„Niemals perfekt“

„Niemals perfekt“

Sein Spiel „Minecraft“ hat sich bereits mehr als eine Millionen Mal verkauft – dabei ist es noch gar nicht fertig. Wir haben uns mit Entwickler Markus Persson über sein Heimatland Schweden, Indiegames und seinen Überraschungserfolg unterhalten

Markus, wann hast du das erste Mal davon erfahren, dass etwas gibt, das Videospiele genannt wird?

Da muss ich sieben Jahre alt gewesen sein. Damals kauften meine Eltern ihren ersten Computer. Und es gab diese Zeitschriften, die den Programmcode von kompletten Games abdruckten. Meine Schwester und ich haben Tage damit verbracht, diese Programmtexte abzutippen. Richtig interessant wurde es für mich, als ich bemerkte, dass sich die Spiele veränderten, wenn man beim Übertragen Fehler machte. Ich begann, damit zu experimentieren, Stellen in diesen vorgegebenen Programmtexten zu verändern.

Und wie alt warst du, als du dein erstes eigenes Spiel programmiert hast?

Das war ein Jahr später, mit acht. Ein Textadventure ohne Namen. Es war ziemlich erbarmungslos: Machte man beim Eingeben des Textes einen Rechtschreibfehler, war man sofort tot. Ich weiß auch noch, dass Indianer darin vorkamen. Ehrlich gesagt: Das Spiel war nicht sonderlich gut. Mein Vater war jedoch schwer begeistert. Von da an habe ich den größten Teil meiner Jugend am Computer verbracht.

Was hat dich an den Kisten fasziniert?

Mich hat die Neugier getrieben. Ich wollte herausfinden, wie sie funktionieren. Ich habe auch mal einen alten Radiowecker in seine Einzelteile zerlegt und ihn dann wieder zusammengebaut. Programmieren war für mich dasselbe. Als ich etwa dreizehn, vierzehn Jahre alt war, kam „Doom“ auf den Markt, und ich wusste sofort, dass ich mit so etwas mein Geld verdienen wollte. Allerdings habe ich nie Informatik studiert. Das bereue ich manchmal, denn ich merke, dass ich Lücken habe. Für mich hatte Programmieren in erster Linie immer etwas Spielerisches.

Später bist du dann beim Browser-Game-Portal King.com gelandet. Was war das für eine Erfahrung?

Ich habe dort viel gelernt. Ich hatte viele Freiheiten, weil immer nur ein Programmierer an einem Spiel gearbeitet hat. Die Game-Designer entwickelten die Spielkonzepte, und wir Programmierer mussten einen Weg finden, diese Ideen umzusetzen. Zwar konnte ich auch mit den Designern über ihre Spiele diskutieren, aber King.com war nicht der Ort, um meine eigenen Visionen zu verwirklichen.

Sowohl die schwedische Filiale von King.com als auch deine selbst gegründete Firma Mojang sitzen in Stockholm. Wie gefällt dir die Stadt?

Ich liebe sie. Die Menschen lassen einen in Ruhe. Ich schätze diese Anonymität. Mir gefällt aber auch Schweden als Land. Ich mag diese höfliche Effizienz, die Schweden im Umgang mit ihren Mitmenschen an den Tag legen. Wir sind sehr gut darin, in Schlangen zu stehen und nicht die Fassung zu verlieren, wenn es etwas länger dauert, bis man drankommt.

Viele erfolgreiche Game-Designer der Independent-Szene kommen derzeit aus Schweden: Eskil Steenberg („Love“), Frictional Games („Amnesia“) oder auch Cockroach Inc. („The Dream Machine“). Woran, denkst du, mag das liegen?

Man pflegt in Schweden ein überaus offenes Verhältnis zur Technologie. Beinahe jeder hat hier Zugang zum schnellen Breitband-Internet. Und an Schulen wird der Umgang mit Computern sehr stark gefördert. Das sind natürlich gute Grundvoraussetzungen für eine lebendige Entwicklerszene.

Entwickler von Indepent-Games bieten ihre Spiele nach wie vor für sehr wenig Geld oder sogar umsonst an. Hast du eine Erklärung dafür?

Independent-Entwickler machen Spiele um der Spiele willen, während große Studios vor allem am Geld interessiert sind. Aber wir Schweden sind da ein besonderer Fall: Wir haben einfach ein riesiges Problem damit, unsere eigene Arbeit als gut anzuerkennen. Wir haben regelrecht Angst davor. Keine Ahnung, warum. Das muss tief im kollektiven schwedischen Unterbewusstsein verwurzelt sein. Was bei uns zählt, ist, ob ein Job gut gemacht wird, nicht wer ihn macht. Bis vor Kurzem war es jedoch so, dass Indie-Entwickler weltweit davor zurückgeschreckt sind, für ihre Spiele Geld zu nehmen, weil sie gedacht haben, dass die Qualität nicht an die ihrer Vorbilder heranreicht. In den vergangenen Jahren hat sich das jedoch geändert. Was auch an den Spielern liegt, die mittlerweile nicht mehr erwarten, dass ein Game kostenlos ist, nur weil es in Flash programmiert wurde.

Du gehst sehr offen damit um, wie oft „Minecraft“ sich verkauft. Daher weiß auch jeder, dass du nun Multimillionär bist. Warum so auskunftsfreudig?

Als ich damit anfing, Geld für „Minecraft“ zu nehmen, hatte ich einen Counter auf meine Website gesetzt, um den Menschen, die mein Spiel gekauft hatten, zeigen zu können, dass ihr Beitrag zählt. Auch war es mir wichtig, die Spieler über die Entwicklung des Spiels auf dem Laufenden zu halten. Am Anfang hatte „Minecraft“ ja noch nicht so viele Gameplayelemente vorzuweisen. Ich wollte zeigen, dass ich immer noch an dem Spiel arbeite. Seitdem habe ich niemals aufgehört, regelmäßig in meinem Blog über alle Aspekte von „Minecraft“ zu schreiben. Das hat übrigens einen interessanten Nebeneffekt: Je häufiger und ausführlicher ich über den Entwicklungsprozess informiere, desto besser verkauft sich das Spiel.

Auch „Minecraft“ selbst ist sehr offen. Die Spieler können darin alles bauen, was ihnen in den Sinn kommt. Das Spiel befindet sich noch immer im Beta-Stadium, mal kommen neue Elemente hinzu, mal werden alte entfernt. Es ist also streng genommen nicht fertig. Welches Konzept steckt dahinter?

Darin spiegelt sich die Art und Weise wider, wie ich schon immer programmiert habe: Ich experimentiere unheimlich gerne. Meine Spiele wachsen. „Minecraft“ ist so angelegt, dass ich jederzeit weitere Gameplay-Elemente, Grafik oder Musik hinzuzufügen kann.

Ist denn irgendwann ein Ende in Sicht?

Es wird niemals eine Version von „Minecraft“ geben, die in meinen Augen perfekt ist. Denn je länger ich an dem Spiel arbeite, desto mehr Features fallen mir ein, die ich noch hinzufügen möchte. Aber es wird auf jeden Fall eine Fassung geben, die ich als fertig bezeichnen werde, allein schon, um Irritationen vonseiten der Presse vorzubeugen, die sich nicht sicher zu sein scheint, ob und in welcher Form sie über ein unvollendetes Spiel wie „Minecraft“ berichten soll. Das soll aber nicht heißen, dass spätere Erweiterungen damit ausgeschlossen sind.

Mal ehrlich: Was ist das Geheimnis von „Minecraft“?

Ich denke, es gibt den Spielern das Gefühl von Macht. Wenn sie wollen, können sie darin einen kompletten Berg abtragen oder eine Stadt erbauen. Mich persönlich fasziniert vor allem das Erforschen der zufällig generierten Welt, das Graben nach wertvollen Mineralien und verborgenen Höhlen. Mir passiert es immer wieder, dass ich mich in ihnen verirre und mich plötzlich von Lavamassen umzingelt sehe.

Dabei ist die ganze Welt nur aus Blöcken aufgebaut. Wieso kommt diese schlichte Grafik so gut an?

Für mich als Gamedesigner bedeutet sie vor allem eine selbst auferlegte Beschränkung, die mir hilft, kreativ zu bleiben. Ich muss mir Gedanken darüber machen, wie ich einen Weihnachtsbaum mit sechzehn Pixeln darstelle. Das ist eine Herausforderung, erleichtert aber auch meine Arbeit, denn ich bin kein Künstler, kann aber in einer reduzierten Grafik pas-sable Resultate erzielen. Dass die Welt von „Minecraft“ aus Klötzen gebildet wird, hat auch für den Spieler einen Vorteil: Er erkennt die Struktur der Welt und wie sie funktioniert. Es wird nichts kaschiert. Die Möglichkeiten, mit „Minecraft“ zu interagieren, liegen offen.

Interessanterweise nutzt du diese reduzierte Pixelgrafik, um blühende Landschaften, Berge und Wälder entstehen zu lassen. Eine Großstadt mir ihren rechtwinkligen Wolkenkratzern wäre naheliegender. Woher stammt diese Liebe zur Natur?

Ich habe meine ersten Lebensjahre auf dem Land verbracht, bevor ich schließlich mit meinen Eltern nach Stockholm gezogen bin. Ich habe also viel draußen gespielt. Besonders die Wälder sind mir gut in Erinnerung geblieben. Außerdem spiele ich sehr gerne Fantasy-Games. Ich habe gar nicht darüber nachgedacht, als ich das Spiel angefangen habe. Die Welt von „Minecraft“ entstand einfach aus meinen Vorlieben.

Ganz nebenbei bist du auch Mitglied von Mensa, einem Club der intelligentesten zwei Prozent auf diesem Planeten. Wie hoch ist dein IQ?

Das kann ich nicht einmal sagen. Ich weiß nur, dass ich den Aufnahmetest bestanden habe. Das alles begann als harmloser Spaß. Ein Kumpel von mir wurde abgelehnt. Daraufhin wollte ich einfach ausprobieren, ob ich es stattdessen schaffe, da reinzukommen. Im Grunde ist das aber auch nicht viel aufregender als nachzumessen, wie groß man ist.

Fahren Mensa-Mitglieder einmal im Jahr gemeinsam in den Urlaub, um über ihre dummen Mitmenschen zu lästern? Gibt es Unternehmungen des Vereins, an denen zu teilnimmst?

Mensa organisiert in der Tat eine Menge Veranstaltungen, Vorträge und Seminare. Für mich ist das jedoch weniger interessant. Was ich gut finde, ist allerdings, dass der Verein sich um außergewöhnlich begabte Kinder kümmert und sich darum bemüht, ihre Talente zu fördern.

Du hast im Alter von acht Jahren dein erstes Textadventure programmiert. Hast du in der Schule Jahrgänge übersprungen, weil du unterfordert warst?

Nein, das nicht. Ich habe mich aber im Unterricht häufig gelangweilt. Und als ich meinen ersten Programmierkurs besucht habe, hat mir der Lehrer am Ende der ersten Stunde gesagt, dass ich nicht wiederzukommen brauche. Markus Persson, 31, schaltet und waltet in Stockholm. Dort ist er gerade mit einer Handvoll Mitarbeiter in das neue Büro seiner frisch gegründeten Firma Mojang eingezogen. Bevor er beschloss, sich vollständig seiner Arbeit an „Minecraft“ zu widmen, hat er fünf Jahre als Programmierer für die Gaming-Website King.com gearbeitet und an Spielen wie „Luxor“ und „Funny Farm“ mitgewirkt. Auf eigene Faust veröffentlichte er nebenher zahlreiche Wettbewerbs-beiträge wie „Sonic Racer 4k“, „Blast Passage“ und „Infinite Mario Bros“. Wenn er Zeit findet, macht Markus elektronische Musik. Hundert Stücke hat er bereits fertiggestellt. Eine Auswahl ist zu hören, wenn man im Internet nach dem Namen Markus Alexei sucht. Eine Veröffentlichung im größeren Stil ist jedoch nicht geplant. Markus Persson ist verlobt, geheiratet wird im August. Über die neuesten Entwicklungen im „Minecraft“-Kosmos informiert er regelmäßig in seinem Blog auf notch.tumblr.com.
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von Oliver Klatt / Februar 5th, 2011 /

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