Red Dead Redemption

Red Dead Redemption

Die „GTA“-Spiele von Rockstar sind konzentrierter US-Zeitgeist der achtziger und neunziger Jahre. In „Red Dead Redemption“ nehmen sich die Entwickler jetzt den Popmythos Wildwest vor Xbox 360, PS3 | Entwickler & Publisher Rockstar | Termin 21. Mai 2010 | Preis 70 Euro | USK 18 | Spieler 1-16 „Sie sind ein zorniger und verflucht hässlicher Mann, aber kein schlechter“, sagt ein Revolverheld zu John Marston und hat Recht: Marston trägt einen Dreitagebart in seinem vernarbten Gesicht, er verliert nicht viele Worte, greift schnell zur Waffe – und doch ist er ein liebender Familienvater. Er ist ein zerrissener Held. Einer, wie ihn sich die Entwickler von Rockstar immer wieder für ihre Spiele ausdenken. Marston steht in einer Reihe mit Carl Johnson und Niko Bellic aus der „GTA“-Serie. Während die beiden nach den Lebensgeschichten amerikanischer Einwanderer oder schwarzer Kids aus der Unterschicht modelliert sind, verkörpert Marston den Popmythos des Cowboys. Bereits vor sechs Jahren hatte Rockstar in „Red Dead Revolver“ den Wilden Westen zum Schauplatz gemacht. Das deutlich linearere Game war im Jahr 1880 angesiedelt. Der Nachfolger spielt 1911: Bürgerkrieg und Siedlertrecks haben den Westen der Vereinigten Staaten von Amerika geprägt, das Land ist nun fast komplett erschlossen. Die Industrialisierung hat mit Dampflok und Automobil auf der Prärie Einzug gehalten. Der ehemalige Outlaw John Mars­ton hat sich zur Ruhe gesetzt und bewirtschaftet mit Frau und Sohn eine Farm im Grenzgebiet zwischen Texas und Mexiko. Plötzlich tauchen Re­gie­rungs­agen­ten auf und zwingen ihn zur Jagd auf seine ehemaligen Bandenkollegen. Weigert er sich, droht im der Strick und seiner Familie noch Schlimmeres. In den drei Bezirken New Austin, Nuevo Paraiso und West Elizabeth, in denen Marston die Bandenmitglieder jagt, trifft er auf Grabräuber, Farmer, Revolutionäre, Huren, Wunderheiler und andere Archetypen, die in jedem Spätwestern vorkommen: Sie sind dreckig, sie rotzen und schielen. Die spröden Lippen in ihren porentief texturierten Gesichtern erinnern an die des geschundenen Eli Wallach im Film „Zwei glorreiche Halunken“. Die Bewohner sind der Schlüssel zur Story. Sie vergeben Aufträge, die auf einer vergilbten Übersichtskarte angezeigt werden und die Geschichte des Spiels vorantreiben. Outlaw Marston bekommt viel zu tun: Seine Aufträge reichen von Rancherarbeit wie einem Viehtrieb bis zu blutigen Jobs wie dem Überfall auf eine Eisenbahn oder dem Freiheitskampf gegen einen mexikanischen General. Die Speicherpunkte hat Rockstar dabei weitaus fairer gesetzt als in „GTA“, sodass selten zu lange Strecken zurückgelegt werden müssen. Außerdem darf der Spieler sich die Zeit vertreiben, ohne an seine Mission zu denken. Er kann sich als Kopfgeldjäger verdingen, nach Heilkräutern suchen, pokern, Tiere und ihre Pelze jagen oder sich duellieren. Eine hohe Anzahl von Zufallsereignissen abseits der Wege lässt die Spielwelt lebendig erscheinen. Ob der Spieler eingreift oder ungerührt weiterzieht, wenn eine Bande von Viehdieben einen Rancher am nächsten Baum aufknüpfen will, bleibt dabei stets ihm überlassen. Auch darüber, wie die Bevölkerung John Marston gegenübertritt, entscheiden letztendlich seine Handlungen, die das Spiel mittels eines Moralsystems bewertet. Hier nähert sich das Open-World-Game dem Rollenspiel-Genre deutlich an. Die Spielwelt selbst erstreckt sich über ein Areal, das es in der Größe mit Liberty City aufnehmen kann – nur dass Marston mit dem Pferd unterwegs ist, auf einem Kutschbock oder zu Fuß. Die Bewegungssteuerung haben die Entwickler dabei stark überarbeitet. Die taumeligen Schritte eines Niko Bellic gehören endlich der Vergangenheit an. Hoch zu Ross vermittelt das Spiel das Western-Flair jedoch am besten. Denn Pferde sind in „Red Dead Redemption“, im Gegensatz zu den meisten Spielen, keine fellbezogenen Motorräder, sondern organische Kreaturen mit eigenem Willen. Frisch gefangene oder gestohlene Tiere zum Beispiel gewöhnen sich erst mit der Zeit an ihren neuen Besitzer. Und treibt Marston sie zu kräftig an, bocken sie und werfen ihn in den Staub. Ein Pferd ist dem Spieler in „Red Dead Redemption“ einiges mehr wert als jedes noch so schicke Auto, das in Liberty City an der Straße steht. Es entsteht eine Bindung. Und das nicht nur, weil Marston ohne Pferd nicht den heimlichen Star des Spiels immer besser kennen lernt: die weite Landschaft mit dem unverbauten Blick über die Prärie. Auch hier ähnelt das Game Rollenspielen wie „Oblivion“ oder „Fallout 3“ – doch im Gegensatz zu diesen ist beim Streben nach einer ausufernden Spielwelt nicht die audiovisuelle Präsentation auf der Strecke geblieben. Trotz der Größe der Areale müht sich „Red Dead Redemption“ um grafische Details und feinen Sound: In der Sierra lässt die Hitze die Luft über dem Boden flirren. Unter dem Fell der Pferde zeichnen sich ihre Muskeln ab. Hufen wirbeln Staub auf, der sich auf die Kleidung der Figuren legt, im Blitzlicht eines Gewitters scheinen Ross und Reiter still zu stehen. Die Musik von „Read Dead Redemption“ ist an die Western-Soundtracks von Ennio Morricone („Spiel mir das Lied vom Tod“) angelehnt. Dazu trappeln Hufen dumpf über Lehm und hart auf Kopfsteinpflaster, Sporen klirren, es wird auf Spanisch und Texas-Englisch geflucht, Schüsse lärmen aus Colts und Gewehren. Schießereien machen einen großen Teil des Spiels aus. Die Verbesserung der Steuerung ist dabei auch im Kampf spürbar. Das Deckungsprinzip aus „GTA IV“ wurde beibehalten, Gegner können aber nur noch in den leichteren der drei Schwierigkeitsgrade automatisch anvisiert werden. Neu für „GTA“-Spieler ist auch der Zeitlupenmodus „Dead Eye“, der bereits in „Red Dead Revolver“ Verwendung fand. Nach erfolgreichen Abschüssen oder durch den Konsum von Kautabak und Schnaps baut sich eine Energieleiste auf. Ist die Zeitlupe aktiviert, leert sie sich, und der Spieler kann mehrere Widersacher markieren. Setzt die Realzeit wieder ein, gehen sie zu Boden. Der Effekt erinnert an ikonische Feuergefechte aus Westernfilmen, und er erleichtert Missionen, in denen präzise Schüsse erforderlich sind – zum Beispiel, um mehrere Bankräuber auszuschalten, ohne die Geisel zu verletzen. Getroffene Gegner kriechen aus der Schusslinie, feuern ein letztes Mal ihren Colt ab oder bleiben beim Fallen am Steigbügel hängen und werden von ihrem Pferd mitgeschleift. Der Tod ist schmutzig und wenig heldenhaft. „Red Dead Redemption“ ist das, was es sein will: ein Spiel gewordenes Lexikon des Western-Genres, ein Setzkasten aus Film- und Fernsehszenen Aber es wäre kein Spiel von Rockstar, wäre es nicht bei aller Zitierfreude auch mit aktueller Gesellschaftskritik unterfüttert. Dies ist auch in „Red Dead Redemption“ der Fall: Der Ort zum Beispiel, von dem aus die korrumpierten Regierungsagenten agieren, heißt „Blackwater“ – wie das private Militärunternehmen, das zur Zeit der Bush-Regierung im Irak schmutzige Geschäfte gemacht hat. Von solchen Spitzen abgesehen sind es aber vor allem religiöser Fanatismus und der Raubtierkapitalismus, die, ähnlich wie im Film „There Will Be Blood“, als bestimmende Ursachen für Fehlentwicklungen in den Vereinigten Staaten ausgemacht werden: „Wenn das die Zukunft ist, möge Gott uns helfen“, sagt der desillusionierte Marston beim Anblick der ersten Heroinjunkies und stinkenden Automobile. Das sind Bilder, die Spielern von „GTA“ nur allzu bekannt sind. Und mit einem Mal stehen Carl Johnson und Niko Bellic in der Nachfolge des Outlaws John Marston: Das Ende des Westens in „Red Dead Redemption“ ist der Grundstein für das Amerika der Serie „Grand Theft Auto“.

Die Multiplayer-Modi

Sechs Männer bilden einen Kreis, jeder hat seinen Revolver auf den Kopf eines anderen gerichtet. Sechs Schüsse krachen, fünf Männer fallen in den Staub, der Sechste macht sich über die Waffen seiner Gegner her. Willkommen im Mehrspielermodus von „Red Dead Redemption“. In den kompetetiven Spielmodi beginnt jede Runde mit dieser aus Westernfilmen bekannten Patt-Situation namens „Mexican Standoff“. Dieser Shoot-Out zu Beginn der Matches ist nicht nur schmückendes Beiwerk, er beinhaltet eine taktische Komponente und sogar einen Hauch Psychologie: Wer zu früh beginnt, auf andere Mitspieler zu zielen, der wird schnell selbst zum Ziel einer Waffe werden. Doch zu lange darf die Entscheidung über das Opfer in der „Mexican Standoff“-Phase auch nicht hinausgezögert werden, sonst macht der eigene Charakter Bekanntschaft mit dem Straßenboden. Wer den Standoff überlebt, kann sich in aller Ruhe die besten Waffen und Positionen auf den Karten sichern, die in den Schauplätzen des Einzelspielermodus angesiedelt sind. Bis zu 16 Spieler kämpfen in den Spielvarianten, die aus Klassikern wie Deathmatch und Team-Deathmatch und Variationen von Capture-the Flag bestehen. In „Hold Your Own“ zum Beispiel stehlen sich zwei gegnerische Teams gegenseitig Goldsäcke und befördern sie ins eigene Camp. Bei „Grab The Bag“ verteidigt ein Team eine Stellung und den darin befindlichen Goldsack gegen eine anstürmende Gruppe von Spielern, und in „Gold Rush“ muss jeder Spieler soviele Geldsäcke einsammeln wie möglich. Für gelungene Aktionen gibt es – wie in einem Rollenspiel – Erfahrungspunkte, durch die Spieler levelweise aufsteigen und dabei neue Waffen, Charaktere und Reittiere für den Online-Modus freischalten können. Statt sich Schießereien mit menschlichen Gegnern zu liefern, kann man aber auch im Free-Roam-Modus die Spielwelt der Einzelspielerkampagne erkunden und gemeinsam mit anderen Spielern Tiere jagen und nach Kräutern suchen. Eine kooperative Story-Kampagne soll im Juni als Download erscheinen. Fazit Red Dead Redemption“ verschmilzt das „GTA“-Konzept mit Rollenspielelementen. Die Bedienung ist makellos, die Grafik ein Traum. Ein Über-Spiel, so schmutzig wie ein Leone-Western. Für Freunde von: „GTA“, „Fallout“, „Call Of Juarez“ Jetzt im GEE-Shop bestellen [nggallery id=22]
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von Christian Neeb / Juni 7th, 2010 / 2 Kommentare

2 Kommentare

  1. 3typen sagt:

    also der oberkracher wäre jetzt noch wenn alle glichtes wie fliegende kühe, bouncende reiter und kutschen sowie unsichtabe cowboys nicht komplett rausgefixed werden, sondern in einer westernstadt noch weiterhin aktiv sind :-)

  2. Melli sagt:

    Hello, dieses Spiel ist echt der Knaller und icbh als Mädel, die eigentlich auf Resident Evil abfährt, stehe total auf RDR!
    ABer, als Pferdemädchen muss ich eine Anmerkung machen:
    Es heißt Hufe- das Wort HufeN gibt es nicht :-)