Kurz vor der Jahrtausendwende ging in den Looking Glass Studios das letzte Mal das Licht aus. Nun haben einige ehemalige Angestellte eine Reihe von kurzen Filmen veröffentlicht, die die letzten Stunden in den Büroräumen des Entwicklers dokumentieren. Finanzielle Probleme des Publishers Eidos zwangen den etablierten PC-Entwickler im Jahr 2000 in die Pleite. Bis dahin hatten die Teams Spiele veröffentlicht, die bis heute zu den Meilensteinen des PC-Gamings gerechnet werden.
Dazu gehörten Titel wie „Thief: The Dark Project”, in dem Spieler erstmals in der Ego-Perspektive an Feinden vorbei schlichen. Und Games wie „System Shock”, das Rollenspiel- und Adventure-Elemente mit einem Shooter verschmolz und damit die Grenzen des Genres sprengte. Unter den kreativen Köpfen des Studios waren auch Warren Spector und Ken Levine, die das Erbe des Enwicklers auch nach dessen Schließung mit Titeln wie „Deus Ex” und „Bioshock” fortführten.
Die fünf Kurzfilme zeigen nun zehn Jahre später die Menschen hinter den Spielen und die letzten Stunden in ihren Büros. Mal werden interessante Fakten zur Entstehungsgeschichte der Games präsentiert. Mal wird es banal, wenn die Gefilmten noch eine Partie Deathmatch oder Tischtennis spielen und dabei Bier trinken. Die verbitterten Kommentare und der Galgenhumor gehen aber auch dabei unter die Haut.
von Christian Neeb / Juni 28th, 2010 /
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Malte Jehmlich sitzt vor dem Bildschirm und steuert seinen Flitzer über die kurvige Piste. Der Wagen rast in die Wand eines Tunnels und überschlägt sich. Rennspieler kennen Szenen wie diese. Gleich müsste sich der Wagen wieder auf der Strecke materialisieren. Stattdessen senkt sich eine Hand von oben zum Asphalt herab und dreht das Fahrzeug um.
Am 26. und 27. Juni können sich Spieler ein eigenes Bild von Jehmlichs außergewöhnlichem „Racer” im Atelierhaus „Die Fabrik Krefeld” machen. Gemeinsam mit Matthes Mykisec, der für die elektronischen Schaltungen von „Racer” zuständig ist, hat Jehmlich einen Arcadeautomaten entworfen, durch dessen Betätigung der Spieler ein ferngesteuertes Auto über eine 15 Meter lange Modellstrecke steuert. Die Position des Wagens auf der Fahrbahn sieht der Spieler dabei durch eine auf dem Fahrzeug befestigte Kamera, deren Bild auf den Bildschirm des Automaten projiziert wird. Die Mischung aus Game und Installation verwischt die Grenzen zwischen Realität und virtuellem Raum, indem sie Eingaben an einem Spielcomputer in die realen Bewegungen des Modells wandelt, die wiederum die Eingabe des Spielers am Lenkrad beeinflussen.
„Racer” ist nach seiner ersten Präsentation im letzten Jahr nun um Features wie eine Highscore-Tabelle erweitert worden. Im Rahmen des Tag der offenen Tür des Atelierhaus „Die Fabrik Krefeld” kann der aktuelle Stand des Projektes besichtigt werden.
Eine Wegbeschreibung zur „Fabrik Krefeld” gibt es hier.
RACER video game installation from sputnic on Vimeo.
von Christian Neeb / Juni 25th, 2010 /
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Die vergangene Woche stand für Videospieler ganz im Zeichen der Electronic Entertainment Expo, kurz E3. Wir zeigen euch, welche der dort vorgestellten Spiele es uns besonders angetan haben und präsentieren euch dazu noch die passenden Trailer.
Kid Icarus Uprising (Nintendo / 3DS)
Statt den Nachfolger des DS mit einem neuen „Mario”-Spiel auf den Markt zu bringen, schickt Nintendo Flattermann Pit. Nach fast zwanzig Jahren Wartezeit gibt es endlich den Nachfolger zu „Kid Icarus”. Allein das wäre schon Grund genug, den 3D-Handheld zu kaufen.
Metal Gear Solid: Rising (Konami / Xbox 360, PS3)
„Lightning Bolt Action” statt „Tactical Espionage Action”. Vergessen ist der blasse Schleicher aus „Metal Gear Solid 2”. Raiden ist jetzt eine bionische Kampfmaschine, deren Schwert alles zerteilt: Roboter, Autos, Soldaten und sogar Betonwände.
Kirby's Epic Yarn (Nintendo / Wii)
Auf ein „Kirby”-Spiel mussten wir nicht so lange warten, wie auf „Kid Icarus”. Trotzdem war die rosane Knutschkugel viel zu lange vom Bildschirm verschwunden. Jetzt kommt sie wieder, ganz aus Garn in einer Welt aus Wolle. Flauschiger geht's nicht.
Child Of Eden (Ubisoft / Xbox 360, PS3)
Kaum ein anderes Game lässt erahnen, wozu die Microsofts Bewegungssteuerung Kinect in der Lage ist. Im Spiel von „Rez”-Erfinder Tetsuya Mizuguchi verschmelzen Bewegungen mit dem Farbrausch auf dem Bildschirm und den Beats zum synästhetischen Rausch.
Rayman Origins (Ubisoft / XBLA, PSN, WiiWare, iPad)
Rayman macht es Sonic gleich und besinnt sich auf die Erfolgsperspektive seiner Anfangstage - und die ist zweidimensional. In „Origins” springt und rennt der Gelenklose durch handgezeichnete Level, die vor durchgeknalltem „Raving Rabbids”-Humor sprühen.
El Shaddai: Ascension of the Metatron (Ignition / Xbox 360, PS3)
Games mit religiösem Inhalt erleben seit „Bayonetta” und „Dante's Inferno” eine Renaissance. Der Engelbrawler von „Okami”-Designer Takeyasu Sawaki trägt seiner transzendentalen Thematik auch grafisch Rechnung: „Devil May Cry” trifft „Love” - himmlisch schön.
von Christian Neeb / Juni 22nd, 2010 /
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Oliver Uschmann schreibt nicht nur in versiert aneinander gereihten Worten im GEE Magazin über Videospiele, sondern ist auch ein derber und derbe erfolgreicher Buchautor. Die Ausstellung „Ab ins Buch“ im Kulturgut Haus Nottbeck erweckt die Welt seiner „Hartmut und ich“-Romane zum Leben. Deren Protagonisten quatschen gerne stundenlang über Games, insofern findet sich in den begehbaren „Kulissen“ der Bücher auch eine Ecke mit 150 Playstation Titel zum Ausprobieren. Dazu werden unter anderem die Gaststätte aus dem Roman „MURP!“ oder der Horrorkeller aus „Hartmut und ich“ zum Leben erweckt.
Neben den interaktiven Exponaten stehen auch Veranstaltungen auf dem Programm. Am Mittwoch heißt es ab 14.00 Uhr etwa „Lokalsport“: Oliver Uschmann liest die gesammelten Fußballerlebnisse von Hartmut und ich. Dazu spielt die Band Alex Amsterdam Indiepop, und dem abersowasvon glorreichen Einzug von Deutschland ins Achtelfinale der WM kann gemeinsam bei Grillwurst beigewohnt werden. Nächste Woche Freitag, also am 02. Juli, gibt es in der Reihe „Hartmut interviewt“ ein Doublefeature aus der Gameszene: Daedalics Kreativleiter Jan Müller-Michaelis („Edna bricht aus") und GEE Chefredakteur Heiko Gogolin stellen sich gemeinsam auf der Couch Hartmuts Fragen.
Dieses und andere Gespräche mit Literaten, Musikern oder Menschen aus der Spielewelt sind anschließend im Netz auf 2010lab.tv zu sehen.
Sie schauen einen an wie zwei neugierige Augen - die Linsen in der Mitte von Microsofts neuem Controller Kinect. Das Gerät für die Xbox 360 arbeitet mit einem System aus Kameras und Mikrofon. Die Augen erfassen Bewegungen des Spielers und übertragen sie ins Spiel. Klassische Eingabegeräte sind nicht mehr nötig. Ein ähnliches Konzept hat Hersteller Sony mit dem Kamerasystem Eyetoy für die Playstation 2 entwickelt. Doch Kinect soll dieses Prinzip, laut Microsoft, nicht nur kopieren, sondern perfektionieren.
Letztes Jahr stellt der Redmonder Konzern das Gerät erstmals unter dem Arbeitstitel Natal vor und heizt mit der Tech-Demo „Milo” Spekulationen an: Ein kleiner Junge auf dem Bildschirm reagiert hier scheinbar auf Gestik und Mimik des Spielenden. Vorwurfsvolle Blicke schüchtern ihn ein, ein Lächeln heitert ihn auf. Wirkliche Emotionen in einem Videospiel - Microsoft kündigt nicht mehr und nicht weniger an, als die Revolution der Videospiellandschaft. Die ruft zwar jeder zweite Hersteller in regelmäßigen Abständen aus, aber die Vehemenz, mit der Microsofts Kreativkopf Peter Molyneux die Vision vom emotionalen Spielen verkündet, geht darüber hinaus. An ihr muss sich der Hersteller messen lassen. Nach der offiziellen Vorstellung von Kinect auf der diesjährigen E3 macht sich jetzt erstmal Ernüchterung breit.
Der Name Kinect verweist auf Kinetik, also Bewegung. Aber auch auf Connect, also Verbindung. Ein Gerät, das durch Bewegung ein Wir-Gefühl erschafft. Kommt irgendwie bekannt vor? Nicht nur der Name verweist auf Nintendos Wii. Die Games, die Microsoft zum Kinect-Launch im November an den Markt bringt, könnten so auch auf der Wii erscheinen: ein Sporttitel, ein Fitnessspiel und ein „Star Wars“-Game. Auch die Ähnlichkeit der Xbox-Avatare mit Nintendos Miis war nie deutlicher als in einer Partie Kinect-Bowling. Die Killerapplikation, die den Kauf der kleinen schwarzen Leiste rechtfertigt, sucht man vergeblich. Das Zubehörteil kostet nach ersten Schätzungen mit 150 Dollar fast genausoviel wie die Xbox selbst. Wo ist ein Rollenspiel à la „Mass Effect”, das klassische Steuerung mit dem Controller in aller Komplexität bietet, aber die Gefühlsregungen des Spielers am Gesicht und nicht an der Eingabe abliest. Wo sind aufregende Neuheiten wie „Milo”? Wo sind die Spiele? Kinetic bietet nur Spielchen.
Dass die Hardware über die technischen Möglichkeiten für Gameplay-Experimente verfügt, ist nur eine Randnotiz der Messe. Sprachkommandos beim Bedienen von Filmen, eine luftige Blätter- und Wischtechnik, bei der man mit Gesten durch die Menüs manövriert. Die in Kinect integrierte Kamera erkennt laut Hersteller sogar das Gesicht des Spielers und meldet ihn im passenden Profil an. Einzig in der Bedienung der Grundfunktionen der Konsole mit Kinect wird das Potential des Controllers deutlich. Wenn sich aber niemand dieses Potentials kreativ annimmt, dann schauen die Augen von Kinect wohl ins Leere.
von Christian Neeb / Juni 17th, 2010 /
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In den achtziger Jahren hatten Videospiele vor allem eine Stoßrichtung: Von links nach rechts. Der spanische Indi-Entwickler Locomalito, verantwortlich für den Ego-Pixel-Shooter „8bit killer“, zollt der starren Perspektive nach drei Jahren Entwicklung jetzt mit seinem Spiel „Hydorah“ Respekt. Der Sidescroller sieht auf den ersten Blick aus wie ein Nachfolger zu „R-Type“ und orientiert sich auch im Schwierigkeitsgrad am Jahrzehnt der an die Wand geschmissenen Gamepads. Wer sich aber einmal in die Fänge dieses Spiels begibt, kommt nicht so leicht vom Rechner los.
Der Soundtrack von Gryzor87 treibt mit Synthie-Klängen mächtig nach vorn und immer skurrilere Gegner decken das Raumschiff des Spielers mit Schüssen ein. Selbst mit aufgerüsteten Waffen am Gleiter bleibt in diesem Spiel nur ein Weg, um die Level zu meistern: Jeden Winkel auswendig zu lernen. Dann stellt sich auch der Effekt ein, den Locomalito mit den Worten beschreibt: „Es kann sehr schwierig werden, aber mit jedem bewältigten Level kommt der Ruhm.“
Zum kostenlosen Download geht es hier.
von Christian Neeb / Juni 11th, 2010 /
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Wie wohl ein Gamedesigner aussieht, wenn er seine eigene Kreation spielt? So: Das folgende Video zeigt den Programmierer Jay Pavlina, während er die ersten fünf Level seines Games „Super Mario Bros. Crossover” spielt. Dabei stellt er nicht nur Techniken vor, um die Welten zu meistern, sondern zeigt auch Schnitzer, wie verschwindende Hauptcharaktere.
Im Flash-Game „Super Mario Bros. Crossover" können statt Mario auch Samus Aran aus „Metroid”, Link aus „Zelda” oder Bill aus „Contra" durch sämtliche Level des Klassikers „Super Mario Bros." gesteuert werden. Der Clou: Pavlina hat alle Spezialfähigkeiten der Charaktere ins Spiel portiert, und die Gumbas können jetzt nicht nur mit Sprüngen auf den Kopf malträtiert werden, sondern auch mit dem „Mega-Man”-Blaster und der Peitsche aus „Castlevania”.
Und so spielt und flucht der Schöpfer...
Die Geschichte von „Poto & Cabenga“ ist so einfach wie bizarr: Ein Reiter wird von einem fliegenden Drachen vom Pferd gerissen und muss sich seinen Weg durch dessen kilometerlangen Magen bahnen, während sein treues Reittier dem Ungeheuer stoisch durch die Steppe hinterher galoppiert. Der Witz an der Sache: Als Spieler steuert man Reiter und Reittier zugleich. Das Drücken der Leertaste lässt den Verschluckten in der oberen Hälfte des Bildschirms hochspringen, um Angreifern im Magen des Drachens auszuweichen. Beim Loslassen derselben Taste wiederum hüpft das Pferd in die Luft, damit es nicht mit Bewohnern der Prärie zusammenprallt. Beides gleichzeitig im Auge zu behalten und mit einer einzigen Taste unterschiedliche Reaktionen auszulösen, fühlt sich im Kopf angenehm ungewohnt an. Und genau deshalb ist „Poto & Cabenga“ unserer Freispiel der GEE-Ausgabe 54.