Publisher Nintendo | Termin erschienen | Preis 60 Euro | USK 0 | Spieler 1-4
Und der Gewinner ist: Mario! Für unsere Jubiläumsstatistik (ab Seite 70) haben wir auf seitenlangen Strichlisten erfasst, welcher Videospielcharakter am häufigsten in 49 GEE-Ausgaben zu sehen ist. Das Ergebnis: Super Mario befindet sich mit 366 Auftritten, im Schnitt sieben pro Heft, so weit über allen anderen, als hätte er gerade einen Dreifachsprung gemacht. Kein Wunder: Mario ist einfach die Verkörperung von Gaming, die personifizierte Zelebrierung von Spielspaß. Es sei ihm nach dem Ideenfeuerwerk in „Super Mario Galaxy“ deshalb gegönnt, sich in der neuen Folge in der Hauptsache selbst zu feiern. Denn „New Super Mario Bros. Wii“ ist ein buntes Greatest-Hits-Medley bekannter Gegner und Spielelemente – aber Mario wäre natürlich nicht Mario, wenn sein Eigenlob nicht exzellent duften würde. Ein Best-of-Mario muss natürlich mit der Entführung seiner platonischen Liebe beginnen: Am Geburtstag von Prinzessin Peach springen Bowser Jr. und seine Komparsen aus der Torte und zerren die royale Dame auf ihr Luftschiff. Mario, Luigi und zwei Toads rasen ihr in acht Welten hinterher. Die Stimmung im Mushroom Kingdom ist dabei stets ausgelassen: Bäume und Blumen wippen im Takt der Musik, Gumbas machen Freudenhüpfer. Die einzelnen Eis-, Wüsten- oder Wasserwelten des Spiels bestehen aus einer Karte, von der aus die Level betreten werden. Dort stehen auch Geisterhäuser, Schlösser mit Zwischen- und Endgegnern oder Pilzhütten herum, in denen 1ups oder Gegenstände gesammelt werden können. Die Level ähneln denen von „New Super Mario Bros.“ auf dem DS, das vor drei Jahren die Retro-Mario-Welle einleitete, sind aber neu erschaffen worden. Grafisch wirken die Stages allerdings wie vom Handheld hochskaliert. Dafür gibt es richtig viele unterschiedliche Levels – alles andere wäre bei dem niedrigen technischen Produktionsaufwand auch eine Enttäuschung gewesen.

Die gute alte Schule

Wie es sich für ein Fest der Tradition gehört, wirken viele Spielelemente ungemein oldschool: Acht rote Münzen stehen zum Sammeln bereit, die Endgegner geben erst Ruhe, wenn wir ihnen dreimal auf dem Kopf gesprungen sind, und versteckte Warp-Kanonen schießen uns mehrere Welten weiter – ein Spielelement, das heute leider kaum mehr Verwendung findet. Die Spielentwickler sind zu eitel geworden, Gamer mal eben ein Drittel ihres Werkes überspringen zu lassen. Aber anstatt uns dabei zu langweilen, begrüßen wir die Wiederbegegnungen mit Bekannten wie den watschelfüßigen Bob-ombs oder dem Schildkrötenpanzer-werfenden Lakitu auf seiner Wolke. Besonders die Soundeffekte werfen uns Jahre zurück: Das arcadige „Blip, blip“ beim Schuss einer Feuerblume oder das „Müüt müüt müüt“, wenn wir eine grüne Röhre betreten, beamen uns nicht nur in die Historie von Mario zurück, sondern auch in unsere eigene Geschichte, in frühere Lebensabschnitte, in denen wir die Nintendo-Klassiker gespielt haben. Der Riesenerfolg der DS-Episode hat gezeigt, dass viele Spieler sich gern auf Nostalgietrips begeben: Von dem Handheld-Game wurden 20 Millionen Exemplare abgesetzt, erheblich mehr als von „Super Mario Galaxy“ (acht bis neun Millionen). Den Entwicklern haben beide Titel als Inspiration gedient: Der blaue Pilz aus dem DS-Spiel schrumpft Mario auf Liliputanergröße, sodass er nur noch Piepslaute von sich geben kann. Dafür rennt er so schnell, dass er auf Wasseroberflächen nicht untergeht. Aus „Galaxy“ stammt die Eisblume, mit der Mario Gegner gefrieren lässt, sodass aus ihnen im Wasser schwimmende Eisklötze entstehen, über die er abgelegene Eingänge erreichen kann. Zwei Fähigkeiten sind neu hinzugekommen: ein Pinguin-Anzug, in dem Mario herzzerreißend korpulent vor sich hinwatschelt und mit dem er auf Eis schliddern und schneller tauchen kann. Und ein beim Namen genommener Fliegenpilz, der Mario in einen Flugdress mit Propeller steckt, der durch Schütteln der WiiMote zum Rotieren gebracht wird. Diese neuen Fähigkeiten sind bitter nötig, denn bei all der Partystimmung ist dieses Spiel überraschend schwer. Die Lebenzahl springt nur so herunter, zumindest wenn man versucht, die drei in jedem Level besonders schwer zu erreichenden Goldtaler zu sammeln – und das ist in einem Mario-Game ja wohl Ehrensache. Deshalb ist die im Vorfeld geführte Diskussion über den „Superassistenten-Modus“ eher hinfällig: Wenn Mario in einem Level acht Mal stirbt, erscheint ein Ausrufezeichenblock. Berührt er ihn, kann Mario die Stage automatisch beenden lassen. Der Level wird dann übersprungen und als nicht geschafft vermerkt. Dass ausgerechnet Luigi herbeieilt und alle Hindernisse mit Finesse meistert, ist freilich eine Demütigung. Hardcore-Gamer, die so einen Assistenten natürlich nie nutzen würden und die den Modus im Vorfeld als Nintendos endgültige Anbiederung an Nicht-Spieler gebrandmarkt hatten, werden aber ebenso vom Spiel belohnt: Gesammelte Goldtaler schalten Videos frei, in denen Speed-Runs oder abgefeimte Moves gezeigt werden. Eine clevere Mechanik ist das. Denn wer einmal richtig in das Spiel eingestiegen ist, wird auf diese Weise dazu animiert, sich noch tiefer reinzuknien. Mit den dort abgeguckten Taktiken kann anschließend im Multiplayer-Modus angegeben werden: Bis zu vier Spieler können darin das Spiel gemeinsam bestreiten oder einander in Sonderleveln goldene Münzen vor der Nase wegschnappen. Online-Rollenspiele und Netz-Coops in allen Ehren: Zu viert an einem Fernseher zu spielen gehört immer noch zum Besten, das Games zu bieten haben. Besonders toll ist die Vielzahl kooperativer Moves: Mario, Luigi und die beiden Toads können gemeinsam fliegen, sich schleudern oder eine Massenstampfattacke auslösen. Wenn alle auf-, über- und untereinander herumhüpfen, entsteht ein herrliches Chaos. Wer den Multiplayer jedoch ernst nimmt und mit mehr als zwei Spielern die Kampagne bestreiten möchte, dürfte enttäuscht werden: In den späteren Sta-ges sind konzertierte Aktionen nur bedingt möglich, denn die Plattfor-men sind oft zu klein, um allen Figuren Platz bieten zu können. Ansons-ten ist das Leveldesign ohne Fehl und Tadel und eine ganze Ecke inspirier-ter als beim im Nachhinein etwas faden DS-Teil. Die Magie und Innovationskraft der besten 2D-Mario-Jump’n’Runs wie „Super Mario Bros. 3“ oder „Yoshi’s Island“ wird jedoch nicht erreicht. Aber im neuen Teil geht es eben nicht um das Neuerfinden, sondern um das Neuerfahren von Tradition. Und wenn es so weitergeht, dürfte diese noch über viele Jahre Bestand haben. Bei der hundertsten GEE-Ausgabe können wir uns das Auszählen der am häufigsten im Heft abgebildeten Charaktere also vermutlich sparen.

Fazit

Wer Geisterhäuser und Wüstenlevels über hat, dürfte bei dieser Retroparty nicht alt werden. Die restlichen 99 Prozent der Spieler stoßen an auf ein lustiges und forderndes Spiel, wie es nur Nintendo hinbekommt. Für Freunde von „Wario Land – The Shake Dimension“, „Little Big Planet“
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von Heiko Gogolin / Dezember 13th, 2009 /

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