Eve Online: Trinity

Eve Online: Trinity

"Eve Online" ist das größte und komplexeste Online-Rollenspiel unserer Galaxie. Und mit der neuesten Erweiterung "Trinity" ist es nun auch eines der schönsten. Wir waren bei den Entwicklern in Island – ein Besuch wie auf einem anderen Stern

Der Wind peitscht Regen über das unwirtliche Land. Lava ist zu bizarren Gestalten erstarrt, Grashalme krallen sich verzweifelt am Boden fest, und wenn sich Bäume aus dem Boden trauen, sind sie höchstens hüfthoch. Wer auf Island groß werden will, braucht Durchhaltevermögen. Und Hilmar Veigar Pétursson ist hier groß geworden, sehr groß. Ängstlich gibt man dem rothaarigen Hünen die Hand und staunt hinterher freudig, dass sie nicht zerquetscht ist. Früher hätten Männer wie er am Steuer eines Wikingerschiffes gestanden, heute leiten sie von Islands Hauptstadt Reykjavík aus den Aufbruch in eine neue Welt: Pétursson ist der Schöpfer von "Eve Online", einem Internet-Spiel, das im Weltall angesiedelt ist, in der fernen Zukunft, in einem Sonnensystem voll karger, kühler, isländischer Schönheit. Mehr als 200000 Einwohner hat sein Universum bereits, mindestens 314000 sollen es werden. Denn dann ginge Hilmar Veigar Péturssons größter Wunsch in Erfüllung: "'Eve' soll mehr Einwohner als Island haben." Grinsend sagt er das, mit seinem nordisch rollenden Englisch, dann startet er die Reise ins Innere von "Eve": Ein Raumschiff erscheint auf der Leinwand des kleinen Konferenzraumes seiner Firma CCP, atemberaubend in das Licht ferner Sterne getaucht, massiv erscheint es und unbesiegbar. Doch dann wird es attackiert von kleineren Schiffen, beginnt zu taumeln und explodiert mit einem großen Blitz. Aus. Ende. In Trümmern der Traum, sich mit diesem Schiff das Universum ein wenig untertan zu machen. Jeder Spieler in "Eve Online" kennt das: den Traum und den Blitz. Jeder Spieler beginnt mit einem winzigen Schiff, einem Staubkorn in der Galaxie. Und jeder will ein großes Schiff werden, will bauen, zerstören und erschaffen. In "Eve" gibt es keine Helden mit schimmernden Rüstungen, das Raumschiff ist das Spiel, und der Spieler ist das Raumschiff. Es kann Rohstoffe abbauen oder Handelsschiff sein und Rohstoffe zwischen Galaxien transportieren. Der Spieler kann als Industrieller aufsteigen oder zur dunklen Seite wechseln und Pirat werden. "Vielleicht haben wir deshalb so wenige weibliche Spieler", sagt Pétursson - "Frauen wollen einfach kein Raumschiff sein." Wer das aber möchte, wird schwerelos: "Wir überlassen es den Spielern, sich ihre Rollen auszudenken", sagt Pétursson. Manche Spieler, erzählt er, seien zufrieden damit, klassische Musik zu hören, während ihr Raumschiff über einem Asteroiden parkt und per Energiestrahl Rohstoffe erntet, andere suchen den Thrill des Kampfes in den unsicheren Außenbezirke der Galaxie - und dieser Thrill ist echt: Wem dort sein Schiff zerstört wird, der verliert es wirklich. "Eve" verzeiht keine Niederlage. Die meisten Spieler in "Eve Online" haben sich deswegen einer "Corporation" angeschlossen. Ähnlich wie bei den Gilden in "World Of Warcraft" helfen sie sich in diesen "Firmen" gegenseitig. Sie geben neue Schiffe oder Rohstoffe aus und gewähren Schutz. Im Gegenzug zahlen die Spieler von ihrem Einkommen Steuern und Versicherungen. Corporations bauen Stützpunkte, treiben Handel und bergen Rohstoffe. Und sie kämpfen gegeneinander: "Der erste große Krieg in 'Eve Online' begann 2005", sagt Pétursson. Die Russen griffen mit ihren Schlachtschiffen die Skandinavier an, die in einem nahe gelegenen Sonnensystem siedelten. Eigentlich hätten sie gewinnen müssen, weil sie deutlich überlegen waren. Doch irgendwie hielten die Skandinavier durch. "Wir wussten nicht, wie das möglich war", erinnert sich Pétursson an die Verwunderung der Entwickler, "also sind wir dem auf den Grund gegangen." Die Lösung: Die amerikanischen Spieler hatten sich auf die Seite der Skandinavier geschlagen. Heimlich zogen Konvois mit Vorräten und Schiffen durch das Universum. "Irgendwann haben das die Franzosen mitbekommen", lacht Pétursson, "und haben sich auf die Seite der Russen gestellt und den Konvois aufgelauert." Ganz normale Vorkommnisse in einem Online-Spiel also - denkt man, bis Pétursson von den Menschen berichtet, die zu dieser Zeit in ständiger Alarmbereitschaft lebten. Von Firmen, die Mail- und Telefonketten gebildet hatten. Und von Spielern, die nachts hochgeschreckt sind, um Stützpunkte zu verteidigen, wenn der Gegner angriff. Denn "Eve Online" schläft nicht. Während die Spieler ausgeloggt sind, geht das Leben auf dem Server weiter. "Wir bringen Menschen zusammen, geben ihnen ein grobe Aufgabe und lassen sie dann allein. Schon fangen sie an, sich zu organisieren, kleine Zellen zu bilden und diese zu immer größeren Gebilden zusammenwachsen zu lassen." Corporations wachsen, wählen einen CEO, ästeln sich in immer feinere Strukturen auf. Die Befehlswege werden länger und ausgefeilter. Inzwischen hat Pétursson einen Wirtschaftswissenschaftler eingestellt, der die Ökonomie im Spiel untersucht und vierteljährliche Berichte abgibt. Der Forscher arbeitet auch mit Universitäten zusammen, die anhand von "Eve Online" die Entwicklung von Wirtschaftssystemen untersuchen. "Anfangs war unsere Ökonomie recht simpel", erzählt Daniel Speed, der bei CCP in Reykjavík für die Entwicklung der Wirtschaft zuständig ist. Als die Welt jung war, basierte Handel lediglich auf Tauschgeschäften. Doch daraus ist eine hoch komplexe, hyperkapitalistische Wirtschaft entstanden: "Inzwischen gibt es Börsenkurse für die einzelnen Corporations, die Rohstoffpreise können in Echtzeit an den Handelsplätzen abgefragt werden." Speed behauptet sogar, anhand der Preise sagen zu können, in welchem Teil von "Eve Online" gerade Krieg herrscht - "denn je teurer ein Rohstoff, desto unsicherer ist die Gegend, in der er gefördert wird". Für einen Anfänger ist es nicht einfach, das zu verstehen. Und bis er sich einer Corporation angeschlossen hat, hilft ihm auch niemand dabei. Zu Beginn muss er in "Eve" alleine seinen Platz finden in der viel zu großen Welt, um dort glücklich zu werden oder vielleicht sogar ein wenig mächtig. Die klamme Einsamkeit des Weltalls jedoch schreckt viele Spieler ab. "Es ist mühsam", weiß auch Pétursson und sagt: "Natürlich wäre es toll, mehr als neun Millionen Abonnenten zu haben wie 'World Of Warcraft' - aber das ist ein Themenpark wie Disneyland. Leute haben dort den Spaß, der ihnen vorgegeben wird. Wir machen hier etwas völlig anderes." In "Eve Online", erläutert er, ginge es um Kreativität und um eine treue Gemeinschaft von Spielern, die sich die Ziele ihrer virtuellen Existenz selbst ausdenken. "In vielem ist 'Eve Online' wie 'Second Life'", sagt Pétursson: "es ist ein Sandkastenspiel mit dem unglaublichen Potenzial, eine große Community zu schaffen. Für viele Spieler ist das kein Spiel, es ist ihre Realität. Wir wollen für sie eine Welt erschaffen, die über Jahrzehnte hinweg bestehen soll." Dabei ist "Eve Online" einzigartig: Alle 200000 Spieler sind auf demselben Server versammelt, sie leben in derselben Welt und kämpfen um dieselben Ressourcen. Damit der virtuelle Kosmos nicht kollabiert, läuft "Eve Online" bald auf einem Supercomputer. Die Zukunft scheint also gesichert zu sein. Hilmar Veigar Pétursson hat sein Drachenschiff "Eve Online" in sicheres Fahrwasser gesteuert. Das hätte in den Anfangsjahren niemand zu hoffen gewagt. Denn Kapital war lange Zeit knapp und schwer aufzutreiben"Erst ein paar Tage, bevor die Dotcom-Blase zu platzen begann, haben wir eine Bank gefunden, die uns finanzieren wollte", erinnert sich CEO Pétursson, "wären wir nur eine Woche später dran gewesen, hätte keine Bank mehr an uns geglaubt und 'Eve' würde es nicht geben." Das war 2000, und viel einfacher wurde es nicht. Die Suche nach einem Publisher dauerte drei weitere Jahre, und der unterstützte das Spiel nur halbherzig: "Die waren daran interessiert, hübsch verpackte Spiele in Regale zu stellen. Sie konnten mit dem Konzept einer sich weiterentwickelnden Welt nichts anfangen." Weshalb man es schließlich allein versuchte. "Das waren harte Zeiten für alle Mitarbeiter." 2003 konnten über einen Zeitraum von mehreren Monaten keine Löhne gezahlt werden. "Niemand ist gegangen", sagt Pétursson voller Stolz. Heute gibt es "Eve Online" und alle Erweiterungen gratis zum Download, bezahlt wird eine Monatsgebühr. Und heute muss bei CCP auch niemand mehr Angst um seinen Lohn haben, es sei denn, die Firma macht noch einmal einen Fehler wie damals, als bekannt wurde, dass ein Entwickler seiner "Eve"-Corporation Vorteile verschafft haben soll. "Wir haben Situationen falsch eingeschätzt", gibt Pétursson zu. Der Fall sollte unter den Tisch gekehrt werden, die Spieler aber verlangten beharrlich nach Aufklärung. Das sei bis heute nicht geschehen, empören sich einige. CCP hat reagiert: Die Firma will einen Spielerrat wählen lassen, der über Streitfragen entscheiden soll. Tagen soll er zweimal im Jahr. Natürlich auf Island, denn nur dort hat man den nötigen Abstand zur Welt, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Zum Fanfest im letzten November kamen 2000 Spieler aus allen Winkeln der Erde auf die Insel. Die Gemeinschaft ist stark. Und auch in der Firma ist der Zusammenhalt groß, wie man beim gemeinsamen Mittagessen spürt, das von einer freundlichen Köchin lauthals angekündigt wird. Es gibt fangfrischen Fisch für alle. Draußen ist Reykjavík. Im Hafenbecken vor dem Kantinenfenster liegt der einstige Stolz der Insel, die große Flotte der Walfängerschiffe. Langsam rostet die alte Wirtschaft vor sich hin. Draußen ist Reykjavík, hier drinnen eine ganze Welt.

Das Spiel

"Eve Online" ist kein Spiel mit festem Ende, sondern eine Galaxie, die ständig erweitert wird. Waren die vorigen Ergänzungen hauptsächlich neue Sonnensysteme, die angehängt wurden, um Raum für neue Spieler zu schaffen, so ist mit der neuesten Erweiterung "Trinity" die Grafik-Engine an der Reihe. Damit steht die etwas in die Jahre gekommene Optik von "Eve Online" auf einmal wieder blendend da, obendrein gibt es ein paar neue Raum-schiffe dazu. Dabei ist es jedoch nicht schlimm, wenn man einen Rechner hat, der nicht in der Lage ist, die verbesserte Grafik auf den Monitor zu bringen: Jedem steht es frei, mit der alten Engine weiterzuspielen, niemand wird zum Upgrade gezwungen. "Eve Online" lebt nicht von verkauften Exemplaren - die sind kostenlos zum Download verfügbar –, sondern von Abonnenten. Nach einer zweiwöchigen Testphase kostet das Abo rund 15 Euro im Monat. Wer längere Laufzeiten wählt, erhält Rabatt. Und wird schließlich feststellen, wie großartig es sich anfühlt, mit seinem Raumschiff durch das Universum von "Eve Online" zu fliegen, sich in Kämpfe zu verstricken und Handel zu treiben. Vielleicht wird er dann tiefer einsteigen und sich einer Corporation anschließen. Wer es so weit geschafft hat, bleibt auch dabei - und wird "Eve Online" nicht mehr als Spiel auffassen, sondern als Lebensaufgabe.

Fazit

Wer bereit ist, sich nächtelang mit dem Bau von Raumschiffen, mit Börsenkursen und dem Fliegen durchs All zu beschäftigen, kann hier Teil einer der spannendsten Spielewelten überhaupt werden. Für Freunde von "Elite", "Privateer" und "Tabula Rasa". Text: Carsten Görig
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von Volker Hansch / Februar 10th, 2008 / 1 Kommentar

1 Kommentar

  1. Wolf sagt:

    Danke an GEE für diesen Super Bericht.
    Er hat dazu geführt das ich überhaupt den Weg zu Eve-Online gefunden habe.
    Er gibt eine gute Vorstellung über das was Eve auszeichnet und von anderen MMOPRGs abhebt.

    Gerne mehr davon!