Ghost Trick
Viele Adventures langweilen mit Storys, die so konservativ sind wie ihr Gameplay und ihre Grafik. Nicht so beim neuem Spiel des Machers der „Phoenix Wright“-Serie: „Ghost Trick“ ist erfrischend anders – und vor allem erfrischend seltsam
DS | Entwickler Capcom | Publisher Nintendo | Termin 14. Januar 2011 | Preis 40 Euro | USK 6 | Spieler 1
Adventures sind gespielte Geschichten. Und Adventures sind wie Geschichten besonders gut, wenn ihre Handlung von einer außergewöhnlichen Prämisse ausgeht. Das weiß auch Shu Takumi, der Don der Capcom’schen Abenteuerspiele. Bereits die von ihm konzipierte Adventure-Serie „Phoenix Wright“ hatte Konventionen auf den Kopf gestellt: Während Videospiele uns zumeist in die Rolle eines Superhelden schlüpfen lassen, arbeiten wir hier in einem stinknormalen Beruf: als Anwalt. „Ghost Trick“ ist ebenso außergewöhnlich: Geht es sonst darum, um jeden Preis das eigene Ableben zu verhindern, sind wir in diesem Game von Anfang an erledigt, erloschen, tot. Etwas von uns lebt jedoch als körperlose Seele weiter, die für andere unsichtbar ist. Wie wir gestorben sind, wissen wir nicht. Wir wissen nicht einmal, wer wir sind.
Auf der Suche nach Antworten nutzen wir die namensgebenden „Geistertricks“ und ergreifen Besitz von Gegenständen, die in unserer Nähe herumliegen. Manche sind nur Wegpunkte, andere lassen sich manipulieren. Viel außer Rütteln beziehungsweise Ein- oder Ausschalten ist mit den Gegenständen allerdings selten anzufangen. Immerhin können wir an ihnen durch die Gegend kraxeln, Gegenstand für Gegenstand, wie an Lianen. Und wenn wir dabei zum Beispiel einen Telefonhörer erreichen, reisen wir über die Leitung an einen entfernten Ort. Das allein wäre bereits ein seltsames Gameplay-Konzept, aber es wird noch abstruser: Treffen wir nämlich andere Verstorbene, können wir in die Vergangenheit reisen – und zwar jeweils genau vier Minuten vor ihrem Tod. Das erinnert an die wundervolle Fernsehserie „Pushing Daisies“, in der ein Bäcker Tote für einen Moment zum Leben erwecken kann, seine Jugendliebe zurückholen will und sich nebenbei als Hobbydetektiv betätigt. Und so versuchen auch wir in „Ghost Trick“ Leben zu retten, um unserem eigenen Exitus auf die Spur zu kommen. In den vier Minuten zählt Timing: Wir bringen Figuren dazu, Objekte durch die Gegend zu kicken, um mit ihnen durch den Raum zu fliegen, entschärfen abstruse Fallen und versuchen den Lauf der Dinge zu ändern. Manche Charaktere sterben im Laufe des Spiels wieder und wieder. Außerdem gesellt sich ein verstorbener Hund an unsere Seite, der Gegenstände gleicher Form miteinander tauschen kann.
Trotz des absolut linearen Gameplays widerfahren einem beim Spielen kaum die Adventure-typischen Hänger, bei denen man an einem Rätsel so lange verzweifelt rumprobiert, dass man irgendwann annimmt, das Game habe einen Bug. In jedem neuen Spielbereich muss am Anfang allerdings zunächst viel herumprobiert werden, was mit den Gegenständen anzufangen sein könnte. Das ist aber selten enervierendes Trial-and-Error, sondern meist lustvolles Experimentieren – das aber leider immer nur zu einer einzigen richtigen Lösung führen kann.
Über den weiteren Verlauf der einige überraschende Wendungen nehmenden Geschichte soll hier nichts verraten werden. Hauptsächlich wird diese von den Figuren getragen, die mittels des Rotoskopie-Verfahrens animiert wurden: Ihre Bewegungen wurden also zunächst mit Schauspielern gefilmt und anschließend bis ins Detail nachgezeichnet. Das ist aus den alten „Prince Of Persia“-Spielen oder „Another World“ wohlbekannt und sieht hier ähnlich beeindruckend aus. Die Charaktere haben alle kleine Marotten, hauen neurotisch auf dem Tisch herum oder unterstreichen ihre Sätze mit seltsamen Tanzschritten. Ihre Gesichtsausdrücke kehren das Innerste übertrieben nach außen wie Schauspieler in einem Stummfilm. Ähnlich filmisch ist der Aufbau der Handlung: Das Spiel ist in kleine Kapitel aufgeteilt, und jedes hat einen Cliffhanger, sodass es sich wie eine Fernsehserie anfühlt – mit einem ebensolchen Eine-Episode-geht-noch-Klebenbleib-Faktor. „Ghost Trick“ ist schnell, innovativ und witzig und zeigt, wie lebendig das Adventure-Genre ist. Ganz im Gegensatz zu seinem Protagonisten.
Für Freunde von „Hotel Dusk”, „Sam & Max”, „Gabriel Knight”
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