An die Arbeit

An die Arbeit

Es gibt Berufsfelder, die sind anstrengend und oft dröge. Dennoch gibt es PC-Spiele, die sie simulieren. Warum?

Montagmorgen, kurz vor halb sieben. Ein Bauer schwingt sich verschlafen auf seinen Trecker und macht sich auf den Weg zu seinen Feldern. Ein Brummifahrer, der die Nacht von Warschau nach Frankfurt durchgefahren ist, lenkt seinen randvoll mit Kartoffeln der Sorte Linda beladenen Laster auf einen Rastplatz an der A3, um ein Nickerchen zu machen. U-Bahnen und Linienbusse verschlucken grimmig dreinblickende Menschen an Haltestellen und spucken sie am anderen Ende der Stadt in einem trostlosen Gewerbegebiet wieder aus. Die zischenden Wagen der Müllabfuhr patroullieren im Schritttempo durch eine Reihenhaussiedlung und lassen den Abfall verschwinden, den die Bewohner am Abend zuvor pünktlich an den Gartenzaun gestellt hatten. Das alles geschieht wirklich. Tag um Tag, Woche um Woche, Jahr um Jahr. Und das alles kann man mit PC-Programmen nachspielen, die Namen tragen wie "Landwirtschafts-Simulator", "Euro Truck Driver", "World Of Subways", "Bus Driver" und "Müllabfuhr-Simulator 2008". Anstatt sich in einer Fantasiewelt zu verlieren, auf fremden Planeten gegen machthungrige Aliens zu kämpfen oder im tiefsten Mittelalter gegen Horden von Orks anzutreten, anstatt Autorennen zu fahren und spannende Abenteuer zu bestehen, kann der Spieler in diesen Simulationen die Alltagsroutine eines Landwirts oder Busfahrers kennen lernen. Dabei wird größter Wert darauf gelegt, die Arbeitsabläufe möglichst wirklichkeitsnah nachzubilden. Kleinste Details sind wichtig: Bevor man seine Fahrgäste in "World Of Subways" aus der Bahn steigen lässt, muss man den Zug passgenau in der Station zum Halten gebracht und die Türen der Wagons per Knopfdruck geöffnet haben. Und auch der "Euro Truck Simulator" ist kein Arcade-Game: Achtet man nicht ständig auf die Tankanzeige, wird der Lkw über kurz oder lang zum Stehen kommen. Und dann hilft nur noch der Pannendienst.

Alles nach Vorschrift

Während in anderen Computerspielen meist Geschwindigkeit Trumpf ist, geht es in diesen auf Realismus gebürsteten Simulationen um die Entdeckung der Langsamkeit. Biegt man mit dem Bus zu schnell in eine Quer-straße ein, beginnen die Passagiere hysterisch zu kreischen, und es gibt Punktabzug. Fährt ein Landwirt mit seinem Pflug beim Umgraben des Ackers schneller als im Schritttempo, löst dieser sich vom Traktor und muss erst wieder mühsam angekoppelt werden. Verfällt der Spieler beim -U-Bahn-Fahren dem Geschwindigkeitsrausch und verpasst eine Station, kann er gleich seinen Lok-führerhut nehmen. Statt schnelle Reaktionen und Entscheidungsfreude fordern die Spiele, Fahrpläne penibel einzuhalten, eine Fracht unbeschadet von A nach B zu bringen, den zur Verfügung stehenden Finanzspielraum für Lohn- und Wartungskosten nicht zu überschreiten, Bio- von Sondermüll zu trennen, beim Spurwechsel auf der Hauptstraße den Blinker zu setzen und mit dem Mähdrescher in der Landschaft herum-ste-hen-den Heuballen auszuweichen. Die Aufgaben sind also sehr überschaubar - so sehr, dass die Leichtigkeit, mit der sich das spielt, im Kontrast steht zu der harten Arbeit, die hier simuliert werden soll. Vielleicht liegt genau darin ein Reiz dieses Nischen-genres, das sich besonders unter älteren Menschen großer Beliebtheit erfreut: Die Simulationen wecken Kindheits- und Jugenderinnerungen an Modelleisen-bahnen und Matchboxautos. An eine Zeit also, als an Arbeit noch gar nicht zu denken war.

Deutsche Romantik

Womöglich handelt es sich aber auch um ein typisch deutsches Phänomen. All diese Spiele halten Tugenden wie Fleiß oder Pünktlichkeit hoch, und die Liebe zum motorisierten Gefährt ist sozusagen die Grundlage der Spiele. Außerdem verbirgt sich in ihnen eine gute Portion Romantik. Die Simulationen verfügen nämlich durch die Bank über Tag- und Nachtwechsel und sich -ändernde Wetterverhältnisse, was bisweilen recht ansehnliche Landschafts-impressionen entstehen lässt. Steigt der Spieler etwa im "Landwirtschafts-Simulator" vom Trecker, kann er sich auf der kleinen, menschenverlassenen Nordseeinsel völlig frei bewegen und über grüne Wiesen und durch gold-gelbe Weizenfelder spazieren. Oder er setzt sich auf einen der Felsen unter dem rot-weiß geringelten Leuchtturm und sieht dabei zu, wie die Sonne glühend im Meer versinkt. Selbst im "Euro Truck Simulator" auf einer ein-samen Autobahn durch die Nacht zu fahren, während Schneeflocken im Licht der Scheinwerfer tanzen, entbehrt nicht einer gewissen, bittersüßen deutschen Melancholie. Natürlich kann man auch versuchen, jedes dieser Spiele gegen seine Regeln zu spielen. Man kann zum Beispiel im "Müllabfuhr-Simulator" vor der Einfahrt eines unbescholtenen Bürgers einen Berg gelber Säcke auftürmen, -anstatt sie abzutransportieren, in "Bus Driver" einen Unfall provozieren, der sich nach und nach zu einer Massenkarambolage auswächst oder mit dem Mähdrescher Kornkreise in das eigene Feld malen. All das ist aber letzt-endlich genauso wenig aufregend wie das planmäßige Gameplay selbst. Gerade aber, wenn man einmal genug haben sollte von all der Aufregung und dem Handlungszwang, in den einen Spiele wie "Grand Theft Auto IV" versetzen, oder wenn man vom Schwierigkeitsgrad eines "Ninja Gaiden 2" frustriert ist, dann kann man sich getrost zur Entspanung an den einen oder anderen dieser Titel heranwagen. Da zudem am laufenden Band neue -Simulationen erscheinen, wird über kurz oder lang kaum ein Berufszweig vom Zugriff der Softwarefirmen verschont bleiben. Für jeden dürfte dann etwas dabei sein. Wir jedenfalls warten schon ganz gespannt auf den "Landvermessungs-Simulator 2010". In dem steht man dann im Coop-Modus -zusammen mit einem Freund den ganzen Tag in einer verwaschenen Polygonkulisse herum und schaut in leicht gebückter Haltung durch das auf ein Stativ aufgeschraubte Vermessungsgerät. Wäre mal was anderes. Text: Oliver Klatt
Tags: , , , , , , , ,
von Volker Hansch / September 10th, 2008 / 1 Kommentar

1 Kommentar

  1. snifferz sagt:

    Auf arbeit fahre ich oft mal mit dem Gabelstapler. Das macht mir Spaß, wenns nicht zu oft ist. Ich hab den passenden Simulator versucht. Da ist fahren schwerer als in echt, zeitgleich ist das einlagern extrem ungenau.

    Mit Realismus harm solche Simulatoren nichts am Hut. Spass machen sie auch nicht. Dann lieber auf 400 Euro Basis anheuern und wirklich machen. Das ist viel sinnvoller.