Spätestens wenn in der 15. Minute der ersten Folge die Missionsregeln erklärt werden, merkt man, dass dieses Drehbuch ein Gamer verfasst hat. Einer, der bereits in seinen Jugendromanen die reale Welt zur Kulisse für spielerische Herausforderungen formte. Man erinnere sich etwa an den Roman „Finn released“, in dem sich drei Teenager das Ziel setzen, den ganzen Tag immer nur geradeaus zu gehen und nach links und rechts nicht weiter auszuweichen als sieben Meter.
Lukas Glaser, der Protagonist der Webserie „Eiskalt zur Spitze“, ist zwar deutlich älter als Finn und seine Kumpels, zu Beginn der Geschichte aber ähnlich kindisch. Ganz ohne Ironie schwärmt er seiner in der Eis- und Klimaforschung tätigen Freundin Laura und deren Kollegin Linda im VIP-Bereich eines Clubs von dem tschechischen Milliardär vor, der in einem Bugatti Chiron mit 417 km/h über die deutsche Autobahn gerast ist und den Rausch gefilmt hat. Ein weiteres Motiv, das an ein Spiel erinnert. Lukas ist oberflächlich, laut, selbstherrlich… und wird doch im Laufe der ersten Folge mit einer Mission konfrontiert, die ihn im Fortgang nicht nur mit praktischen Hindernissen, sondern auch mit sich selbst konfrontiert.
Das Eis ist alle, in der Bar, und die mysteriöse Barkeeperin schickt Lukas zum „Eismacher“, einem noch viel seltsameren Gesellen, der in einem industriellen Lost Place (noch so eine game-artige Kulisse) ganze Eisblöcke gebiert: „Eis ist ein Wunder!“ Immer noch desinteressiert an der Kunst und der Forschung der Kälte, schlägt Laura eine Kerbe in Lukas‘Ego, als sie ihn einen lebensuntauglichen „Laberfürst“ schimpft. „Was soll ich denn machen?“, fragt er, „soll ich das Scheißding wieder zurück zu seinem Gletscher bringen oder am besten noch oben an die Zugspitze, weil’s da ja hingehört?“ Er soll. Mit einem Koffer voller eutektischer Platten, die den Eisblock kühl halten, tritt er seine Quest an. Fünf Tage Zeit, maximal fünf Mal frisch kühlen, aus den Tiefen Bochums in die klirrkalten Höhen des Berges.
GEE-Mitarbeiter Oliver Uschmann debütiert mit „Eiskalt zur Spitze“ als Drehbuchautor und füllt die Mischung aus Dramedy, Heldenreise und Infotainment mit einer Menge Seele und Humor. Die Schauspieler wie Nicolas Handwerker, Sarah Alles und Paula Essam sind Entdeckungen voller Spielfreude; in Nebenrollen mag der ein oder andere Markus Knüfken und Martina Eitner-Acheampong aus wahren Kultstoffen wiedererkennen. Ersterer war Andreas „Andy“ Fink in „Bang Boom Bang“, Letztere Erika Burstedt in „Stromberg“.
Das von Westwind Medien produzierte und von Dominik Buch im Regiestuhl inszenierte, vierteilige Abenteuer ist außerdem zugleich ein Recruitung-Tool der Firma SECO aus Bochum, die dadurch junge Menschen motivieren will, als berufliche Quest ihres Lebens eine Ausbildung in der ebenso anspruchsvollen wie sinnhaften Kältetechnik anzutreten. Was diese für die Ressourcenoptimierung, das Klima, aber auch die persönliche Lebensplanung tun kann, wie es um die Gletscher steht oder durch welch einfache Maßnahme sich ein ganzes Kraftwerk einsparen ließe, erfährt man während des Abenteuers in Form von Einspielungen des fiktionalen YouTube-Kanals „Lindatainment“. Sehr verspielt das Ganze, in jeder Hinsicht, und auf jeden Fall den kostenfreien Blick auf YouTube wert.
Autor - Sebastian Alt
Kanal bei YouTube mit Trailern und fortlaufenden Folgen:
https://www.youtube.com/@eiskaltzurspitze
Webseite der Serie wie der Recruiting-Kampagne
https://www.eiskaltzurspitze.de