Lockermittel

Lockermittel

Statt nur unser Herz rasen zu lassen, können Spiele uns auch beim Entspannen helfen. Sogar Mediziner versuchen so, den Stress zu besiegen. GEE stellt die besten Games zum Runterkommen vor Auf dem Monitor ist ein Golfspiel zu sehen, der Ball liegt gut. Jetzt gilt es, die Nerven zu behalten – denn darüber wird der Ball gesteuert: Am Ringfinger des Spielers klemmt ein Sensor, der die periphere Körpertemperatur und den Hautleitwert misst. Beides gibt Aufschluss über den Stresslevel seines Körpers. Ist der Wert hoch, rollt der Ball weg vom Loch, bei Entspannung schnur-gerade hinein. Die Heilpraktikerin Heike Jendreizik setzt dieses Spiel ein, wenn sie im Auftrag der Techniker Krankenkasse Stresstests in Firmen durchführt. „Wenn viele Leute mitmachen, ergibt das ein deutliches Stimmungsbild“, sagt sie, „denn an den Ergebnissen lässt sich genau ablesen, in welchen Abteilungen es Probleme gibt.“ Im Idealfall akzeptiert das Unternehmen daraufhin, dass seine Mitarbeiter gestresst sind – und es wird möglich, offen darüber zu sprechen. „Da alle Menschen individuell auf Stress reagieren, ersetzt das mentale Golfspiel keine ausführliche Untersuchung“, sagt die Heilpraktikerin – aber ein Anfang ist gemacht. „iSense“ heißt das System. Es basiert auf Biofeedback. Damit können Vorgänge im vegetativen Nervensystem sichtbar gemacht werden. Maßgeblich für den Hautleitwert ist zum Beispiel die Aktivität der Schweißdrüsen. Sie zeigt an, wann und worauf jemand gestresst reagiert. Im ersten Schritt können dann Techniken erlernt werden, die helfen sollen, sich in solchen Situationen gezielt und bewusst zu entspannen. Entsprechende Übungsprogramme liefert „iSense“ mit. Danach lernt der Stresspatient, das Gelernte in seinem Alltag anzuwenden, ohne auf das Feedback des Sensors angewiesen zu sein. Auch die kalifornische Firma Wild Divine bietet seit Jahren ein ähnliches System an: „The Journey To Wild Divine: The Passage“. Der 300 Dollar teure Biofeedback-Sensor wird an einen handelsüblichen Computer angeschlossen und misst an drei Fingern den Hautleitwert sowie die Herzfrequenz. Dann bewegt sich der Patient per Maus durch ein „Myst“-artiges Spiel und löst verschiedene Aufgaben, indem er seine Stresswerte bewusst beeinflusst. Er muss beispielsweise ein Feuer durch Entspannung am Brennen halten oder eine Kugel durch ruhiges und rhythmi-sches Atmen zum Schweben bringen. Wie seine Körperfunktionen entsprechend geregelt werden können, bringen ihm „The Journey To Wild Divine: The Passage“ und seine Expansionpacks durch diverse Atem- und Meditationsübungen bei. Auch die traditionelle Spielebranche scheint das Entspannungsspielen entdeckt zu haben – oder zumindest ein einflussreicher Konzern: Nintendo. Dessen Präsident Satoru Iwata hat noch für dieses Jahr ein neues Zubehörteil für die Wii-Konsole angekündigt. „Vitality Sensor“ heißt es und wird genau so an den Finger geklemmt wie ein Biofeedback-Sensor. Über die genaue Funktionsweise des „Vitality Sensors“ hat das Unternehmen noch nicht viel verraten, zumindest aber soll er den Puls des Spielers messen. „Während Wii Fit das Gleichgewicht des Körpers sichtbar macht“, sagt Iwata, „wird man mit dem Sen--sor sehen können, wie es um die innere Balance steht.“ Spiele für das Zubehör wurden nicht vorgestellt, aber Iwata stellt Games in Aussicht, die helfen sollen, sich zu entspannen – oder gar einzuschlafen. Jetzt kommt GEE ins Spiel: Bis der Vitality Sensor auf dem Markt ist, könnt ihr euch mit unserer Auswahl entspannender Spiele schon jetzt beruhigen und den Stress bekämpfen. Heilpraktikerin Jendreizik gibt allerdings zu bedenken, dass alle Spiele stressen, wenn man dabei etwas leisten will oder versucht, darüber seinen Frust loszuwerden: „Dadurch baut man zwar Aggressionen ab, aber es entspannt nicht“, sagt sie. Positiv beurteilt sie allerdings Videospiele, bei denen man sich bewegen muss: „Wenn man herumhampelt, juchzt, schreit und Spaß hat, ist das sehr entspannend.“ Außerdem sei es gut, mit anderen zusammen zu spielen, „denn auch positive Gruppenerlebnisse sind wichtig, um ausgeglichen zu sein.“ Rasante Multiplayer-Shooter meint sie damit wohl eher nicht.

Endless Ocean 2

Die Unterwasserwelt hat auf Menschen eine beruhigende Wirkung. Die langsamen Bewegungen der im Wasser schwebenden Fische schenken uns Ruhe. Beim Tauchen mit Atemgerät schwebt man sogar selbst durchs Wasser und wird von der Langsamkeit ergriffen – aber wer hat schon einen Ozean zur Hand, wenn er gerade entspannen möchte? Mit dem Wii-Spiel „Endless Ocean 2“ kann man jederzeit abtauchen und wird nicht einmal nass dabei. Man zeigt mit der WiiMote auf Fische, um Informationen abzurufen – und wer vorsichtig genug ist, kann sich sogar an einem Wal festhalten und sich ziehen lassen.

Zen Bound

Beim Zen-Buddhismus geht es darum, völlig in der gegenwärtigen Aktivität aufzugehen. Das iPhone-Spiel „Zen Bound“ (2,39 Euro) hilft dabei. Objekte aus Stein und Holz – vom einfachen Quader bis zu kunstvollen Skulpturen – sollen darin mit Seil umwickelt werden, zum Beenden eines Levels muss dann noch ein leuchtender Nagel mit dem Seil berührt werden. Zu chilliger Musik dreht man die Objekte dazu immer und immer wieder auf dem Touchscreen herum. Ein Zeitlimit gibt es nicht, aber ein Spielziel: Das Seil ist nämlich irgendwann zu Ende, und bis dahin muss ein gewisser Prozentsatz der Figur umwickelt sein. Stressig ist das keineswegs, es bewirkt nur, dass man sich noch mehr auf die Aufgaben konzentriert und – wie gewünscht – völlig darin aufgeht.

Guru Meditation

Bereits 1982 gab es für das Atari-2600-Videospielsystem einen Controller, der wie Nintendos Balance Board auf die Gewichtsverlagerung des Spielers reagiert hat – das „Joyboard“. Nun hat Ian Bogost mit „Guru Meditation“ ein Spiel für die alte Hardware entwickelt, in dem es alleine darum geht, still zu sitzen. Bleibt der Spieler lange genug im Lot, beginnt der pixelige Guru auf dem Bildschirm zu schweben, bei der kleinsten Bewegung landet er wieder auf dem Boden. Da heißt es, Ruhe zu bewahren und die innere Mitte finden. Das Spiel wird zusammen mit einem Atari 2600, Joyboard und Yogamatte verkauft und ist auf zehn Stück limitiert. Den Preis gibt es auf Anfrage. Für eine kleine Entspannung zwischendurch eignet sich jedoch auch die iPhone-Version, die bereits für 99 Cent zu haben ist. Darin hält man sein Telefon mit beiden Händen waagerecht vor sich. Wer stillhält, wird seinen Guru auch hier in die Luft gehen lassen. Noch mehr als über das relaxte Gameplay werden sich einige über die Anspielung im Titel des Spiels freuen: „Guru Meditation“ heißen Fehlermeldungen, die der Commodore Amiga bei einem Absturz anzeigt.

This Is How Bees Work

In diesem Spiel des Studios Superflatgames sind wir eine kleine Wolke und regnen auf pinkfarbenen Boden, wodurch wir bunte Blumen wachsen lassen, die viele kleine Bienen anlocken. Die wiederum verlieren nach einer Weile Samen, aus denen weitere Büsche und Bäume wachsen. Wir fliegen also in der grenzenlosen Welt mit unserer Wolke herum, drücken Regen heraus und erschaffen prächtige Gärten. „This Is How Bees Work“ ist fast so schön und erholsam wie ein Spaziergang in der Natur.

flOw

Weit weg von der Hektik des Alltags tauchen wir mit feingliedrigen Mikroorganismen durch eine stilisierte Tiefsee-Szenerie. Mit sanftem Neigen des PS3-Controllers steuern wir unsere Kreatur, fressen kleinere Organismen und verwandeln uns dadurch in immer fantastischere Formen unserer selbst. Wir gelangen immer tiefer hinab bis zum Grund und können uns nicht satt sehen an der Schönheit unserer Metamorphosen. Und obwohl es andere Organismen gibt, die uns währenddessen angreifen, versetzt uns das Spiel in eine trance-artige Ruhe. Mit „Flower“ und „Cloud“ haben die Entwickler von Thatgamecompany zwei weitere Titel mit entspannendem Gameplay im Programm.

Aaaaa!

Von Hochhäusern springen, im freien Fall an deren Fassade entlangrasen, Vorsprüngen ausweichen und erst im letzten Moment die Reißleine des Fallschirms ziehen – das soll entspannend sein? Nein. Aber gerade weil uns ihr Spiel so viel Adrenalin in die Adern pumpt, haben die Entwickler einen „Meditation Mode“ eingebaut. Zu Ambient-Klängen schweben wir darin Strahlen entgegen, die am Horizont zusammenlaufen. Also: Langsam atmen und einzelne Muskelgruppen lockern, vom Hals bis zu den Zehen. Wen das wiederum zu sehr entspannt, der probiert danach die freispielbare „Anti-Meditation“. Darin erzählt eine unangenehm verzerrte Stimme fiese Geschichten von krabbelnden Insekten und ansteckenden Krankheiten. Spaßig – aber überhaupt nichts für blank liegende Nerven.

Stop Stress

Auch eine Art, aufgestaute Aggressionen loszuwerden: Statt uns zu beruhigen, lassen wir ihnen hier freien Lauf. Gnadenlos zertrümmern wir alles, was uns in den Weg kommt. Mit Pantoffel, Axt und Baseballschläger. Von der Kloschüssel über Bücherregale bis zu Autos. Da der Protagonist des Spiels so gestresst ist, dass er bereits Wahnvorstellungen hat, gibt es sogar lebendige Radios, die sich mit Fäusten wehren, und Monster aus Ampelanlagen. Selbst Hunde und Polizisten werden nicht verschont. Leider hat das WiiWare-Spiel eine Altersfreigabe ab 18 bekommen und wird in Deutschland von Nintendo nicht zum Download angeboten – aber immerhin für gestresste Österreicher und Schweizer.

Entspann dich

Der Amerikaner Jack Dirt hat eine Methode entwickelt, mit der man Videospiele zum Meditieren benutzen kann. Wie das geht, erklären wir hier Am besten eignen sich Spiele, die einen einfachen Aufbau haben. Zum Beispiel Klassiker wie „Frogger“, „Pitfall“ oder „Kid Icarus“. Bevor ihr mit der Videospielmeditation beginnt, sollte alles dafür vorbereitet sein, dass das Spiel direkt gestartet werden kann. Hochfahren des PCs, das Laden des Games oder die Suche nach Controller-Kabeln lenken nur ab. Mit ein paar Lockerungsübungen schüttelt ihr nun euren körperlichen Stress ab und setzt euch bequem vor den Bildschirm. Atmet ruhig und tief durch die Nase ein und aus und versucht, alle Muskeln zu entspannen. Nach fünf Atemzügen nehmt ihr den Controller in die Hand und startet das Spiel. Ganz wichtig an diesem Punkt: Weiterhin ruhig atmen und sich nicht drängen lassen. Am besten ohne Ton spielen. Im Game gilt es dann, dessen Muster zu erkennen. Manchmal hilft es, sich nicht darauf zu konzentrieren, sondern quasi durch den Bildschirm hindurchzuschauen. Habt ihr die Laufwege der Gegner verinnerlicht, lauft ihr seelenruhig durch das Level. Stirbt die Spielfigur, ist die Meditation beendet. Mit etwas Übung sollte eine Sitzung zehn bis zwanzig Minuten dauern. Das ist sehr entspannend und hat außerdem den Nebeneffekt, dass ihr im Spiel oft viel weiter kommt als sonst.
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von Moses Grohé / März 12th, 2010 / 1 Kommentar

1 Kommentar

  1. kowi sagt:

    Was für ein schöner Zufall.
    Ich war grad unterwegs im Netz um chillige Spiele zu suchen und da denk ich „Ach guggste ma beim Geemag vorbei….“ Und TADA!