Mobile Gaming: Als das Gamen gehen lernte, war Nintendo der Renner. Jetzt holen Sony, Nokia und Mitsui auf
HAND HELDEN
Der GBA ist mit 150 Millionen verkauften Einheiten der unangefochtene Herrscher in der Welt der Handhelds. Du kannst keine anderen Handhelds haben neben ihm. Oder doch? Auf einmal wird sein Reich gleich von mehreren Seiten angegriffen. Ein Bericht vom Schlachtfeld
Die Elektronik-Industrie bläst zum Angriff. Zu fett ist der Brocken, auf dem sich Nintendo mit seinem Gameboy breit gemacht hat. Auf einmal wollen alle mitessen: Handy-Hersteller, Briefkastenfirmen aus Fernost und nicht zuletzt der Heimkonsolen-Cäsar Sony. Als schlagkräftigste Kampftruppe gelten dabei momentan Nokia und Kollegen. Logisch. Ungefähr jeder Deutsche hat ein Handy auf Tasche – und damit eine potenzielle Spieleplattform. Eine ernsthafte Bedrohung für den Gameboy stellten die farblosen Spielchen bisher nicht dar. Mit den neuen technischen Möglichkeiten kann sich das schnell ändern. Die neue Handy-Generation lässt Billig-Spiele wie „Snake“ dank Java gnadenlos in der Versenkung verschwinden. Java ist ein Programmierstandard mit dem sich extrem einfach ansehnliche Games entwickeln lassen. Bereits Anfang 2004 sollen 20 Prozent aller Geräte Java beherrschen. Auf den aktuellen Handys können schon jetzt Spiele der neuen Generation gezockt werden. Zum Beispiel „Tony Hawk“ auf dem T310 von Sony Ericsson, „Anno 1503“ auf dem Siemens SL55 oder „Prince of Persia“ auf Nokias 3650. Die technischen Möglichkeiten sind allerdings noch lange nicht ausgereizt. 32-stimmiger Sound, scharfe 65.000-Farben-Displays und immer besser bedienbare 5-Wege-Mini-Joysticks werden Mobiltelefone in Zukunft in kleine Spielautomaten verwandeln.
Die Handy-Held-Attacke
Den konsequentesten Zug macht Nokia. Für die Finnen ist das Videospiel im Telefon kein Mobilfunk-Gadget wie E-Mail oder Digi-Cam, sondern ein vollkommen neuer Markt. Zwar gab es in Japan für Gameboy oder Wonderswan schon länger Adapter, um mobile Spielgeräte ans Funknetz zu legen. Mit dem N-Gage ist seit dem 7. Oktober aber die erste echte Handy-Konsole auf dem Markt. Das zeigt auch der Preis der Software. Die auf so genannten Smart Cards erhältlichen Spiele wie „Tomb Raider“ oder „Tony Hawks“ schlagen mit 39 bis 49 Euro zu Buche – kosten also mehr als das Zehnfache der simplen Download-Spielchen, die für herkömmliche Handys erhältlich sind.
Aber sieht es nicht komplett beknackt aus, sich so einen Daddelknochen zum Telefonieren ans Ohr zu halten? Geschmackssache. Wer allerdings schon beim N-Gage Bedenken bezüglich der Optik pflegt, sollte den B’ngo von TTPCom besser gar nicht mit vor die Haustür nehmen. Das Spieltelefon der englischen Mobilfunkfirma sieht wie ein reinrassiges Handheld aus. Die Software wird beim B’ngo als Download auf das Gerät gebracht. Leider bringt der miese Prozessor nur mäßige Games auf den Schirm. Dafür wird B’ngo mit 200 Euro auch erheblich günstiger als das N-Gage sein, das ohne Vertrag satte 349 Euro kostet. Bleibt nur die Frage, ob die Welt schon bereit ist, das Mobiltelefon als Spielzeug zu verstehen.
Sonys später Vorstoß
Lange hat Sony still gehalten und lieber alles daran gesetzt, seinen beachtlichen Landstrich im Heimdaddler-Bereich gegen die anderen Next-Gen-Konsolen zu verteidigen. Doch nun beginnt ein Gegenschlag, der die Nintendo-Handheld-Herrschaft in ihren Grundfesten erschüttern soll. Auf der Games-Messe E3 2003 kündigte der Unterhaltungskonzern für Ende 2004 die Playstation Portable, kurz PSP, an. Ein High-End-Handheld, das, wenn Sonys Ken Kutaragi nicht zuviel verspricht, nicht nur Zockern ein Zelt in die Hose zaubern wird. Nicht umsonst nennt Sony die PSP den „Walkman of the 21st Century“. 7.1-Sound, 16:9-TFT-Display, MPEG4-Fähigkeit und neuartige Mini-Discs mit bis zu 1,8 Gigabyte Speicherplatz machen das Super-Handheld ganz nebenbei zum portablen DVD- und MP3-Player. Doch auch als tragbare Konsole setzt die PSP neue Maßstäbe. Die PSP-Titel werden nicht einfach abgespeckte Konvertierungen alter PSone-Scheiben sein. Dank Systemvoraussetzungen wie zwei schnellen 32-Bit-CPUs, 8 MB Speicher und einem hochentwickelten Grafikchip spielen die PSP-Games eher in der Liga der PS2-Titel. Und via Wireless LAN darf übrigens auch Multiplayer gezockt werden. Sollte die portable Playstation also tatsächlich zu einem GBAnahen Preis – wie Chris Deering, Chef von Sony Computer Entertainment Europe, behauptet – auf den Markt kommen, klopft Ende 2004 wohl der härteste Gegner an die Handheld-Tore Nintendos.
Der PC-Schlag
Doch bis dahin bleibt der „Playstation Boy“ ein feuchter Traum – ganz im Gegensatz zum Mini-Spiele-PC Zodiac des US-Herstellers Tapwave, der in diesem Monat auf den nordamerikanischen Markt kommen soll. Pocket-PCs und PDAs wurden zwar schon immer zum Spielen zweckentfremdet (so existieren für Hosentaschen-Rechner beispielsweise coole Umsetzungen von „Sim City 2000“ oder „Ultima Underworld“), der Zodiac aber richtet sich eher an den geschäftigen Zocker als an den zockenden Geschäftsmann. ARM9-CPU mit 200 Mhz, ATI-Grafik-Prozessor, Display mit 480×320 Pixel und Analog-Stick – seinen Werten nach ist der Zodiac ein perfekter mobiler Freudenspender. Auch der japanische Hersteller Mitsui zieht mit. Der bei uns im Oktober erschienene GamePark32 ist ein in Asien gescheitertes, bei westlichen Freaks aber beliebtes Gerät. Denn obwohl es nur wenig kommerzielle Spielesoftware für das 32-Bit-System gibt, laufen auf dem GP32 trotzdem hunderte Spiele. Heimentwickler haben etliche PC-Games auf dem Gerät umgesetzt. Zudem gibt es Emulatoren für Konsolen wie SNES oder Sega Master System – mit USB-Schnittstelle und Smart Media Card als Speichermedium lassen sich die alten Klassiker simpel auf das Gerät bringen und unterwegs zocken. Während bei den Next-Gen-Konsolen der Kuchen bis 2005 verteilt ist, geht der Schlagabtausch mit neuen Mitspielern auf dem Mobile-Gaming- Markt weiter. Am interessantesten wird dabei Nintendos Antwort auf den Übergriff sein. Das Urgestein des mobilen Zockens muss diesen Angriff auf sein Territorium ganz einfach mit einem Über-Handheld abschmettern. Wie auch immer dieser Schlagabtausch ausgehen wird – am Ende gewinnt dank Preisdumpings, Produktvielfalt, schneller Weiterentwicklung und coolen Add-Ons immer der Zocker.