Krieg im Netz

Krieg im Netz

Spiele wie "Battlefield 1942" oder "Call Of Duty" sind extrem populär. Aber im Laufe der Zeit haben sich, unbeachtet von der Öffentlichkeit, Spielergemeinschaften gebildet, in denen Militaristen und Hitlerfans die verlorenen Schlachten der Wehrmacht am Rechner noch einmal schlagen – um diesmal zu gewinnen

Der Mann mit dem eindeutigen Namen Albert Hilter ist kein Nazi. Ein Revisionist ist er auch nicht. SS-Fan? „Nein.“ Nicht mal Militarist?  Er sagt: „Um Gottes Willen!“ Aber der Name? Na ja, gut, der Name ist eine Anspielung, aber das habe gar nichts zu bedeuten. Völlig wertfrei. „Wer so was behauptet, hat schlicht keine Ahnung, alles böswillige Unterstellung. Ich liebe den Spaß am Spiel, treffe mich gern mit interessanten Leuten und mag Taktik und Planung.“ Hitler, Entschuldigung: Hilter, ist Mitglied im Computerspielerclan „Das Dritte Reich“. Sein Lieblingsspiel heißt „Return To Castle Wolfenstein“, ein Egoshooter, bei dem der Spieler in die Rolle eines Naziprotagonisten schlüpfen kann. „Wir wollen ja nicht in Polen einmarschieren“, sagt Hilter. Aber, na gut, das müsse man schon zugeben, und das sei ja auch selbstverständlich, man kämpfe nun mal für die Ehre des Vaterlandes und die Arterhaltung der weißen Rasse. Hilter, der im Netz Mitspieler für seinen Clan sucht, ist offenbar anfällig für rechtes Gedankengut, aber er muss nicht mal ein überzeugter Nazi sein, vielleicht ist das Gerede genauso Provokation wie der Name. In jedem Fall aber wird er geködert von dem, was der deutsche Verfassungsschutz „Erlebniswelt Rechtsextremismus“ nennt. Neben Büchern und Musik zählen dazu heute in erster Linie Computerspiele. In einigen gut organisierten Spielergemeinschaften von Kriegsspielen wie „Day Of Defeat“, „Battlefield 1942“, „Call Of Duty“, „Sudden Strike 2“, „Medal Of Honor“ und eben „Wolfenstein“ halten Neonazis die Fäden in der Hand und ziehen unbedarfte Jugendliche über den Spaß am Spiel in den braunen Sumpf. Während deutsche Clans, trotz Namen wie „SS Elite Clan“ oder „Wolfsclan“, vorsichtig sind und sich in aller Regel von faschistischen Umtrieben distanzieren, wird vor allem im Ausland dem Dritten Reich gehuldigt, was das Zeug hält. So macht sich etwa der „Call Of Duty“-Clan „Das Reich“ aus Australien keine Mühe, seine Gesinnung zu verstecken: Der User wird von einem Reichsadler begrüßt, der auf einem Lorbeerkranz sitzt. In dem Kranz findet sich ein gezacktes N, das stark an das Hakenkreuz erinnert. Mitglieder des Clans müssen als Deutsche Krieg spielen und deutsche Uniformen tragen, inklusive Hakenkreuzbinde und SS-Mantel. Die Mitglieder schwören dem Clan absolute Treue bis in den Tod, wobei Selbstmord des virtuellen Charakters unehrenhaft ist. Oberste Befehlsgewalt hat der Gründer des Clans, der „Führer“, der dabei vom „Minister für Propaganda“ unterstützt wird. Besonders gute Spieler bekommen Medaillen; es sind die gleichen, die auch die Wehrmacht verlieh. Und wem das nicht reicht, der kann auch Kaffeetassen, T- Shirts und Schlüsselanhänger mit dem Reichsadler und der Aufschrift „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ kaufen, Postauslieferung allerdings nur in Australien. Selbstverständlich werden auch Hakenkreuze zum kostenlosen Download zur Verfügung gestellt. Mit solchem Service hält sich der US-amerikanische „5th SS-Panzerdivision Wiking“-Clan des Spiels „Day Of Defeat“ gar nicht auf. So werden auf seiner Homepage, neben dem obligaten Hakenkreuz, in einer Abteilung namens „Propaganda“ Wehrmachtsvideos und Soldatenkunst gezeigt, zwei Clicks weiter findet sich dann auch die Botschaft: „Guns don’t kill people. Black people do.“ Beide Clans sind übrigens auf der Suche nach Mitspielern. „Dass sich Videospiele für ideologische Überzeugungsarbeit eignen, ist keine Frage“, sagt Jan Buschbom, wissenschaftlicher Mitarbeiter der brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung in Potsdam. „Die große Gefahr geht von der Gewöhnung aus.“ Wenn politisch unbelastete Jugendliche zusammen mit Neonazis in Clans spielten – natürlich immer auf der Seite der Wehrmacht – dann würden sie in der Regel von ihren Mitspielern so oft beiläufig mit historischen Unwahrheiten konfrontiert, bis sie diese irgendwann übernähmen. Eine Einschätzung, die auch der Verfassungsschutz teilt. Durch ein Spiel wie „Battlefield 1942“ würden vor allem Teenager angesprochen, die durch Printmedien und Aufklärung kaum zu erreichen seien. Die Glorifizierung des Militärs tue ein Übriges: Sie bewirke eine unbewusste Gehirnwäsche. Auch Hemmungen gefestigter Menschen, sich dem Milieu zu nähern oder sich mit rechtsnationalen Ideen auseinander zu setzen, würden nach Einschätzungen der Verfassungsschützer durch diese Spiele kleiner. Die NS-Ideologie könne leicht in die Meinung von weniger gefestigten Spielern durchdringen und in den meinungspolitischen Mainstream wechseln. So beschwert sich etwa ein Kunde im Forum des Internethändlers Amazon darüber, dass es bei „Sudden Strike 2“ nicht möglich sei, auf Seiten der Waffen- SS zu spielen, ohne vorher eine alliierte Mission abgeschlossen zu haben. Das sei, schreibt er, eine ganz große Frechheit. „Diese Entwicklung bereitet uns Sorge“, sagt Rabbi Abraham Cooper vom Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles. Weltkrieg-2-Spiele und die daran angeschlossenen Foren seien ein besonderes Problem. „Durch die Verengung des Krieges auf seinen militärischen Aspekt“, so Cooper, „wird Geschichte banalisiert.“ So hätten viele jugendliche Spieler vom Zweiten Weltkrieg keine Ahnung. „Diese Spiele betrachten nur den militärischen Hintergrund, die soziale, politische und ideologische Komponente bleibt völlig außen vor.“ Natürlich ist grundsätzlich nicht Schlimmes dabei, Kriegstaktiken nachspielen. Aber: „Die Ideologie, unter der die deutschen Soldaten damals kämpften und die politischen Ziele des Dritten Reichs werden nicht erwähnt.“ Verfechter von Nazi-Ideologien hätten es in Kriegsspielforen daher leicht, Mitspieler auf subtile Weise für ihre Sache zu rekrutieren. Allerdings gibt es nach Auffassung des Verfassungsschutzes bisher kein organisiertes oder ideologisches Zentrum dieser Bewegung. Zwar gebe es viele Umtriebe von Neonazis in diesem Bereich, aber sie seien unabhängig voneinander organisiert und nicht hierarchisch. Die subkulturell geprägte Skinhead-Szene suche sich jedoch Spiele, die ihrer Anschauung entsprächen. Die Rekrutierung von Nachwuchs über Videospiele ist dabei nichts Neues. „Wir wollen junge Menschen erreichen. Dieses Medium macht es uns leicht“, sagte William Pierce, bis zu seinem Tod 2002 Übervater der US-amerikanischen Neonazibewegung „National Alliance“, bei der Vorstellung des Videospiels „Ethnic Cleansing“ – ethnische Säuberung. „So lange elektronische Spiele viele Menschen ansprechen, haben wir die Pflicht, sie für die Verbreitung unserer Botschaft zu nutzen.“ In dem 2002 veröffentlichten „Ethnic Cleansing“ geht es darum, Juden, Schwarze und Lateinamerikaner zu erschießen. Der Protagonist, wahlweise ein maskiertes Ku-Klux-Klan Mitglied oder ein Skinhead, kann sich zehn mit rassistischen Postern und Symbolen gepflasterte Level hocharbeiten. Auch die amerikanische Hitlerkarikatur Gary Lauck, der auf seiner Homepage mit Seitenscheitel, braunem Hemd und Oberlippenbart auftritt, wirbt mit einer Modifikation des Shooters „Doom“ um Nachwuchs – erfolgreich, wie er sagt. „Dank des Spiels hatte unsere Website mehr Besucher als je zuvor.“ Die in Deutschland mittlerweile verbotene Naziorganisation „Blood&Honour“ verkündet auf ihrer Website: „Das Internet hat mehr zu unserer Vereinigung beigetragen als irgendein Pamphlet, das jemals gedruckt worden ist. Deine Waffenbrüder sind lediglich einen Mausklick entfernt.“ „Die Zahl der extremistischen Internetseiten hat in den letzten Jahren stark zugenommen“, weiß Rabbi Abraham Cooper. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum dokumentiert die Webaktivitäten extremistischer Gruppen jedes Jahr in einem Buch namens „Digital Hate Report“. Neonazis operierten immer jugendorientierter und bedienten sich aller ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Cooper betont: „Das Internet eignet sich hervorragend, um Menschen zu manipulieren.“ Die Anzahl der von Deutschen betriebenen rechtsextremistischen Homepages blieb im vergangenen Jahr mit etwa 950 Seiten auf konstant hohem Niveau. Die Mehrzahl der deutschen Internetseiten mit strafbaren Inhalten wird dabei anonym über das Ausland ins Netz gestellt, vornehmlich über die USA und verstärkt auch über Russland. Gaming-Clans und Webseiten sind Teil einer ideologischen Offensive, die zwar nicht zentral gesteuert ist, aber doch auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet. Rechtsextremistische Intellektuelle wie etwa der NPD-Anwalt Horst Mahler träumen schon lange von einer Kulturrevolution von rechts. Mit einem Kampf um die politische Meinungsführerschaft wollen sie die grundlegenden Wertvorstellungen des demokratischen Verfassungsstaats verändern. Popkulturelle Produkte wie Videospiele, Musik und Zeitschriften spielen bei diesen Planspielen eine große Rolle. Ende 2004 zählten die Verfassungsschützer nicht weniger als 168 rechte Organisationen mit zusammen 40700 Mitgliedern und Sympathisanten. Die Zahl derjenigen Neonazis, die durch Games und Clans gewonnen wurden, ist selbstverständlich rein spekulativ. Trotzdem: Selbst bei Clans, die sich ausdrücklich von den Naziverbrechen distanzieren, wird das Militär des NS-Staats weitgehend unkritisch zur Schau gestellt. In den Foren von Spielen wie „Frontline 18“ oder „Battlefield 1942“ unterhalten sich Spieler, die „Tirpitz“ und „Jagdpanther“ heißen, über Regimenter, Waffen und Gefechtsaufstellungen. Im offiziellen Forum für „Day Of Defeat“ gibt es einen eigenen Diskussionspunkt „Militärgeschichte“. In der Rubrik tauschen sich die Teilnehmer über die letzten Worte sterbender Soldaten aus, sie tauschen Adressen von Leuten, die Stahlhelme zum Verkauf anbieten, und diskutieren den Verlauf aller möglichen Kriege. Faktennähe ist ausdrücklich erwünscht. Das sehen auch die Hersteller der Spiele so. Electronic Arts („Medal Of Honor“) arbeitet eng mit der Congressional Medal Of Honor Society zusammen, die über die höchste militärische Auszeichnung der USA wacht. Man verspricht sich so mehr Realitätsnähe. Activision („Call Of Duty“) versucht die Originalgeräusche der damals benutzten Waffen für seine Spiele aufzunehmen. So schaffen die Hersteller unbeabsichtigt Plattformen, auf denen sich, vom unpolitischen Gamer bis zum stramm rechten Neonazi, jeder spielerisch austoben kann. Die Begeisterung für Waffentechnik tut ihr Übriges und eint Unpolitische, Militaristen und Rechtsextreme. „Hakenkreuze werden hier zu Stil-Ikonen erhoben“, sagt Rabbi Cooper. „Der Spieler wählt den Soldaten mit dem Hakenkreuz, weil das womöglich schick aussieht. Und am Ende des Prozesses wird die faschistische Ideologie in den Mainstream erhoben.“ Text: Phillip Kohlhöfer
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von Volker Hansch / April 10th, 2006 / 1 Kommentar

1 Kommentar

  1. Basti sagt:

    Genau solche Leute haben wir letztens in BF Heroes getroffen. Super ätzend! Die meinten auch, dass wir nichts checken würden und wie witzig es wäre sich „Hilter“ oder ähnlich zu nennen. Solche Accounts müssen sofort gesperrt werden! Erst in der Schule nicht aufpassen und dann den witzigen Nazi im Internet spielen… Diese Leute müsste man öffentlich bloß stellen können.