Schöne Aussichten

Schöne Aussichten

Vor 15 Jahren machten Videospiele noch tüdelüt biep biep. Heute sehen sie fast schon aus wie die Wirklichkeit. Aber wie werden Videospiele in 15 Jahren sein? GEE hat sieben Entwickler nach ihren Zukunftsvisionen gefragt

01 Will Wright „Die Sims“, „Sim City“
„In 15 Jahren wird es keine vorprogrammierten Spiele mehr geben. Es wird auch keine festgeschriebene Handlung mehr geben. Die meisten Spiele werden auf Algorithmen basieren, die einen bestimmten Rahmen geben. In diesem Rahmen ist dann alles möglich. Zum Beispiel werden Städte in Spielen von Menschen bevölkert sein, die nicht mehr auf programmierten Wegen gehen, sondern ihr eigenes Leben leben.“
02 Ted Price „Spyro“, „Ratchet & Clank“
„In 15 Jahren wird es keinen Unterschied mehr zwischen Spielen und der Realität geben. Wenn dich ein Entwickler in ein brennendes Raumschiff, auf die Spitze des Mount Everest oder in ein römisches Kolosseum 100 Jahre vor Christus stellen will, dann wirst du glauben, du bist genau da. Der Schlüssel liegt in einer Revolution der Spiele-Peripherie. Vergiss Fernseher oder Controller. Wir reden von Helm-Displays und Geräten, die dich die Spiele fühlen lassen. Mein persönlicher Traum ist es, nach der Arbeit ein paar Drachen abzuschlachten, statt ins Fitness-Center zu gehen. Stell dir vor, du hast optische Sensoren, die deine Bewegungen registrieren (Eye Toy ist erst der Anfang!), ein Helm-Display und eine haptische Vorrichtung, die dich denken lässt, dass du wirklich ein Schwert in der Hand hältst. Mit diesen Geräten wäre alles schon verdammt realistisch. Und deine Einrichtung vermutlich hin. Wenn du das vermeiden willst, entscheidest du dich einfach für die Gehirnwellenübertragung und bleibst auf dem Sofa sitzen. Helm-Displays waren vor zehn Jahren eine Mode-Erscheinung, aber ich bin mir sicher, dass sie zurückkommen werden, weil sich die Display- Technologie rasend schnell entwickelt. Zumindest, bis die Gehirnwellenübertragung auch für Spiele funktioniert. Dann kann der Spieler total in die virtuelle Welt abtauchen. Genau das ist ja das Ziel von Entwicklern. Okay, die Spiele von heute sehen fast fotorealistisch aus. Aber wie real kann das Spielerlebnis werden, wenn die Umgebung die Größe des Fernsehbildschirms hat?“
03 Peter Molyneux „Populous“, „Syndicate“ und „Black & White“
„Die Welten in Videospielen werden immer größer. Spiele wie GTA haben den Weg gezeigt. In 15 Jahren wird es Spielewelten geben, die in ihrer Dimension als virtueller Ort nicht mehr greifbar sind. Dann wird San Francisco in einem Spiel nicht mehr von der realen Stadt zu unterscheiden sein.“
04 David Braven „Dog’s Life“
„Eins ist klar. Schon heute ist es nicht mehr die Grafik, die ein gutes Spiel ausmacht, sondern der Inhalt. Diese Bewegung wird sich fortsetzen. Ich glaube, dass durch immer höhere Rechenleistung echte künstliche Intelligenz in Videospiele einziehen wird. Die Interaktion zwischen Spieler und anderen Figuren wird nicht mehr auf einem so niedrigen Level wie Töten stattfinden, sondern eher sozialer Natur sein. Es wird echte Gespräche mit virtuellen Charakteren geben. Eine Kamera erfasst die Körpersprache oder die Mimik des Spielers und das virtuelle Gegenüber reagiert darauf.“
05 Rand Miller „Myst“, „Myst: Exile“, „Uru: Ages beyond Myst“
„In der Zukunft wird sich alles um Online drehen. Es geht darum, die Möglichkeiten einer schnellen Breitband-verbindung innovativ und kreativ zu nutzen. Die Möglichkeit einer globalen Verbindung wird in heutigen Spielprinzipien nicht umgesetzt. Die Online-Spiele von heute kratzen gerade mal an der Oberfläche.“
06 David Perry „Earthworm Jim“, „Enter the Matrix“
„In der nahen Zukunft können wir mit Spracherkennung und besserer künstlicher Intelligenz in Videospielen rechnen. Gegner werden selbstständig agieren, statt auf den vorgegebenen Pfaden der Entwickler zu wandeln. In 15 Jahren werden wir uns mit Figuren im Spiel unterhalten können wie mit echten Menschen. Der Spieler kann dadurch eine echte emotionale Bindung zur Figur im Spiel aufbauen. Stirbt zum Beispiel diese Figur, wird er das als persönlichen Verlust empfinden.“
07 Michel Ancel  „Rayman“, „Beyond Good and Evil“
„Das Wichtigste ist, dass wir vom Fernseher loskommen. Der erste Schritt dahin werden 3D-Displays und Bewegungssensoren sein. Du wirst vor einem großen Bildschirm stehen, und dieser Bildschirm wird sein wie das Fenster zu einer neuen Welt. Alle deine Bewegungen werden registriert, du kannst mit dem Spiel sprechen und brauchst keinen Joystick. 3D- Fernseher, Bewegungssensoren, Spracherkennung – das alles gibt es schon. Es muss nur noch Vieles weiterentwickelt werden. Der nächste Schritt ist der Matrix-Schritt. Bereits jetzt gibt es Computer, die Blinde sehen lassen. Die Bilder einer Kamera werden in elektrische Impulse verwandelt, die das Gehirn des Blinden verstehen können. Bis jetzt können nur vereinfachte Impulse übermittelt werden. In 20 Jahren werden die Signale eine andere Qualität haben. Das normale Sehen wird dann einfach durch das Spielebild ersetzt. Wenn die elektrischen Impulse auf alle fünf Sinne übertragen werden, kannst du das Spiel fühlen, riechen, schmecken. Prototypen für all diese Geräte gibt es bereits. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie richtig funktionieren.“ Illustration: Jindrich Nowotny
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von Volker Hansch / November 10th, 2003 /

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