Dead Space 2

Dead Space 2

Sechs USK-Prüfungen und ein Einspruch des bayerischen Sozialministeriums gegen die Veröffentlichung: War so viel Angst vor diesem Spiel berechtigt? PS3 • XBox 360 • PC | Getestet: Xbox 360 | Entwickler Visceral Games | Publisher EA | Termin 24. Februar 2011 | Preis 50–70 Euro | USK 18 | Spieler 1–8 Die Riemen einer Zwangsjacke schnüren Gliedmaßen ein, wo zuvor ein schützender Panzer den Körper umgab. Isaac Clarke taumelt hilflos durch die Trümmer eines psychologischen Instituts an Bord einer Raumstation. Im Vorgänger verschwand jede Gefühlsregung hinter dem Visier seines Raumanzugs – jetzt steht Clarke der Horror ins Gesicht geschrieben. Der Held des Spiels ist ein verängstigt schlurfendes Geschöpf und gemahnt weniger an einen Menschen als an die deformierten Monster, die ihn jagen. Die ersten Spielminuten von „Dead Space 2“ sind Ausdruck einer Hilflosigkeit, die beim Spieler selbst dann noch anhält, wenn er den Helden wieder mit einem Schutzanzug umhüllt hat.

Kampf ums Überleben

Drei Jahre sind vergangen, seit Ingenieur Clarke bei einer Rettungsmission an Bord des Raumschiffs Ishimura auf eine außerirdische Macht getroffen war, die die Besatzung in groteske Monster verwandelte: deformierte Ungeheuerlichkeiten, sogenannte Necromorphs, denen er nur entkommen konnte, indem er sie mit seinem Werkzeug in Stücke schnitt. Was in der Zwischenzeit geschah, wie er auf die Raumstation gelangte, daran kann er sich nicht erinnern. Nur so viel ist klar: Das Grauen ist ihm gefolgt. Statt durch die stahlkühlen Gänge eines Raumschiffs stolpert Clarke nun also in menschenleeren Apartments, Souvenir-Ständen und Kindertagesstätten umher. Neonreklamen flackern, Luftballons und Spielzeug glänzen im Schein der Notbeleuchtung. Begleitet wird er dabei vom Knirschen der Metallträger und dem vertrauten Stöhnen aus Kehlen, die nichts Menschliches mehr haben. Die Angriffe der Necromorph erfolgen trotz dieser Vorankündigung immer noch überraschend, der Fluchtreflex lässt den Spieler des Öfteren vom Sofa hochschrecken. Dazu tragen auch die Attacken bisher ungekannter Monstrositäten bei: Der „Puker“ greift Clarke aus nächs­ter Nähe an, verkrallt sich in ihn und erbricht Säure über seinen Anzug. Andere Ungetüme lauern hinter Kisten und Informationsständen, um mit raubtierhafter Schnelligkeit auf ihn loszugehen. Noch immer ist Clarkes widerwärtigste Verteidigungsmethode auch die wirkungsvollste: die Gliedmaßen der mutierten Leichen mit den futuristischen Schneidgeräten aus dem Weltraum-Werkzeugkoffer abzutrennen. Aufgrund der chronischen Energieknappheit der Waffen feuert er aber auch weiterhin das Inventar der Raumstation per Telekinese auf die Ungeheuer ab. Der Kampf gegen die Necromorph gestaltet sich dabei abwechslungsreicher als im ersten Teil, der zum Ende hin sehr repetitiv wurde. In „Dead Space 2“ durchlebt der Spieler stundenlang ein Wechselbad von Anspannung und Erleichterung. Passagen mit hohem Gegner­aufkommen wechseln sich mit kurzen Ver­­schnauf­pausen ab – und bisweilen bricht das Spiel vollkommen mit seinem Muster und lässt den Spieler eine halbe Stunde lang im Ungewissen ohne Feindkontakt durch die Räume schleichen. Das erhöht die Panik vor dem Bildschirm ungemein. Bis zum Ende bleibt das Spiel unberechenbar, die Angst unausweichlich. Vermehrt lockern Actionsequenzen, wie die Hatz durch einen entgleisenden Zug, den Kampf um Clarkes Überleben auf. An mehreren Stellen rätselt sich der Ingenieur durch Physikpuzzles oder überwindet mithilfe von Schubreglern in seinem Anzug Abschnitte der Raumstation in vollkommener Schwerelosigkeit. Doch auch in diesen Minuten nagt ständig die Furcht vor dem nächsten Monster an ihm – und am Spieler.

Subtiler Horror

Dabei belässt es das Spiel aber nicht. Denn der traumatisierte Ingenieur trägt eine weitere Angst mit sich herum – die vor den Monstern in seinem Inneren. Unverhofft wird Clarke immer wieder von Visionen seiner auf der Ishimura gestorbenen Freundin Nicole heimgesucht. Dann erlischt der Neonglanz der Beleuchtung, die Umgebung versinkt in rotbraunen Schlieren, und Werbeleinwände zeigen Nicoles gequältes Gesicht, während sie flüstert: „Wo bist du? Mir ist so kalt.“ Dem Holzhammer-Schock seiner Gefechte stellt „Dead Space 2“ subtilen Horror der Marken „System Shock“ oder „Silent Hill“ gegenüber. Stimmen hallen in Clarkes Kopf, gedämpft wie Gesprächsfetzen in einem Schwimmbad. In Endlosschleifen gefangene Werbebotschaften und verlassene Aufenthaltsräume künden von einer verlorenen Gesellschaft. Die Tagebucheinträge und Audiologs der Stationspersonals erzählen von Ängsten, Sorgen und Hoffnungen der Bewohner, die nun nicht mehr sind. Der Verlust des Körpers, des eigenen Menschseins ist der Quell der Angst, aus dem „Dead Space 2“ reichlich schöpft, denn in den zerstörten Zügen jedes Monsters blitzt ein Gesicht auf – und jeder abgetrennte Monsterarm schneidet auch einen Teil von Isaac Clarkes eigener Menschlichkeit weg. „Dead Space 2“ stellt die ganze Spielzeit über nur eine Frage: ob im Unbekannten in uns nicht viel Grauenhafteres lauert als in jedem außerirdischen Wesen. Und diese Frage stellt das Spiel visuell und auditiv so schockierend, dass es fast beruhigender ist, sich nur auf das Monster zu konzentrieren, das garantiert im nächsten Aufzug auf einen wartet. Für Freunde von „System Shock“, „Silent Hill“, „Alien“ Jetzt im GEE-Shop bestellen. [nggallery id=62]
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von Christian Neeb / Februar 24th, 2011 /

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