Die Simpsons

Die Simpsons

Im Spiel zur besten TV-Serie der Welt beweisen die gelben Bewohner von Springfield, dass sie das Zeug zu echten Videospielhelden haben

Gerade erst haben die Simpsons den Sprung ins Kino geschafft und sich dort wacker geschlagen. Sehr zur Erleichterung vieler Fans, die daran zweifelten, dass sich Humor und Stil der Zeichentrickserie auf die große Leinwand übertragen lassen. Nun legt Electronic Arts mit dem Video-spiel "Die Simpsons" nach, und erneut gilt es die Skeptiker zu überzeugen. Grund dafür gibt es genug, denn von den bisher erschienenen Simpsons-Games wird mit Sicherheit keines als Meisterwerk in die Geschichte der Videospiele eingehen. Das muss auch den Entwicklern von "Die Simpsons" bewusst gewesen sein, denn sie haben so eng wie noch nie mit den Autoren und Zeichnern um Matt Groening - dem Schöpfer der Simpsons - zusammengearbeitet. Und das merkt man dem Spiel in jeder Minute an. Weder handelt es sich um ein hastig zusammenprogrammiertes Spiel zum Film noch um einen weiteren "GTA"-Klon im Simpsons-Universum. Stattdessen werden die Welt und Charaktere der Fernsehserie im authentischen Cel-Shade-Look zum Leben erweckt, was jederzeit den Eindruck hervorruft, man hätte eine interaktive Simpsons-Folge vor Augen. Und die nimmt ihren Anfang an einem äußerst beunruhigenden Ort: in Homers Gehirn. Im Traum trippelt Homer verzückt durch ein Schlaraffenland, das nur aus Süßigkeiten besteht. Dort wird er jedoch von Horden gehässiger Schokoladenosterhasen angegriffen, die ihn mit seinen verdrängten Komplexen und Wahrheiten über sein trauriges Leben konfrontieren. Homer wäre aber nicht Homer, wenn er sich davon beeindrucken ließe. Durch giftgrüne Rülpser kann er die Hasen betäuben und danach verputzen. Hat er genug Kalorien intus, kann er sich dann zu einem riesigen Homer-Ball aufblasen und alles, was ihm in die Quere kommt, einfach überrollen. - Nicht die einzige Hommage an "We Love Katamari", die im Spiel zu finden ist. Später wartet mit dem skurrilen "Big Super Happy Fun Fun Game" noch ein ganzer Level auf den Spieler, der von japanischen Games inspiriert ist. Inklusive rundenbasierter Bosskämpfe à la "Pokémon" und einem spektakulären Auftritt von Milhaus als asthmatischem König des Kosmos.

Willkommen in Springfield

Spätestens wenn man nach dem Tutorial - denn um nichts anderes handelt es sich bei Homers Traum - in die Rolle von Bart Simpson schlüpft und mit einer Zwille bewaffnet aus dem liebevoll nachgebauten Haus der Simpsons ins Freie tritt, geht einem das Fan-Herz auf. Ganz Springfield liegt vor einem und lädt dazu ein, nach Lust und Laune erkundet zu werden. Ohne sich um die nächste Spielmission zu kümmern, kann man Stunden damit verbringen, durch die belebten Straßen zu schlendern und Apu, Krusty, Fräulein Krabappel, Hans Maulwurf, Ralf Wiggum, Moe und all die anderen liebenswerten Bekloppten zu belauschen oder in ein Gespräch zu verwickeln. Dabei erfährt man zum Beispiel, dass Dr. Hibbert, der ewig kichernde Hausarzt der Simpsons, während seines Medizinstudiums nicht einen Tag nüchtern gewesen ist, die alte Mutter von Schul- direktor Skinner ernsthaft darüber nachdenkt, ihm noch ein kleines Brüderchen zu schenken, und Jasper, der bärtige Freund von Großvater Simpson, nie wirklich im Krieg war und sich zur Tarnung selbst einen Granatsplitter in den Schädel gerammt hat. Der Humor, der die Serie auszeichnet, begegnet einem also auch hier an jeder Straßenecke. Doch dann passiert etwas Unerwartetes: Eine Spielanleitung fällt vom Himmel und Bart direkt vor die Füße. Hierbei handelt es sich um die gleiche Anleitung, die der Spieler vermutlich unangetastet in der Verpackung gelassen hat. Ganz Pragmatiker und ohne sich lange zu wundern, akzeptiert Bart sein Dasein als Videospielfigur und schlägt schnell nach, über welche Spezialfähigkeiten er verfügt. Wenig später schwingt er sich als Bartman durch die Lüfte, um Springfield von Museumsdieben, fiesen Aliens und anderem Übel zu befreien. Und auch die übrigen Mitglieder der Simpson-Familie lernen dank der Anleitung zum eigenen Spiel, ihre verborgenen Kräfte zu nutzen. Homer tritt natürlich bei einem gigantischen Wettessen an. Marge setzt ihre neu entdeckten rhetorischen Fähigkeiten dazu ein, um per Megafon einen wütenden Mob zusammenzutrommeln, den sie in die Schlacht gegen gewaltverherrlichende Videospiele führt. Und Lisa nutzt buddhistische Meditationstechniken, um gegen von Mr. Burns engagierte Baumfäller zu Felde zu ziehen. Befindet sich Lisa in Trance, kann der Spieler mit einer riesigen Lisa-Hand von oben in die Spielwelt hineingreifen, um Gegenstände aufzunehmen und Gegner wegzuschnipsen - ein augenzwinkernder Verweis auf die Spielsteuerung in Peter Molyneux' "Black And White".

Ein Spiel über das Spielen

Überhaupt wimmelt es in "Die Simpsons" nur so von Anspielungen auf andere Computerspiele. Bart und die anderen Kinder in Springfield sind ganz verrückt nach "Grand Theft Scratchy: Blood Island", und an den Wänden hängen Plakate, auf denen der Inder Apu für "Sitar Hero" oder der fromme Ned Flanders für "Moral Kombat" wirbt. In der zweiten Hälfte des Spiels finden sich Homer und seine Familie zudem selbst in schreiend komischen Videospielparodien wieder. Da wären zum Beispiel das Fantasy-Rollenspiel "Neverquest", in dem die Simpsons als Elfen-Familie gegen einen zweiköpfigen Drachen kämpfen muss, oder "Medal Of Homer", das dem Genre des Weltkriegsshooters Tribut zollt. Sogar Gamedesigner Will Wright hat einen Gastauftritt als Übernerd, der selbstverliebt proklamiert, dass jedes Spiel, das kein "Sim" im Titel trägt, ein schlechtes Spiel sei - sein eigenes Game "Spore" natürlich ausgenommen. Aber auch ironische Kritik am derzeitigen Zustand der Computerspielindustrie kommt nicht zu kurz. Als Bart und Lisa in einer Videospielfabrik landen, entdecken sie neben den immer gleichen Versatzstücken wie Münzen und Power-ups auch ganze Silos voll Blut und eine Maschine zur serienmäßigen Herstellung von Fortsetzungen. Und der Besitzer des Comicbuchladens von Springfield kommt immer dann mit einer sarkastischen Bemerkung ins Bild, wenn man im Spielverlauf auf Videospiel-Klischees wie Holzkisten, explodierende Fässer, Lavaströme oder riesige rotierende Sägeblätter trifft. Das passiert relativ häufig, denn schließlich ist auch "Die Simpsons" nur ein Videospiel. Aber eines, das so selbstreflexiv ist wie kein zweites.

Das Spiel

Eigentlich hatten wir die Hoffnung auf ein gelungenes Simpsons-Spiel schon aufgegeben. Und auch diese Umsetzung von Electronic Arts ist nicht perfekt: Die Steuerung der Charaktere wirkt - besonders während der Sprungeinlagen - etwas schwammig. Auch die Kamera gibt sich hin und wieder störrisch oder lässt sich gar nicht bewegen. Aber das sind nur weitere Videospiel-Gemeinplätze, für die der Comicverkäufer aus Springfield, der im Spiel alle Game-Klischees kommentiert, nur ein resigniertes Achselzucken übrig hätte. Viel wichtiger ist, dass das Game, neben der Gag-Dichte und den mal liebevollen, mal bitterbösen Persiflagen auf Videospiele, ihre Entwickler und Spieler, auch auf Ebene des Gameplays einen Mordsspaß macht. Das liegt vor allem am Coop-Modus: Zu zweit durch Springfield zu ziehen und sich gegenseitig dabei zu helfen, im Level "Shadow Of The Colossal Donut" das zum Leben erwachte Riesenmaskottchen einer Donut-Kette zu Fall zu bringen oder in "The Day Of The Dolphin" gegen rachsüchtige Killerdelfine zu kämpfen, ist eine Lust. Da jede Spielfigur über andere Fähigkeiten verfügt und viele Aufgaben nur durch koordiniertes Zusammenspiel bewältigt werden können, wird einem nie langweilig. Aber auch im Singleplayer-Modus fühlt man sich nicht allein, stellt das Spiel einem doch immer ein weiteres Mitglied der Simpsons-Familie zur Seite. Dass man dabei die meiste Zeit letzten Endes nur in einem grundsoliden 3D-Plattformer unterwegs ist, stört kaum. Überraschende Perspektivwechsel, die das Spiel etwa in eine "Frogger"-Variante oder eine Neuinterpretation des Spieleklassikers "Space Invaders" verwandeln, sorgen für Abwechslung und zeigen ein Geschichtsbewusstsein, das die meisten anderen Games vermissen lassen.

Fazit

"Die Simpsons" ist nicht nur das erste richtig gute Simpsons-Game, sondern auch das erste Videospiel, das derart deutlich und umfangreich darüber nachdenkt, was es bedeutet, ein Videospiel zu sein. Für Freunde von "Futurama", "Sam And Max: Season One", "The Simpsons: Hit And Run". Text: Oliver Klatt
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von Volker Hansch / Dezember 10th, 2007 /

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