Pilgrim in the Microworld (1983)

198X. Der Soziologe und ambitionierte Pianist David Sudnow sitzt im Café und genießt ein Heißgetränk. Sein Sohn bittet ihn um ein paar Münzen, um ein Stockwerk höher die Arcade-Automaten füttern zu können. Sudnow weiß nicht wirklich, was damit gemeint ist, aber des Friedens und der Ruhe wegen kommt er dem Wunsch entgegen und Junior zieht freudig in den Krieg. Etwa eine Stunde später möchte Sudnow heimkehren, so begibt er sich in den 1. Stock des Gebäudes und stellt sich hinter seinen Sohn, der seine ganze Konzentration einem Automaten mit dem Namen „Missile Command“ widmet. Der Wunsch des Vaters, die Lokalität zu verlassen, bleibt weitesgehend unbeachtet, also schlägt Senior die Zeit tot, indem er Münzen in diversen Automaten versenkt und das Geschehen beobachtet. Doch mehr als The End und Game Over sollte es nicht werden. Seltsam.

Auf der Party eines befreundeten Berkeley-Professors trifft David Sudnow nicht nur auf interessante Gesprächspartner und deliziöse Häppchen, sondern auch auf ein Atari VCS, das die Familie zum letzten Weihnachtsfest anschaffte. Schon bald verliert Sudnow das Interesse an klassischer Konversation, zieht sich in den Nebenraum zurück und verbringt die nächsten Stunden und die halbe Nacht vor dem Fernseher und - ihr werdet es ahnen - „Missile Command“.

Fasziniert von dieser ihm gänzlich neuen Welt stattet der Soziologe der nächsten Mall einen Besuch ab, um besagtes Spiel auch am heimischen TV-Gerät konsumieren zu können. Leider ist das Modul „Missile Command“ ausverkauft, doch der Verkäufer leistet erfolgreich Überzeugungsarbeit und Sudnow gibt sich schließlich mit „Breakout“ zufrieden. Das sei schließlich auch gut.


(Link zum Video)

Es folgen drei Monate exzessives Zocken, Sinnieren, Reflektieren und Analysieren - Sudnow pilgert durch „Breakout“ und spürt die psychisch-physische Bindung am eigenen Leib und Geist.

Ein bewegtes Bild unterbrechen? Ich bin kein Maler und ich tanze nicht vor Spiegeln. Aber hier konnte ich beobachten, wie auf der anderen Seite des Raums eine rätselhafte Verwandlung meiner Bewegungen stattfand, meine Teilnahme an der animierten Schnittstelle, die sich in einem fantastischen Spektakel aus Licht, Farben und Klängen entfaltete. Improvisierte Malerei, organisiertes Gekritzel, wobei jemand gegen dich ankritzelt, um sicherzustellen, dass du dabeibleibt.
Nach diesen drei Monaten trifft David Sudnow die Entscheidung, die Erlebnisse und Eindrücke seiner Obsession in Buchform zu veröffentlichen. „Pilgrim in the Microworld“ erschien 1983 und führt den Leser in die Gedankenwelt eines untypischen Spielers, der das Medium untypisch wahrnimmt und interpretiert. Großartig, wirklich. Leider ist das Buch in gedruckter Form nicht mehr verfügbar, doch immerhin kann ich an dieser Stelle mit dem Download (2,1 MB) einer PDF-Version dienen.
von Volker Hansch / August 30th, 2011 / 1 Kommentar

1 Kommentar

  1. Fabu sagt:

    Falls es jemanden interessiert: Ich habe die PDF-Datei mit „calibre“ ins Kindle-Format konvertiert. Klappt wunderbar. :)